MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

MotoGP 2015 im Pay-TV: Das Grauen hat uns erreicht

Von Günther Wiesinger
Die Eurosport-Truppe 2015: Raudies, Ringguth, Hofmann und Leberkern

Die Eurosport-Truppe 2015: Raudies, Ringguth, Hofmann und Leberkern

Wichtige Motorsport-Events im Bezahl-Fernsehen, das schien für die deutschsprachigen Fans in weiter Ferne zu liegen. Jetzt sollen die MotoGP-Fans bei Eurosport 2 erstmals bezahlen.

Die MotoGP-Fans in Deutschland sind enttäuscht, zornig, trotzig. Aus verständlichen Gründen, denn erstmals nach Jahrzehnten werden die TV-Übertragungen von den MotoGP-Events 2015 nur mehr teilweise im Free-TV zu sehen sein.

Nach sechs Jahren hat Eurosport die deutschen Live-Rechte wieder gekauft, Sport1 konnte die jährlichen Gebühren der Dorna von 3,5 Millionen Euro nicht mehr leisten.

Kein Wunder, wenn bei den MotoGP-Rennen mit Márquez, Rossi, Lorenzo, Pedrosa, Bradl und Co. im Schnitt nur 420.000 Zuschauer vor den TV-Bildschirmen sassen.

Bei so tristen Einschaltquoten müssen die Werbesekunden für einen Pappenstiel verkauft werden. RTL hat bei den Formel-1-Rennen 6 bis 12 Millionen Zuseher, die Spots kosten ein Vermögen. Deshalb rechnet sich für RTL das Free-TV-Konzept.

Ich habe volles Verständnis für den Ärger der deutschsprachigen MotoGP-Fans.

Denn es wird als alteingesessenes Recht betrachtet, Fernseh-Übertragungen kostenlos zu geniessen. Unterhaltung, Information – heute alles gratis im Zeitalter von Privatfernsehen, Internet und Gratiszeitungen.

Aber die gesamte Medienbranche befindet sich im Umbruch. Da jeder Haushalt heute Zugriff auf Hunderte Sender hat, sinken die Quoten. Und die TV-Manager erschliessen quaisi zwangsweise neue Einnahmequellen – durch Pay-TV zum Beispiel.

An dieses Geschäftsmodell und diesen neuerlichen Angriff auf unsere Brieftaschen werden wir uns gewöhnen müssen wie schlecht gehaltene Hunde an ihre Flöhe, zumindest in den Randsportarten, und dazu gehört auch der Motorrad-GP-Sport – in unseren Breitengraden.

Neun Grand Prix im Pay-TV

Die MotoGP-Rennwochenenden in Doha, Jerez, Le Mans, Assen, Sachsenring, Brünn, Misano, Aragón und Valencia werden bei Eurosport und Eurosport HD 2015 komplett live im Free-TV zu sehen sein. Kostenpflichtig bei Eurosport 2 und Eurosport 2 HD werden alle Trainings, Qualifyings und Rennen in Austin, Termas de Rio Hondo, Mugello, Barcelona, Indianapolis, Silverstone, Motegi, Phillip Island und Sepang übertragen. Zudem sind alle Rennwochenenden über den kostenpflichtigen Eurosport-Player verfügbar.

Welche Quoten bei Eurosport 2 erreicht werden können, lässt sich nicht vorhersagen, denn dieser Sender gilt bei deutschen Experten als unbekanntes Wesen; auf den offiziellen TV-Listen wird nur Eurosport ausgewertet.

Eurosport hat jedenfalls an jenen Wochenenden, an denen ein vielversprechendes Konkurrenz-Programm (Tennis, Radsport) zur MotoGP läuft, die Auftritte von Márquez, Rossi & Co. ins Pay-TV verbannt.

Ja, was nun?

«Ich habe Dorna-Chef Ezpeleta schon mal Euro 99,- für den MotoGP.com-Videopass 2015 überwiesen. Das sind Euro 5,50 pro Rennwochenende inklusive Freies Training, Qualifying, Interviews, Highlights und so weiter», schrieb mir ein Kollege. «Das kostet in München ein Glas Weißbier…»

Nachteil des MotoGP.com-Video-Passes – der Kommentar läuft auf Englisch. Und es werden kaum Interviews mit den deutschsprachigen Teilnehmern geliefert.

Das kleinste Senderpaket bei Eurosport 2 kostet zusätzlich zur Grundgebühr 3,99 Euro im Monat, dazu kommen 99 Euro für einen HD-Receiver plus 14,99 Euro Bereitstellungsgebühr. Eurosport 2 ist in deutscher Sprachversion bundesweit Bestandteil des Programmpaketes «Sky Welt Sport HD», das in den ersten 24 Monaten 26,99 Euro kostet. Alle Veranstaltungen können auch über den Eurosport Player, der die Sitzungen live online überträgt, betrachtet werden. Er kostet pro Monat 6,99 Euro, ein Jahresabo 49,99 Euro.

Die Abneigung der Fans gegen solche Pakete ist für mich vollständig nachvollziehbar. Vielfach geht es nicht allein um die Kosten, sondern um den Aufwand und die technische Installation des Pakets samt Receiver und so weiter.

Es war einfach viel bequemer, in der Vergangenheit auf der Fernbedienung den Kanal für Sport1 zu drücken.

War Sport1 gar nicht so übel?

Aber haben sich die Fans nicht sechs Jahre lang aufgeregt, weil in der Moto2- und Moto3-Klasse die Rennen bei Sport1 oft nicht live übertragen wurden? Und stand dort nicht Kommentator Edgar Mielke dauerhaft unter Beschuss der Fans?

Jetzt merken die Fans: Sie waren bei Sport1 gar nicht so schlecht bedient, zumindest vom finanziellen Gesichtspunkt aus.

Und Ron Ringguth, Dirk Raudies und Lenz Leberkern von Eurosport werden von den GP-Fans auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen.

Immerhin besteht bei Eurosport die Möglichkeit eines Komplett-Programms in HD. Eines ist klar: Wenn die Anzahl der Abos steigt, werden die Preise für Pay-TV sinken.

Da die Ausweichmöglichkeiten begrenzt sind, werden manche TV-Teilnehmer in den sauren Apfel beissen – und sich früher oder später mit dem Bezahl-Fernsehen abfinden. Aber der Zulauf zu Eurosport 2 wird sich in Grenzen halten, das lässt sich schon voraussagen. Viele Fans werden auf Streams zugreifen. Das Schweizer Fernsehen sendet auch Moto2 und MotoGP live, manchmal auch der Sportkanal des ORF.

Noch schwächere Quoten als bei Sport1, das sind unerfreuliche News für die deutschen Fahrer, Teams und Sponsoren für die nächsten vier Jahre.

In Spanien lag der Zuschauerschnitt 2013 bei MotoGP-Rennen im Free-TV bei 3,7 Millionen Zuschauern, in Italien bei 4,4 Millionen.

Wenn man diese Quoten gemäss den TV-Haushalten auf den deutschen Free-TV-Konsum umrechnen würde, hätte Sport1 ein Potenzial von bis zu 8,7 Mio Zuschauern erreichen müssen.

Seit 2014 wird die Hälfte der Rennen in Spanien im Free-TV gezeigt, neun Rennen im Pay-TV bei Movistar, dort gibt es nur 600.000 Subscriber, von denen sich vielleicht nur ein Drittel für MotoGP interessiert...

Natürlich können wir die Dorna verteufeln und kritisieren, dass sie den Fans den Weg zum Free-TV immer stärker verbarrikadiert. Aber wenn die MotoGP-Vermarkter aus Spanien in Deutschland keinen Premium-Sender wie ARD, ZDF, Sat1 oder Pro7 finden, müssen sie sich mit Spartensendern wie Eurosport verbünden.

In Grossbritannien, Italien, Frankreich und Spanien sind die MotoGP-Fans vom Pay-TV-Unheil schon früher heimgesucht worden.

Dass durch das Pay-TV-System die Einschaltquoten dramatisch sinken, muss offenbar hingenommen werden. Die Dorna muss die aufwändigen Übertragungen in aller Welt finanzieren und den Teams in allen Klassen bis zu 40 Millionen Euro im Jahr bezahlen – Startgeld, TV-Geld und Reisekostenzuschüsse.

Wir werden den Trend zum Pay-TV sowieso nicht aufhalten können.

Die Fernseh-Landschaft wird sich in den nächsten 20 Jahren gewaltig verändern. Der Trend geht zum «Video on Demand», jeder sucht sich sein TV-Programm eigenständig zusammen – und schaut sich die Filme zu geeigneten Zeitpunkt an. Wir werden uns auch die Konsumation der aktuellen Nachrichten bald nicht mehr zeitlich vorschreiben lassen für 18.45 Uhr, 19 Uhr, 19.30 Uhr oder 20 Uhr, sondern uns informieren, sobald es uns zeitlich in den Kram passt.

Die älteren Fans können sich noch an die Zeiten in den 1970er-Jahren erinnern. Damals hatten TV-Übertragungen von Motorrad-GP-Rennen oder von der Formel 1 Seltenheitswert, weil die Rechte bei den einzelnen Veranstaltern lagen.

Oft wurden die Grands Prix von kleinen Clubs ausgerichtet, die sich einbildeten, TV-Übertragungen wären geschäftsstörend, denn die Zuschauer würden daheim bleiben und keine Eintrittskarten an der Strecke bezahlen. Also blieben die Bildschirme damals meistens schwarz.

Heute haben wir wenigstens die Wahl: Trotzig schmollen. Oder die Brieftasche zücken.

Eurosport will nur unser Bestes – nämlich unser Geld.

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