Alex Hofmann über Bradl: «Muss volles Risiko gehen»
«Meine heimliche Zielsetzung sind Ränge zwischen 8 und 10», sagt Stefan Bradl vor der am kommenden Wochenende in Katar beginnenden MotoGP-Weltmeisterschaft 2015. «Ich möchte schon unter den ersten zehn dabei sein. Mir wäre lieber, wenn die Tendenz eher Richtung Platz 8 geht.»
Alex Hofmann wird diese Saison für TV-Sender Eurosport als Experte in der Boxengasse unterwegs sein. Als ehemaliger MotoGP-Pilot hat der 34-Jährige viel Insiderwissen, mit SPEEDWEEK.com sprach er über seinen schnellen Landsmann Stefan Bradl.
Als Stefan Bradl von LCR Honda zu Forward Yamaha wechselte, gingen die Meinungen der Fans weit auseinander. Ist das ein Rückschritt für ihn?
Drei Jahre bei Honda waren eine lange Zeit, es war für mich keine Überraschung, dass HRC so reagiert hat. Ich kenne Livio Suppo sehr gut aus meiner Karriere und weiß, wie der tickt. Dass Stefan maximal zwei, mit Glück drei Jahre bekommt, um ein Ausrufezeichen zu hinterlassen, war klar.
Es ist Fakt, dass der Wechsel auf dem Papier erst mal ein Rückschritt ist. Es ist Fakt, dass die MotoGP-WM dieses Jahr härter wird. Man hat gesehen, dass Stefan ein kleiner Dickschädel ist. Wenn er das Gefühl hat, dass die Leute nicht mehr hinter ihm stehen, dann denkt er sich, dass er dann halt eben woanders hingeht. Das finde ich absolut korrekt und fair.
Er wird dieses Jahr definitiv den Bären in sich suchen müssen. Er hat immer wieder Rennen gezeigt, in denen er locker und mit Biss zur Sache gegangen ist und seine 100 Prozent abgerufen hat. Vielleicht hat er jetzt ein Ambiente, in dem er das eher schafft, mit weniger Druck und Anforderungen. Dass er sein inneres Niveau das ganze Jahr über zu 100 Prozent abliefern kann.
Die Yamaha kommt ihm und seinem Fahrstil entgegen, es war wichtig für ihn, dass er frische Luft schnuppert in einer anderen Umgebung.
Ich muss aber auch sagen, dass die Truppe von Lucio Cecchinello, und auch er als Teamchef, sehr angenehm sind. Für ihn drei Jahre fahren zu dürfen, ist eine tolle Geschichte, das ist eine gute Truppe.
Wir wissen, was Stefan kann. Er ist jetzt dafür zuständig, in welche Richtung das pendelt. Wenn er sich jedes Wochenende wie Aleix Espargaró letztes Jahr den Allerwertesten aufreißt, alles gibt und kämpft und das Fahrerlager das auch sieht, dann ist das eine Möglichkeit, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Es darf nicht passieren, dass er merkt, dass in der Open-Klasse erst ab Rang 8 alles möglich ist und er dadurch irgendwann die Motivation verliert, weil es ihm nicht einleuchtet, dass er für Rang 10 oder 12 volles Risiko gehen soll. Wenn das passiert, läuft er Gefahr, dass es in die falsche Richtung geht.
HRC erwartete von Bradl, dass er 2014 regelmäßig Werksfahrer Dani Pedrosa schlägt. War das nicht schon aus technischer Sicht der LCR-Honda eine unerfüllbare Vorgabe?
Honda ist der größte Hersteller, bezahlt die höchsten Saläre und hat mit Marc Márquez den Ausnahmefahrer des Moments. Sie suchen nach Márquez das Nächstbeste. Stefan hat zeitweise gezeigt, was er kann. Er hat Laguna Seca 2013 in seinem ?zweiten Jahr fast ?gewonnen, auf einer der schwersten Rennstrecken auf diesem Planeten. Es gibt nichts Schlimmeres, als MotoGP in Laguna Seca zu fahren. Er ist ?21 von 30 Runden des Rennens vorne gefahren, Márquez ist ihm dann noch 2 sec davongefahren. Stefan hat das ganze Wochenende Pedrosa stehen gelassen.
Stefan hat unglaubliches Talent und Gefühl, manchmal hat er es aber nicht geschafft, 100 Prozent aus dem Wochenende herauszuholen – warum auch immer. Das muss er mit sich ausmachen. Er muss entscheiden, wie viel Risiko er jedes Wochenende für seinen Lebenstraum gehen will. Insider wissen, dass er mehr kann, als er gezeigt hat. Rennen wie Laguna Seca sind halt in den letzten Rennen 2014 ausgeblieben. Wenn er solche Rennen öfters gebracht hätte, würde er jetzt vielleicht sogar in Repsol-Rot fahren.