Stefan Bradl: «Bin nicht auf dem besten Niveau»
Dass Stefan Bradl mit einem Punkt in fünf Rennen den denkbar schlechtesten Saisonstart hingelegt hat, lässt sich nicht bestreiten.
Aber der Yamaha-Open-Class-Pilot aus dem Athinà Forward Racing Team lässt sich nicht unterkriegen und will alles tun, um sich Schritt für Schritt aus diesem Schlamassel zu befreien.
Stefan, das Rennen in Le Mans war mit dem Sturz in der zweiten Runde ein Reinfall. Mit welcher Einstellung gehst du jetzt am Freitag ins erste Mugello-Training? Man dachte, seit Jerez sei die Basis bei der Elektronik besser. Aber in Frankreich war nicht viel davon zu sehen?
Da bin ich jetzt immer noch in der Hoffnung. Speziell weil wir in Le Mans von Samstag auf Sonntag schon etwas gefunden haben, wie wir die Basis verbessern können. Wir müssen schauen, dass wir bei der Traktionskontrolle bei der Motorleistung deutlich auf der sicheren Seite starten. Und nicht so aggressiv, wie wir in letzter Zeit oft unterwegs waren.
Denn da haben wir einfach versucht, schon am Anfang alles rauszuholen. Jetzt werden wir eine andere Richtung einschlagen und uns in diesem Bereich langsam zu steigern.
Ich hoffe, dass mir diese Vorgehensweise ein besseres Gefühl gibt und mir mehr Vertrauen vermittelt.
Für Mugello wurde drei Tage stabiles Wetter angekündigt, mit 26 bis 28 Grad. Das sollte für das Set-up der Traction Control auch hilfreich sein?
Ja, das ist sicher hilfreich. Denn wenn so eine Situation mit wechselhaftem Wetter dazwischen kommt, das ist für uns ein absolutes Drama.
Natürlich werden die Verhältnisse auch hier vom Vormittag zum Nachmittag anders sein, das ist auch klar. Aber es sollte einigermassen besser sein.
Du warst 2015 immer dicht an den besten Open-Bikes dran. Aber es gab kein Rennen, mit dem du zufrieden sein konntest. Hast du dich mit dieser neuen Situation abgefunden? Du kannst nicht mehr um Top-6-Plätze fighten wie bei LCR-Honda, sondern du hast es mit 14 Werksmaschinen zu tun, die kaum zu schlagen sind. Plätze zwischen 12 und 15 musst du also als Erfolg akzeptieren?
Ja, das ist nicht einfach. Ich bin noch nicht so richtig in der Open-Class angekommen, wenn ich ehrlich sein soll. Es sind jetzt Fahrer dicht hinter mir und teilweise sogar vor mir, von denen ich nicht erwartet habe, dass ich mich ihnen abplagen muss.
Aber ich bemühe mich, damit umzugehen.
In Le Mans wäre ein Achtungserfolg möglich gewesen. Du warst in der zweiten Runde Elfter – dann bist du gestürzt.
Ich hatte anfangs Probleme mit den 340er-Bremsscheiben. Trotzdem wollte ich mich so rasch wie möglich von den anderen Open-Fahrern wie Miller absetzen...
Le Mans hätte vom Rennverlauf her ganz gut werden können. Aber was hilft's, wenn ich's wegschmeiss? Das ist natürlich auch kein Allheilmittel.
Ich muss jetzt von Rennen zu Rennen schauen. Und ich muss mir bewusst werden, dass auch ein 12. oder 14. Platz am Freitag akzeptabel ist.
Wichtig ist, dass wir nachher am Samstag und Sonntag nicht wieder an Boden verlieren, was bisher immer der Fall war. Bei den ersten Trainings waren wir oft passabel dabei, nachher fehlte aber komplett die Steigerung.
Die Jungs müssen versuchen, mir ein Motorrad zu geben, zu dem ich Vertrauen finde, für das ich ein Gefühl aufbauen kann, damit wir uns 'step by step' steigern können. Dann können wir endlich auch am Fahrwerk und an anderen Sachen arbeiten. Denn wir haben seit dem Jerez-Test keinen Klick am Motorrad verändert. Wir haben von der Basis her immer noch das Gleiche wie beim Test in Malaysia. Seither haben wir nie Zeit gehabt, etwas rauszufinden.
Hin und wieder können wir eine andere Schwingenlänge probieren. Aber es fehlt der Zeit für ernsthafte Vergleiche, ob es auch wirklich besser ist. Es gibt immer nur einen ersten Eindruck, dann lasst man es drin... Aber irgendwann stellt sich heraus, dass es nicht unbedingt eine Verbesserung ist.
Du bist der einzige Open-Class-Fahrer, der durch die Factory-Software von Honda verwöhnt ist und jetzt mit der Einheits-ECU von Marelli mehr Mühe hat als die andern Open-Fahrer, die teilweise aus der Moto3- und Superbike-WM kommen.
Ja, darüber habe ich mich hier in Mugello auch mit Aleix Espargaró unterhalten. Er sagte, dass er sich vorstellen kann, ?wie schwierig es für mich ist, weil ich von etwas komme, das sehr, sehr gut ist, optimal sogar, würde ich sagen. Aleix meinte, er sei damals von der CRT-Aprilia ?auf die Forward-Yamaha ?umgestiegen. Für ihn war diese Marelli-Motorsteuerung normal, eher ein Fortschritt. Ich hingegen bin extrem verwöhnt gewesen. Und jetzt muss ich mich mit Elektronik-Problemen abplagen, die ich bisher nicht gekannt habe.
Diese ECU hat mir bisher nicht das richtige Gefühl gegeben. Ich spüre auch nicht, dass es Schritt für Schritt vorwärts geht.
Vielleicht klappt es hier in Mugello. Das Team bemüht sich nach Leibeskräften, wir tun alles, um die Probleme zu lösen und das gemeinsam hinzukriegen.
Ich bin der Meinung, dass wir noch einiges an Arbeit vor uns haben. Gleichzeitig hoffe ich, dass wir jetzt ?jetzt die richtige Richtung einschlagen. Bisher haben wir uns oft im Kreis gedreht?. Dass wir etwas probiert haben, von dem wir sagen konnten, jetzt geht es endlich mal vorwärts, das ist bisher noch nicht eingetreten.
Fahrerisch geht wohl auch irgendwann der Spass verloren, wenn in jedem Training Probleme auftreten?
Ich will das gar nicht verheimlichen. Ich habe ?es in diesem Jahr schon immer betont: Ich bin momentan fahrerisch sicher nicht auf dem besten Niveau, das ich in der MotoGP gezeigt habe.
Ich bin der Meinung, dass mich das Motorrad sicherich daran hindert, schneller zu fahren und bessere Ergebnisse zu erzielen. Das brauch' ich nicht leugnen. Das kann ich mit meinem Gewissen vereinbaren, dass das der Fall ist.
Dass das Selbstvertrauen und so weiter darunter leidet, wenn man nicht vom Fleck kommt, ist ja irgendwo logisch.
Aber es hilft nichts. Ich muss dieses Tal durchschreiten und irgendwann gestärkt aus dieser Situation herauskommen.
Es hilft nur Geduld. Und gleichzeitig muss das Technikpaket schrittweise verbessert werden?
Ja. Deshalb sage ich auch, wir müssen von Rennen zu Rennen schauen. Wir müssen jetzt nicht überlegen, was in zehn Rennen ist oder was am Ende der Saison passiert. Ich muss zuerst schauen, dass ich dieses Rennwochenende gescheit über die Bühne bringe. Dass ich Punkte mache und versuche, im Qualifying und Rennen womöglich bester Open-Fahrer zu werden. Das sollte hin und wieder das Ziel sein, zumindest sollte der beste Open-Fahrer in Reichweite sein.
Dann werden wir sehen.