Michelin: Perfekte Reifen erst in drei Jahren?
Michelin hat noch Kummer mit den Vorderreifen
Am Montag vor dem Sachsenring-GP testete Yamaha-Testfahrer Colin Edwards auf der deutschen GP-Strecke Michelin-Reifen, die Zeiten liessen zu wünschen übrig. In der Woche nach dem GP von Deutschland testete Michelin in Misano.
Aber die Vorderreifen-Problematik wurde bisher nicht gelöst. Manche Spitzenfahrer haben momentan gar keine Lust mehr, Michelin zu testen. Allen voran der feinfühlige und mit Michelin schon zweimal über das Vorderrad gestürzte Jorge Lorenzo.
Den Franzosen, die 2016 erstmals die Einheitsreifen für die MotoGP-WM liefern und in den Jahren 1976 bis 2006 nicht weniger als 26 von 31 WM-Titeln und 360 GP-Siege in der Königsklasse errungen, läuft langsam die Zeit davon.
Der Vorderreifen erweist sich als problematisch, die Werksfahrer von Rossi bis Márquez wollen vorläufig am liebsten gar nicht mehr mit den Michelin-Erzeugnissen fahren. Beim Montag-Test in Mugello sind bekanntlich Rossi, Lorenzo und Márquez übers Vorderrad gestürzt. Der Vorderreifen vermittelt im Grenzbereich wenig Feeling, die Haftung reisst schlagartig ab. Das «Pushen» des Vorderreifen wird vom fantastisch haftenden Michelin-Hinterreifen ausgelöst, der offenbar den Vorderreifen überfordert.
Die Michelin-Probleme mit den Vorderreifen sind keine Überraschung. Schon in der Vergangenheit gab es diesbezüglich Probleme. Sie führten sogar dazu, dass Yamaha-500-Werkspilot Luca Cadalora einst bei einigen Rennen vorne Dunlop-Reifen aufziehen liess, obwohl das Team bei Michelin unter Vertrag stand.
Auch jetzt geben die Hinterreifen von Michelin wenig Anlass zu Kritik, während vorne die Haftung zu wünschen übrig lässt.
Dabei hat Michelin seit dem ersten grossen Sepang-Test Ende Februar bereits deutliche Änderungen vorgenommen. Damals wurde vorne eine Dimension von 3,50 x 17 Zoll gefahren, wie sie bei den Strassenreifen Mode sind. Nachher wurden die Dimensionen schrittweise auf 3,75 auf 4 Zoll erhöht.
Bridgestone verwendet übrigens in der MotoGP-Klasse durchgängig 16,5-Zoll-Reifen.
Etliche MotoGP-Rennfahrer fragen sich, zu welchem Fabrikat die französischen Reifen 2016 am besten passen werden.
Klar ist: Valentino Rosi ist ein alter Michelin-Mann, seine Kontakte zu Technical-Director Nicolas Goubert sind ausgezeichnet. Und auch Colin Edwards war jahrelang ein wichtiger Input-Geber für Michelin und Goubert.
Repsol-Honda hat hingegen bisher nicht übertrieben viel zur Entwicklung der Michelin-Reifen beigetragen, Ducati-Testfahrer Michele Pirro deutlich mehr. Aber Ducati ist nur 2003 und 2004 in der MotoGP-WM auf Michelin gefahren (erster MotoGP-Sieg mit Capirossi in Barcelona), dann wechselten die Italiener als erster Hersteller 2005 zu Bridgestone.
«Es kommt darauf an, welches Werk die meisten Testkilometer für Michelin abspult», meinte ein Reifen-Experte. «Bisher ist zu hören, dass die Balance zwischen Hinter- und Vorderreifen nicht stimmt. Offenbar stresst der sehr gut haftende Hinterreifen den Vorderreifen zu viel. Wenn dieses Problem nicht gelöst wird, kann es 2016 in der zweiten Rennhälfte eklig werden. Es sind ja bisher alle Stürze über das Vorderrad passiert. Das erste Jahr könnte schwierig werden. Meiner Meinung nach dauert es mindestens drei Jahre, bis du für alle äusseren Verhältnisse und alle Strecken und die ganze Saison hinweg richtig konkurrenzfähige Reifen zustande bringest.»
Am Montag nach dem Brünn-GP testen erstmals alle Stammfahrer die Michelin-Produkte, nicht nur die Factory-Piloten und Testfahrer.
«Das wird spannend», stellte ein MotoGP-Fahrer fest.
Michelin will in diesem Jahr auf allen Strecken testen, die für 2016 im Kalender stehen. Aber die Fahrer fordern für Jerez. Barcelona, Le Mans und womöglich auch für den Sachsenring einen neuen Fahrbahnbelag.
Das würde bedeuten: Die Erkenntnisse und Daten der bisherigen Tests auf diesen Strecken würden wertlos werden.