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Stefan Bradl: Vom Schreibtisch wieder aufs Motorrad

Von Günther Wiesinger
In der vergangenen Woche sass Stefan Bradl in erster Linie in seinem Büro; seine Arbeitsgeräte waren hauptsächlich Computer und Mobiltelefon. Ab Freitag geht er in Indy wieder seinem Hauptberuf nach.

Seit Samstagnachmittag ist offiziell, was die Spatzen schon seit Tagen von den Dächern pfiffen: Stefan Bradl (25) bestreitet die zweite MotoGP-Saisonhälfte für das Aprilia Racing Gresini-Team. Er wird nächstes Wochene schon beim Red Bull Grand Prix in Indianapolis für Aprilia Racing an den Start gehen und die restlichen neun Rennen auf der Aprilia RS-GP bestreiten.

Aprilia Racing konnte bei diesem Transfer erst richtig aktiv werden, als Bradl am Donnerstagabend die Freigabe von Forward Racing schriftlich nachweisen konnte.

Daraufhin konnte ein Antrag an das Selektions-Komitee gestellt werden, ob der Bayer als permanenter Ersatz für Marco Melandri (nach der Dutch-TT in Assen entlassen) akzeptiert werde.

Es bestand offenbar ein Restrisiko, dass Forward Bradls einseitige Kündigung vom Dienstag anfechten würde, obwohl er wohl triftige Gründe geltend machen konnte: Teambesitzer in Haft, Team im Verruf, Indianapolis-Teilnahme gestrichen, Brünn fraglich, Sponsoren ausgestiegen, stark veränderte Vertragssituation und so weiter.

An einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung und zivilrechtlichen Schritten konnte der MotoGP-Fahrer nicht interessiert sein. Denn er wollte in Indy auf einer MotoGP-Maschine sitzen, nicht erst eine Woche später in Brünn oder womöglich gar nicht mehr in diesem Jahr. Die Zeit drängte, also wurden gewisse Zugeständnisse gemacht, um die Freigabe bekommen.

Denn beim Aprilia-Werksteam befand sich Testfahrer Michael Laverty (er fuhr in Sachsen) im Stand-by-Modus. Das Team brauchte spätestens am Wochenende eine Entscheidung, welcher Fahrer für Indy aufgeboten werden sollte.

Bradl, von zwei prominenten Anwälten professionell beraten, erreichte dann am Donnerstabend in einem Telefonat mit Forward-Teammanager Marco Curioni eine einvernehmliche Vertragsauflösung und versorgte danach die Teamvereinigung IRTA und die Dorna-Verantwortlichen mit den entsprechenden Schriftstücken und Unterschriften.

In diesem Augenblick stand fest: Das Selektions-Komitee würde den Antrag von Teambesitzer Fausto Gresini für Bradl als «permanent replacement» abnicken und den siebenfachen GP-Sieger am Freitag für den Rest der Saison als Werksfahrer und Teamkollegen von Alvaro Bautista akzeptieren.

Danach wurde Bradl sehr rasch mit Aprilia handelseinig. Die Italiener hatten ja schon vor einem Jahr erstmals Kontakt mit ihm aufgenommen – es ging damals um die Saison 2015.

«Ich habe in den letzten Tagen alles getan, um bereits in Indy wieder fahren zu können», stellte Bradl fest. «Aber ich habe mir nicht vorgestellt, wie viele Abklärungen, Diskussionen, Mails und Telefonate notwendig sind, um so einen Teamwechsel mit allen Konsequenzen in diesem Paragraphendschungel innerhalb von vier Tagen über die Bühne bringen zu können. Jetzt bin ich froh. Denn ich habe schon am vergangenen Montag bei der medizinischen Kontrolle gespürt, dass ich nach den verbleibenden zehn oder elf Tagen bis zum ersten Training in Amerika mit dem operierten rechten Kahnbein kein Problem mehr haben werde. Und ich wollte sechs Wochen nach dem Assen-Sturz unbedingt in Indianapolis wieder fahren. Ich muss mich an das neue Motorrad gewöhnen, an die neue Crew und an die neue Arbeitsweise. In Indy darf man nicht zu viel erwarten. Ich sehe diesen Grand Prix als Vorbereitung für die nächsten Rennen. In Brünn möchte ich einen Schritt nach vorne machen.»

Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano ist erleichtert, endlich einen vielversprechenden Ersatz für den enttäuschenden Marco Melandri gefunden zu haben, der im Frühjahr bis zu 4 Sekunden auf die Bestzeit verlor. «Ich bin sehr happy», stellte er nach der Einigung mit Bradl erleichtert fest.

Bautista hat bei den ersten neun Rennen sechsmal gepunktet, er ist mit 13 Punkten WM-Siebzehnter. Bradl liegt mit neun Punkten an 19. Stelle.

Auf dem Sachsenring qualifizierte sich Bautista als 16. (1,713 sec hinter Márquez) und kassierte dann als 14. im Rennen zwei Punkte.

Mit solchen Zahlenspielereien will sich Bradl jetzt nicht befassen. «Auf schnellen Strecken mit langen Geraden wie Silverstone, Phillip Island und Sepang wird es nicht einfach», meint er. «Aber Bautista hat gezeigt, dass man auf kurvenreichen Pisten den Open-Fahrern Paroli bieten kann.»

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