Stefan Bradl-Zukunft: «Vielleicht höre ich auf»
Stefan Bradl: Muss er Aprilia verlassen?
Nach drei Top-Ten-Plätzen bei den ersten Rennen fünf WM-Rennen in diesem Jahr rechnete sich Stefan Bradl gute Chancen auf einen Verbleib bei Aprilia für 2017 aus.
Aber als Pol Espargaró seinen Vertrag mit Tech3-Yamaha nicht unterschrieb und Suzuki mit Alex Rins zu liebäugeln begann, wurde klar: Es kommen mit Lowes, Zarco, Folger und Rins vier Moto2-Fahrer ins MotoGP-Feld, dazu eventuell Superbike-WM-Pilot Michael van der Mark, es müssen also ein paar Haudegen das Feld räumen.
Spätestens beim Catalunya-GP wurde deutlich, dass Aleix Espargaró bei Aprilia für 2017 hoch im Kurs stand.
Da die Werksteams jetzt für 2017 alle besetzt sind, auch Teams wie Pramac, Marc VDS, LCR und Tech3 kein Interesse zeigten und die Erfolgsaussichten bei den Kundenteams nicht besser werden, sieht sich Bradl nicht nur in der Moto2-WM um, sondern erstmals auch in der Superbike-WM, wo momentan sieben Hersteller (Kawasaki, Honda, Yamaha, Ducati, Aprilia, BMW und MV Agusta) mitfahren und wo 2018 Suzuki als achtes Werk mit der neuen GSX-R antreten will, die 2016 bei der Intermot präsentiert wird.
Stefan Bradl hat vor dem Mugello-GP noch gesagt, er schlafe ruhig und mache sich wegen der MotoGP-Karriere keine Sorgen. Aprilia hat ihn dann zum Misano-Test eingeladen und zum Windkanaltest in Perugia, Bautista war bei beiden Anlässen nicht dabei. Aber irgendwann hat sich abgezeichnet: Aprilia verhandelt ernsthaft mit Aleix Espargaró.
Stefan, es war bereits in Mugello klar, dass entweder Pol oder Aleix Espargaró bei Aprilia anklopfen würden. Denn dort äusserte sich Yamaha-Rennchef Lin Jarvis nicht sehr lobend über Pol, und Suzuki machte klar, dass sie Rins statt Aleix haben wollen.
Im Prinzip ist mir nach dem Barcelona-GP klar geworden, dass Aprilia beide Fahrer austauschen wird. Das ist zwar noch nicht offiziell bestätigt. Aber ich denke, diese Bestätigung wird in Assen oder nach Assen kommen.
Meine Einschätzung ist, dass Aprilia die nächste Saison mit Sam Lowes und Aleix Espargaró bestreiten wird.
Das ist mit letzte Woche klar geworden. Durch die finale Bestätigung, dass Rins bei Suzuki fix ist, habe ich mir gedacht, dass es so kommen wird.
Du hast seit 2013 im Sommer immer wieder die Rückkehr in die Moto2-WM als Ausweichmöglichkeit erwähnt. Jetzt kommt zum ersten Mal auch die Superbike-WM in Frage. Wie schwierig war es für dich, auch die Superbike-WM in die Gedanken einzubeziehen? Das wär ein GP-Abschied nach elf Jahren.
Es gibt in der MotoGP-WM nicht mehr viele reizvolle Plätze. Also ist es automatisch so, dass man sich woanders umschauen muss, wenn man weitermachen will.
Somit habe ich mich mehr und mehr mit der Superbike-WM beschäftigt. Aber die Gespräche sind noch nicht sehr intensiv; sie haben noch keine Klarheit gebracht. Es ist alles noch ein bisschen undurchsichtig, wie es bei mir weitergeht.
Wie schwer fällt es dir, den möglichen Abstieg in die zweite Liga hinzunehmen?
Hm. Wie schwierig ist das? Die Superbike-WM ist die zweite Liga, ja. Ich habe mich mit den Superbikes in den letzten Jahren nicht so intensiv beschäftigt. Man schaut sich halt die Ergebnisse an und verfolgt, was dort so passiert.
Klar, im Vergleich zu MotoGP ist es die zweite Liga. Aber wenn man in der zweiten Liga oben mitspielt, ist das sich auch nicht so schlecht. Das ist sicher reizvoller, als wenn man in der MotoGP kämpft, mit Hängen und Würgen in die Top-Ten zu kommen.
Da muss man als Fahrer abwägen, was einem lieber ist.
Im Moment muss man abwarten, was man bei den Superbikes auftun könnte. Dann werde ich mir die Möglichkeiten zu Gemüte führen.
In der Superbike-WM ist für 2017 zum Beispiel ein Platz bei ten-Kate-Honda neben Nicky Hayden frei.
Ja, dort läuft der Vertrag von Michael van der Mark aus. Das ist bekannt.
Aber es gibt noch keine konkreten Verhandlungen mit Honda Europa. Ich muss sowieso zuerst abwarten, bis sich Aprilia endgültig entscheidet und mir mitteilt, ob die Option für 2017 eingelöst wird oder nicht.
Honda hat Interesse, das kann ich verraten. Es wurde ein Kontakt hergestellt. Aber es steht noch sehr, sehr viel in den Sternen. Natürlich habe ich bei Aprilia gesehen, wie reizvoll es ist, wenn ein Werk dahinter steht.
Aber momentan ist für 2017 gar nichts fix. Wer weiss, ob ich überhaupt noch weiter fahre? Das weiss man ja auch noch nicht.
Das heisst: Wenn weder aus der MotoGP, noch aus der SBK und Moto2 ein verlockendes Angebot kommt, hörst du mit 26 Jahren womöglich auf?
Ausschliessen kann ich gar nichts. Es ist nicht meine Absicht, aufzuhören. Und es wird auch nicht so weit kommen, dass ich aufhöre. Ich sage das nur, weil bisher nichts Konkretes für 2017 auf dem Tisch liegt.
In der Moto2-WM steigen ja vier der aktuellen Top-6 der WM-Tabelle auf. Dort werden Spitzenfahrer gesucht. Bei Teams wie Intact, bei Pons, bei Marc VDS, bei Gresini und Ajo, zum Beispiel.
Ja, aber für die Moto2-Klasse haben noch keine wirklichen Gespräche und Verhandlungen stattgefunden. In der Moto2 fallen die Entscheidungen erst Mitte August, schätze ich. Über die Moto2 habe ich mir deshalb noch nicht den Kopf zerbrochen. Wir warten jetzt den Assen-GP ab und die offizielle Information von Aprilia, ob sie 2017 mit mir weitermachen oder nicht.
Man darf nicht vergessen: Aprilia hat bis Mitte August eine Option auf mich. Bevor sie sich nicht entschieden haben, kann ich gar nicht woanders zusagen.
Gleichzeitig möchte ich nicht alle Gespräche in der Öffentlichkeit diskutieren. Ich werde mich erst konkret äussern, wenn es handfeste Verhandlungen gibt. Ich kann nicht dauernd alles erzählen, was intern in geheimen Meetings besprochen wird. Das machen andere Fahrer auch nicht. Es ist im Fussball und in jeder anderen Sportart genau so, dass bei Transfers nicht jede Neuigkeit vorzeitig an die grosse Glocke gehängt wird.
Ich kann aber verraten: Es passiert im Hintergrund viel, was nicht zu den Journalisten durchdringt.
Es soll also niemand glauben, dass bei mir nichts passiert, auch wenn das manche meinen.
Auf gewisse Meinungen der Fans habe ich sowieso keinen Einfluss. Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Da hat jeder das Recht dazu.
Bis dato steht jedoch bei Aprilia nichts fest. Zu 99,9 Prozent wird es wohl auf Aleix Espargaró hinauslaufen. Aber es kann immer noch was passieren.
Sobald ich Bescheid habe von Aprilia, kann ich zu anderen Teams gehen und sagen: Okay, ich bin auf dem Markt verfügbar.
Ich schätze, dass die Verhandlungen zwischen Assen und Sachsenring richtig losgehen werden. Aber ich wiederhole: Vorher muss mir Aprilia mitteilen, ob sie die Option auf mich einlösen oder nicht.
Natürlich bin ich nicht deppert, also habe ich meine Fühler ausgestreckt. Aber «Gespräche führen» ist ein anderer Begriff als «Verhandlungen führen».
In der MotoGP-WM könnten nächstes Jahr zehn Spanier fahren, aber mit Jonas Folger wird voraussichtlich nur ein Deutscher dabei sein. Hast du den falschen Pass?
Dieses Thema haben wir schon oft besprochen. Es gab seit 2002 nie ein deutsches MotoGP-Team. Ich habe seit Viessmann 2011 keinen grossen deutschen Sponsor mehr gehabt.
In der MotoGP-WM werden zwei Werksteams von Repsol und Movistar unterstützt, dazu gibt es mit Avintia und Power Electronics zwei weitere Sponsoren, die spanische MotoGP-Teams finanzieren. Und durch die vielen spanischen Teams in der Moto3 und Moto2 werden viele Talente früh gefördert und aufgebaut.
In Deutschland fallen viele Talente durch den Rost, weil es keine Teams gibt und weil die Sponsoren fehlen. Seit drei Jahren ist kein neues deutsches Talent in die WM gekommen. Und zwei deutsche GP-Teams haben nur ausländische Fahrer....
In der Superbike-WM ist ein Platz bei Honda frei, einer im Ducati-Werksteam neben Chaz Davies, Yamaha hingegen will mit Guintoli und Alex Lowes weitermachen. Was würdest du dir auf einem konkurrenzfähigen Bike zutrauen? Nicky Hayden, dein alter Streitgefährte, ist WM-Sechster.
Das kommt aufs Material drauf an und aufs Team.
Wenn ich ehrlich bin, ist der Umstieg in die Superbike-WM etwas interessanter als der Umstieg in die Moto2, weil das Motorrad ähnlich ist, es handelt sich um 1000-ccm-Vierzylinder, abgesehen von der 1200-ccm-Twin von Ducati.
In der Moto2 ist die Motorleistung deutlich geringer. Ich glaube, dass die Fahrstilanpassungen in der SBK nicht so gravierend wären wie bei einer Rückkehr in die Moto2.
Wie schwer wäre die Umstellung für dich als Fahrer, wenn du in die Superbike-WM wechselst? Es gibt dort Pirelli-Reifen statt Michelin und Stahlbremsen statt Karbonbremsen.
Der Unterschied zwischen den Reifen wird vielleicht so sein wie zwischen Bridgestone und Michelin, das lässt sich nicht genau abschätzen. Den Unterschied zwischen den Motorrädern kann ich erst beurteilen, wenn ich das erste Mal drauf sitze. Von der Motorleistung her wird wahrscheinlich nicht viel Unterschied sein. Aber vom Chassis her wird es vielleicht nicht ganz so knackig und direkt sein, sondern ein bisschen weicher und gautschiger.