Pit Beirer: «Der Russland-GP-Termin ist Schwachsinn»
Teutschenthal steht auch 2020 noch auf dem Terminplan, wenn auch ohne Datum
Die Schweizer Agentur Infront Moto Racing kämpft beim Neustart der Motocross-Weltmeisterschaft (am 1. und 8. März wurden bereits WM-Events in England und in den Niederlanden abgewickelt) mit schwerwiegenden Problemen. Denn die Cross-WM-Läufe können ohne den Verkauf von Zuschauertickets von den lokalen Veranstaltern nicht kostendeckend abgewickelt werden. Es gibt nämlich in dieser Rennserie im Gegensatz zur Formel 1 oder MotoGP-WM keine lukrativen Einnahmen durch den Verkauf von TV-Rechten. Und in den meisten Ländern sind Großveranstaltungen weiter verboten, es gelten Versammlungsverbote, Abstandsregeln und dazu Flugbeschränkungen, Reiseverbote und Grenzschließungen.
«Ich war immer optimistisch, dass besonders die Cross-WM im Sommer früh wieder beginnen kann», erklärte Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM mit den weiteren Marken Husqvarna und GasGas, «weil man in dieser Meisterschaft mit verhältnismäßig kleinem Marschgepäck reisen kann. Aber vorläufig fehlt noch die Reisefreiheit und die Erlaubnis, vor Zuschauern zu fahren. Wir müssen jetzt anständig bleiben, uns an alle Gesundheitsvorschriften halten und mit den Regierungen in den Veranstalterländern eng zusammenarbeiten. Wir müssen danach trachten, die geplanten WM-Rennen anständig über die Bühne zu bringen, ohne die Gesundheit der Beteiligten zu gefährden. Alle sind froh und erleichtert, dass wir in diesem Jahr noch eine akzeptable Rennsaison über die Bühne bringen. Aber wir müssen auch mit diesen Restriktionen leben und uns bewusst sein: Wenn wir aus diesem Corona-Jahr eine stattliche Anzahl von Motocross-Events herausholen, haben wir etwas Großartiges geschafft. Daran arbeiten wir», betont Beirer, der die 250er-Cross-WM in den Jahren 1997, 1998, 2000 und 2002 als Gesamtdritter und 1999 als Vizeweltmeister beendet hat. «Irgendwann werden die Zuschauer an der Rennstrecke wieder dazu kommen. Da freuen wir uns riesig drauf.»
«Wir hoffen jetzt einmal, dass die beiden Formel-1-GP in Spielberg super funktionieren und die Gesundheitskonzepte von Infront in allen MXGP-Ländern akzeptiert werden», sagt der 47-jährige Pit Beirer. «Denn nicht nur jeder Mitarbeiter, den ich bei KTM treffe, freut sich auf die Rennen, sondern unzählige Fans in aller Welt warten darauf, dass in der Rennszene wieder etwas passiert. Es war schon großartig, am vergangenen Mittwoch und Donnerstag unsere MotoGP-Fahrer Pol Espargaró und Dani Pedrosa in Spielberg wieder auf der Rennstrecke zu sehen. Dazu kam am Wochenende die Rückkehr der Supercross-WM in Amerika. Das heißt: Der Motorsport ist virenresistent.»
Ab September mit Zuschauern?
Der mehrmals abgeänderte Motocross-WM-Kalender mit dem Neustart in Russland am 2. August wird von allen Beteiligten nach wie vor als illusorisch betrachtet, denn Russland gilt als stark betroffenes Coronavirus-Gebiet, der Zickzack-Kurs von Präsident Putin bringt weiter viel Ungewissheit mit sich.
«Der Russland-GP Anfang August ist völliger Schwachsinn und macht eigentlich nur das Fahrerlager unnötig nervös», wundert sich KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer. «Wenn die Fahrer diesen Kalender lesen, wäre es ihr Job, sich auf diesen Renntermin vorzubereiten. Aber zu diesem Zeitpunkt in Russland zu fahren ist echt nicht realistisch. In der aktuellen Situation gehört Russland zu den schwierigsten Austragungsländern für eine Großveranstaltung. Deshalb warten wir gespannt auf das nächste Kalender-Update. Das kann nicht der richtige Vorschlag sein. Es stehen auch frühe Termine mit Lettland, Finnland und Schweden im Kalender. Das sind Schauplätze, bei denen es wegen der geringen Infektionsraten realistisch ist, dass man im Sommer hinreisen kann.»
Beirer: «Die Restriktionen für die Zuschauer an der Strecke werden sich in den nächsten Wochen weiter lockern. Es sind jetzt schon in einigen Ländern in Europa Events mit 800 bis 1000 Zuschauern genehmigt. Das Zuschauerverbot bröckelt jetzt langsam. Ich denke, dass ab September Motocross-WM-Rennen mit Zuschauern realistisch sein werden. Man muss ja nicht 30.000 Zuschauer reinlassen, sondern gewisse Abstandsregeln und andere Maßnahmen beachten und ein Gesundheitskonzept vorlegen wie in anderen Sportarten. Ein Motocross-GP ist auch mit 10.000 Zuschauern schon eine ordentliche Nummer. So eine Anzahl von Fans auf einem freien Gelände zu organisieren ist sicher einfacher als 100.000 Fans bei einem MotoGP-Event auf den Tribünen zu verteilen.»
«Wir müssen jetzt noch ein bisschen vernünftig sein und alles tun, um diesen bescheuerten Virus einzudämmen», meint Beirer. «Irgendwann wird er dann so in der Minderheit sein, dass wir wieder anfangen können, unser normales Leben zu führen. Die Staaten und Gesundheitsbehörden machen in einigen Ländern klare Fortschritte bei den Bemühungen, die Fälle einzudämmen. Aber es gibt leider immer noch Staaten, in denen zu viele Neuinfektionen stattfinden. Man kann das Problem deshalb noch nicht wegdiskutieren. Aber die Zuversicht hat zugenommen.»
Der geplante Neustart der MXGP-WM soll laut dem jüngstem Kalender-Update beim Grand Prix in Orlyonok/Russland nun der 2. August angepeilt werden. Gleichzeitig zieht Promoter Infront Moto Racing weitere Maßnahmen in Betracht, über die mit dem Motorradweltverband FIM gesprochen werden soll. Die GP-Teams sind bereits informiert worden.
Der erste Vorschlag sieht vor, die MXGP- und MX2-Action auf den Sonntag zu konzentrieren, während die Europameisterschaft (EMX) und die Damen-WM (WMX) am Samstag durchgeführt werden. Für die WM-Klassen wäre am Sonntag eine Trainings-Session (freies Training und Zeittraining) geplant, das umstrittene aber immer wieder unterhaltsame Qualifying-Rennen soll wegfallen. Der neue Zeitplan zielt auf eine Kostenreduktion ab und soll nur für 2020 und dabei nicht für die Übersee-GP gelten. Die Reisen nach China, Indonesien und Argentinien stehen bekanntlich noch im Kalender.
«Giuseppe Luongo ist sehr motiviert, in diesem Jahr noch mehr als zehn MXGP abzuwickeln», weiß Pit Beirer. «Ich kann mir vorstellen, dass wir fast zu einem normalen Jahreskalender zurückkehren mit 15, 16 oder 17 Veranstaltungen. Zwei haben ja schon stattgefunden. Ich denke, dass da noch einiges dazu kommt.»
Motocross-WM-Kalender 2020 (Stand: 1.6.2020):
01.03.2020 - Großbritannien, Matterley Basin, EMX125, WMX
08.03.2020 - Niederlande, Valkenswaard, EMX250, WMX
02.08.2020 - Russland, Orlyonok, EMX250, EMXOpen
09.08.2020 - Lettland, Kegums, EMX250, EMXOpen
16.08.2020 - Schweden, Uddevalla, EMX125, EMX250
23.08.2020 - Finnland, Iitti-Kymi-Ring, EMX125, EMX250, EMX2T
06.09.2020 - Türkei, Afyonkarahisar, EMXOpen, WMX
13.09.2020 - China, Shanghai
20.09.2020 - noch nicht bestätigt
04.10.2020 - Italien, Arco/Pietramurata, EMX250, EMX2T
11.10.2020 - Spanien, Xanadú, EMX125, WMX
18.10.2020 - Portugal, Agueda, EMX125, EMX250
25.10.2020 - Belgien, Lommel, EMX125, EMX250
01.11.2020 - Indonesien, Jakarta
08.11.2020 - Indonesien, tba
22.11.2020 - Argentinien, Neuquen
29.11.2020 - noch nicht bestätigt
Noch ohne Termin:
Tschechien, Loket, EMX65, EMX85, EMX2T
Deutschland, Teutschenthal, EMX250, EMXOpen
Italien, Imola, EMX125, WMX
Gestrichen:
Frankreich, St Jean d'Angély, EMX125, EMXOpen
Italien, Maggiora, EMXOpen, WMX
Motocross der Nationen:
27.09.2020 - Frankreich, Ernée