MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Stuntrider Chris Pfeiffer krempelte das BMW-Image um

Von Ivo Schützbach
2005 brachte der damalige BMW-Rennchef Berthold Hauser Motorrad-Artist Chris Pfeiffer zum bayerischen Hersteller. Der ehemalige Manager lässt uns an seinen Erinnerungen teilhaben.

Noch immer sind wir fassungslos, dass Chris Pfeiffer aus dem Leben schied. Nach jahrelanger schwerer Depression konnte der Allgäuer nicht mehr.

«Als ich das letzte Mal Kontakt mit ihm hatte sagte mir seine Frau noch, dass es ihm wieder besser geht», erzählte der frühere BMW-Rennchef Berthold Hauser schwer erschüttert. «Er selbst sagte mir, dass es ihm wieder gut gehe und er wieder aus den Augen schauen könne. Also wollten wir uns treffen. Dann kam die Pandemie – und jetzt ist es zu spät. Man kann bei dieser schlimmen Krankheit nicht hinten reinschauen, selbst nächste Angehörige erkennen manchmal die wahre Dramatik nicht. Wir sind alle völlig fassungslos, das ist ein Drama. Jetzt fragt sich jeder, was er versäumt hat oder wie er Chris hätte helfen können, aber das ist alles Makulatur.»

Im Februar 2005 holte Hauser Stuntrider Chris Pfeiffer von Ducati zu BMW, gegen einigen hausinternen Widerstand. «Eines Tages kam mein sehr geschätzter und netter Kollege Gerhard Lindner zu mir und fragte mich, ob wir nicht mal den Pfeiffer einladen sollen», erinnerte sich der Bayer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Ich wusste wer er war, und hatte ihn auch auf der Ducati schon gesehen. Wir überlegten uns, was wir ihm bieten können. Das einzige Motorrad, das für seine Bedürfnisse taugte, war damals die F800, das kompakteste Fahrzeug, der Parallel-Twin. Wir machten dann einen Termin mit dem Pfiff aus und gingen aufs Messgelände.»

Hauser weiter: «Ich ging zum Einsatzleiter und sagte ihm, dass wir mit einem Stuntman ein Motorrad probieren müssen. Wir durften dann und gingen mit einer absolut serienmäßigen F800 auf die Kreisplatte. Der Einsatzleiter kam dann mit seinem Auto daher und hat sich am Rand hingestellt. Nach kurzer Einrollzeit fing Chris mit dem Serienbike das Rocken an.»

Und der Einsatzleiter das Zetern: «Ja spinnt denn der, wenn’s den schmeißt, dann ist alles hin.»

Hauser blieb cool und sagte: «Reg dich nicht auf, das ist sein Job.»

Einsatzleiter: «Was, das ist ein Job? Der hätte was Gscheites lernen sollen. Jetzt haut’s ihn gleich hin. Mein Gott, was der treibt. Da verreckt doch der Motor, der kriegt kein Öl.»

«Chris machte einen Stoppie nach dem anderen und kam senkrecht im Wheelie daher, dass das Nummernschild am Boden kratzte», schmunzelte Hauser. «Das war ein aufregender Nachmittag. Als das Spektakel vorbei war, zog der Einsatzleiter kopfschüttelnd ab. Chris sagte mir, dass er sich das mit BMW überlegen muss. Er meinte, dass er sich schwer tue mit der Vorstellung, zu so einer Altherren-Kompanie zu gehen. Ich sagte ihm, dass wir es schon probieren müssen, um das zu wissen. Wir hätten ihn gerne gehabt und haben ihm gut zugeredet. Und wir haben uns überlegt, was wir ihm bieten müssen. Er brauchte das Material, Motorräder, da und dort technische Unterstützung und natürlich auch Geld. Ich sagte damals, dass das eine gute Möglichkeit wäre, um die Marke verrückter zu machen, um jünger rüberzukommen. Im Marketing hat darauf keiner richtig reagiert, also haben wir ihn in der Motorsportabteilung untergebracht.»

«Wir haben den Vertrag geschrieben und Chris hat uns gesagt, was er an Motorrädern braucht. Das war alles nachvollziehbar. Er wollte eine andere Übersetzung haben, ganz kurz, mit einem riesen Kettenrad hinten. Fußrasten, Lenker und so weiter hat er mit seinem Mechaniker gemacht, wir haben uns um die Motorinnereien gekümmert. Wir mussten ihm ein veränderbares Standgas einbauen, mehr oder weniger ein Feststellgas. Unsere Motorenleute sind fast aus der Wäsche gesprungen und meinten, das ginge gar nicht. Das Ansprechverhalten des Motors, die Elektronik, mussten wir umprogrammieren. In irgendwelchen Ecken der Abteilungen habe ich dann ein paar Enthusiasten gefunden, die sich das vorstellen konnten. Wir haben eine Entwicklerelektronik genommen und die umgestrickt. Er wollte dann noch eine zweite Bremse für hinten, damit er mit der Handbremse auch hinten bremsen kann. Damit er auch beim Wheelie und im stehenden Fahren die Bremse sauber dosieren kann.»

«Die Hauptaufgabe war allerdings die Motorölversorgung», erinnerte sich der pensionierte Rennchef. «Der fuhr ja die ganze Zeit auf dem Hinterrad. Das Öl stand dauernd hinten unten im Kurbelgehäuse, also haben wir die Kiste bis zum Anschlag mit Öl aufgefüllt. So viel, dass das Öl gerade nicht über die Entlüftung ausgespien wurde. Wir haben auch die Ansaugung verlegt. Beim Wheelie fährt er unter Zug, da könnten Lagerschäden entstehen. Die Umbauten gingen zackig voran, Chris fing dann zuhause das Trainieren an. Er kam schnell in Fahrt und wir waren immer in Verbindung, was noch optimiert werden muss.»

«Im Sommer hatte er dann in Amerika eine Show, mit einem Motorrad, das kurz vor der Markteinführung war», grinste Hauser. «Das war damals der erste Wettbewerb der Stunt-Weltmeisterschaft. Den Zuschauern sind die Kinnladen runtergefallen, was der mit dem Karren angestellt hat. Jetzt wusste aber keiner, was das für ein Motorrad ist. Jeder meinte, das gibt’s ja gar nicht, dass das eine BMW ist. Chris hat das Motorrad damals im Fahrerlager vor seinen Camper gestellt und ein Schild hingehängt auf dem stand: ‚Yes, it’s a BMW. No, it’s not for sale‘ das war eine Riesengaudi und hat dem ganzen Interesse einen unheimlichen Schub gegeben. Den Wettbewerb hat er gewonnen, davon gibt es auch einen wahnsinnigen Videoclip. Daraus entstand dann eine wachsende Begeisterung und Chris machte über die Jahre immer mehr, wurde immer wilder und hat die Massen begeistert.»


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