Nach Rennkarriere: Sandro Cortese will zum Fernsehen
Sandro Cortese schlug sich als Superbike-Experte ordentlich
ServusTV betreibt in der Superbike-WM einen Aufwand, wie wir ihn von Eurosport nie gesehen haben. Alle Rennen werden live, in HD, kostenfrei und lediglich mit Splitscreen-Werbung übertragen. Dazu gibt es in den 30 Minuten vor und nach den Rennen ausführliche Hintergrundinformationen.
Seit dem Europa-Auftakt in Aragón schickt ServusTV ein eigenes Kamerateam zu den Rennen, das im Fahrerlager und der Startaufstellung auf Stimmen- und Bildfang geht.
Die ersten drei Events saß Alex Hofmann als Experte neben Kommentator Philipp Krummholz, in Assen durfte der ehemalige Moto3-Weltmeister Sandro Cortese ran, in Imola wird uns der fünffache GP-Sieger Gustl Auinger mit seinem Fachwissen verwöhnen. Ebenfalls in der Emilia-Romagna vor der Kamera: Andrea Schlager.
SPEEDWEEK.com setzte sich nach Assen mit Sandro Cortese (27) zum Interview zusammen, hauptberuflich ist er für das Team Dynavolt Intact GP in der Moto2-Weltmeisterschaft unterwegs.
Sandro, wie gut kennst du dich in der Superbike-WM aus?
Ich schaue jedes Rennen an, sei es Supersport oder Superbike – ich kenne das Reglement.
Du sitzt als Experte in der Kommentatoren-Box, aber wie sehr weißt du wirklich, was hinter den Kulissen los ist?
Ich war vor Assen noch nie auf einem Superbike-Rennen und habe mir die Rennen daheim angeschaut. Meine Meinung, die ich vertrete, ist einfach die Sicht eines Rennfahrers. Ob derjenige MotoGP, Moto3, Moto2, Supersport oder Superbike fährt, innerlich geht es einem immer gleich. Die Emotionen kurz vor dem Rennen, was denkt ein Fahrer, wann startet er ein Überholmanöver. Das sind Sachen, die ich kommentieren kann.
Man lernt ja auch sehr schnell Leute kennen. Aber klar, einen Superbike-Experten, der seit Jahren im Fahrerlager unterwegs ist, kann ich mich noch nicht nennen. Aber wie soll das gehen? In erster Linie bin ich ja Rennfahrer. Wenn ich als Superbike-Experte angestellt wäre, würde ich nichts anderes machen, als mich zu informieren. Das wäre ein ganz anderer Umfang und man bereitet sich ganz anders vor. Ich habe aber schon auch geschaut, welcher Name gehört zu welchem Bild, damit ich die Szenen im Kopf habe.
Ich glaube, wenn ein Superbike-Fahrer MotoGP kommentiert und sich da zwei Rennen einarbeitet, dann macht er dort auch einen super Job.
Bei einem Experten geht es ja nur darum, dass er vom Fach ist. Wenn einer Fußball kommentiert, muss er auch nicht explizit Bundesliga-Experte sein. Am Ende des Tages ist ein Motorrad ein Motorrad.
Meine Meinung ist in Situationen gefragt, wie zum Beispiel zwischen Rea und Davies in der Superpole. Dazu muss ich nicht Superbike-Experte sein.
Liest du ab und zu Superbike-Geschichten auf SPEEDWEEK.com?
Ja klar. Ich lese alles, auch Motocross, ich bin Motorradfan.
Bist du selber schon mal eine 1000er gefahren?
Ja, ein Standard-Superbike auf der Rennstrecke. Das ist schon sehr lange her, das war eine Yamaha R1. Ich fahre sehr wenig auf der Landstraße, auch zeitbedingt.
Hast du ServusTV-Kommentator Philipp Krummholz zuvor gekannt?
Nein, wir haben in der Woche vor Assen mal telefoniert, persönlich haben wir uns aber erst am Flughafen getroffen. Ein junger Kerl, sehr sympathisch.
Ich war ja schon oft für ein Interview kurz in der Kommentatoren-Kabine, wenn man eineinhalb Stunden sprechen muss, ist das aber was anderes. Das war eine coole Erfahrung. Schon als ich auf der Rennstrecke ankam merkte ich, dass da etwas fehlt, wenn man kein Motorrad hat.
Sprichst du im Fernsehen oder schwätzt du als Schwabe?
Ich habe versucht, so deutlich wie es ging zu sprechen. Klar habe ich mich selber dabei erwischt, dass ein «sch» durchkam. Aber ich habe schon Schlimmeres im Fernseher gehört, als ein bisschen schwäbisch von mir.
Wie taugt dir die Arbeit als Journalist grundsätzlich, wäre das ein Job für die Zeit nach der Rennkarriere?
Auf jeden Fall. Drum wollte ich die Option mal wahrnehmen, als mich ServusTV gefragt hat. Ich wollte sehen, was man bei dem Job alles machen muss mit Vorbesprechungen, da gehört richtig viel dazu. Man sieht ja nur die Stunde, in der man spricht. Am Ende des Tages ist man aber trotzdem kaputt, weil man dauernd hin und her läuft und Aussagen sammelt. Das ist körperlich eine ganz andere Arbeit, wie wenn man Motorrad fährt oder als Mechaniker arbeitet.
Wenn man on-air ist und nichts zu reden hat, dann ist das schlimm. Drum muss man sich vorbereiten, Informationen sammeln, Medienberichte lesen, warum ging das Bike kaputt, warum startet der von Platz 15, obwohl er sich mehr erwartet hat.
Ich habe in Assen bei null angefangen. Mein Glück ist, ich bin sehr offen und kann einfach drauflosreden, wo ein anderer vielleicht mehr braucht. Vielleicht ist mein Hochdeutsch nicht so gut, aber das kann man in Zukunft optimieren.
Hast du schon mal ein Sprachtraining gemacht? Etwa in der Formel 1 oder der Fußball-Bundesliga werden die Sportler entsprechend geschult.
Nein, noch nie. Ich könnte zum Beispiel eine Hochdeutsch-Schule machen, damit man das Schwäbische nicht mehr heraushört. Mein Italienisch ist dialektfrei, wie man es in Norditalien spricht. Rom und Neapel sind am Schlimmsten. Mein Englisch ist auch ohne Dialekt.
Es braucht auch Übung, dass man im richtigen Moment die richtigen Worte findet. Und dass man objektiv ist. Nur weil man einen kennt kann man nicht sagen, dass er ein gutes Rennen fuhr, obwohl es nicht so war. Da muss man kritisch sein. Oder loben. Das sind Dinge, die zum Journalismus dazugehören.
Ordnest du Berichte über dich jetzt anders ein, wo du auch die andere Seite kennengelernt hast?
Sicher. Als Rennfahrer fragt man sich ja, warum jemand einen Scheiß über einen schreibt. Als Journalist machst du dir den ganzen Tag Gedanken, du siehst und beobachtest jeden einzelnen Fahrer, sprichst mit ihnen und versuchst dann, den Leuten diese Informationen nahe zu bringen. Du stehst als Rennfahrer immer im Fokus. Selbst wenn du nicht im Bild bist, sehen die Journalisten auf den Zeitenmonitoren, weshalb du da hinten so langsam gefahren bist.
Steht schon fest, ob du weitere Rennen kommentieren wirst?
Ich muss aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Aber es hat Spaß gemacht, wenn sich etwas ergibt, bin ich dafür jederzeit offen.