Exklusiv: Wie Promoter Dorna Kawasaki bremsen will
Während der Sommerpause werden die Weichen für das zukünftige technische Reglement der Superbike-WM gestellt. 2017 fahren Kawasaki und Ducati in einer eigenen Liga, viele Fans wenden sich gelangweilt von den Rennen ab. Zukünftig soll es für alle Hersteller einfacher werden, vorne zu fahren. Championship-Direktor Gregorio Lavilla erklärte SPEEDWEEK.com im Exklusiv-Interview die Beweg- und Hintergründe für die Regeländerungen.
Greg, wann werdet ihr die Regeln für nächste Saison beschließen?
Sehr bald werden wir die Hersteller über unsere Ideen informieren. Wir haben bereits abgewogen, was möglich ist und was nicht. Die Änderungen werden nicht so dramatisch, wie viele meinen. Alleine schon aus Zeitgründen. Deshalb werden wir einige Sachen für 2018 beschließen und andere für 2019.
Für 2018 führen wir die Änderungen ein, die sich leicht umsetzen lassen und die keine Einflüsse auf große Projekte der Hersteller haben.
Die Einheits-Elektronik kommt also erst 2019?
So sieht es aus. Das hängt auch davon ab, welches elektronische Steuergerät wir als Basis nehmen werden. Es ist nicht so einfach.
Wenn ihr über «Superstock»-Regeln redet: Was schwebt dir vor?
Wir müssen genau berücksichtigen, in welche Richtung sich die Industrie bewegt.
Gut möglich, dass die Hersteller zukünftig spezielle Bikes bauen, die für die Rennstrecke ausgelegt sind.
Wenn wir jetzt über Stock reden, klingt das sehr drastisch. Ich habe aber keine Zweifel daran, dass wir in zwei oder drei Jahren Superstock-Maschinen haben werden, die wie die heutigen Superbikes sind – oder sogar besser.
Die Industrie und die Motorrädern entwickeln sich sehr schnell, die Rennstrecken kommen da nicht mehr hinterher. Wir werden einen Punkt erreichen, an dem sogar die Stock-Maschinen zu leistungsstark für die heutigen Rennstrecken sind. Natürlich könnte man die Rennstrecken umbauen, mit 300 Meter Auslaufzone. Aber dann brauchen die Fans ein Fernglas, um die Fahrer zu sehen. Dann schauen sie sich die Rennen vielleicht lieber am Fernseher an.
Wir hören den Herstellern deshalb genau zu, zu welchem Zweck sie was für Motorräder bauen wollen. Einige machen ihre Motorräder extremer als andere. Deshalb sehen wir heute Bikes, die das Limit ausreizen und andere, die auf Fahrbarkeit ausgerichtet sind. In einigen Jahren werden aber selbst die leichter fahrbaren Maschinen für die heutigen Gegebenheiten zu extrem sein. Für den öffentlichen Straßenverkehr sind die Superbikes schon heute zu kraftvoll und zu unkomfortabel.
Früher oder später werden diese Maschinen nur noch auf Rennstrecken eingesetzt für Track-Days, lokale und nationale Rennen.
Das Chassis und die Schwinge dürfen auch zukünftig modifiziert werden, die Motoren werden seriennaher?
Wir reden über alles.
Heute gibt es bei den Basismotorrädern große Unterschiede. Deshalb haben wir gewisse Änderungen am Chassis und Motor erlaubt, damit jeder etwaige Nachteile kompensieren kann.
Aus verschiedenen Gründen funktioniert das aber nicht. Man kann jetzt sagen, dass einige Hersteller im Rahmen der Regeln nicht genügend entwickeln. Oder dass es an der wirtschaftlichen Situation liegt.
Philosophisch betrachtet könnte man sagen, dass man am ehesten Gleichstand erreicht, wenn jeder tun darf was er will. Das ist aber nicht möglich. Erstens, weil wir eine direkte Verbindung zu dem Produkt haben wollen, das in den Läden verkauft wird. Zweitens, weil die Hersteller oder Teams finanziell gar nicht in der Lage dazu wären.
Also haben wir uns überlegt, was der Ausgangspunkt ist: Das ist die Serienmaschine. Dieser Ausgangspunkt wird vom Hersteller festgelegt, nicht von der Dorna oder der FIM.
Wir wollen eine unterhaltsame Show.
Zwischen diesen beiden Vorgaben müssen wir einen Kompromiss finden.
Wenn wir entscheiden, dass wir morgen nach Stock-Regeln fahren, dann wird ein Hersteller ein neues Motorrad homologieren lassen, das über alle Vorteile verfügt. Dann wird der Unterschied zwischen den Motorrädern noch größer.
Deshalb kam die Idee auf, die Motoren über die erlaubte Maximaldrehzahl auf gleichen Level zu bringen?
In diese Richtung denken wir, das wäre auch leicht einzuführen. Selbst ohne Einheits-Elektronik.
Wir müssen dabei aber berücksichtigen, dass es Teams gibt, die weniger Herstellerunterstützung oder schlechtere finanzielle Voraussetzungen haben. Oder eine schlechtere Elektronik oder nicht so gute Techniker. Mit freier Elektronik ist es deutlich komplizierter.
Für uns stellt sich die Frage, ob wir den Herstellern eine Plattform bieten, wo sie Elektronik für die Serie entwickeln können – und dann trotzdem aussteigen. Oder ob wir gute Unterhaltung bieten wollen mit direkter Verbindung zum Serienprodukt.
Bald kommen neue homologierte Maschinen. Wir müssen uns genau überlegen was passiert, wenn wir dies oder das vorschreiben. Wir wollen nicht schon beim ersten Modell-Update aufgeschmissen sein. Vielmehr müssen wir überlegen, wie wir etwaige Vorteile eines Einzelnen für die anderen kompensieren können.
Wie willst du dafür sorgen, dass MV Agusta, Honda oder Aprilia die Lücke zu Kawasaki und Ducati schließen?
Wir haben einige Ideen. Sie alle sind in der Lage, dieses Niveau zu erreichen. Wenn deine Basis aber schlechter als die des anderen ist, dann kommst du nie auf den gleichen Level. Wenn du einen Schritt nach vorne machst, machen die anderen zwei. Wir müssen also die einen einbremsen, die anderen nicht. Das ist das Konzept hinter den neuen Regeln. Ich sage aber nicht, dass wir den heiligen Gral gefunden haben.
Ob die Regeln funktionieren ist stark abhängig davon, was die Hersteller als Ausgangspunkt ihres Superbikes haben und in der Zukunft haben werden.
Alle Hersteller stimmen zu, dass wir seriennaher werden müssen. Danach verlangt der Markt, das ist näher an den nationalen Meisterschaften, das erhöht die Chance für Wildcards und macht die Teilnahme an der WM erschwinglicher.
Was Carmelo Ezpeleta gesagt hat, ist korrekt. Die Frage ist wann und wie wir es erreichen.