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Stefan Bradl (Honda): «Haben uns im Kreis gedreht»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl spricht über seine Genesung, er analysiert die völlig misslungene Superbike-WM-Saison mit Honda und die Schwächen der Fireblade.

Stefan Bradl (28) erholt sich langsam von seiner langwierigen Handgelenksverletzung, die er sich beim Superbike-WM-Lauf in Portimão zugezogen hat.

Das Red Bull-Honda-Team hat für die Saison 2018 neben Leon Camier jetzt auch den Amerikaner Jake Gagne engagiert.

Bradl hat das SBK-Angebot von Honda Motor Europe für die Saison abgelehnt.

Seit Wochen ist es kein Geheimnis mehr, dass HRC ein MotoGP-Testteam plant und Stefan Bradl 2018 die Rolle von Hiroshi Aoyama übernehmen soll, der mit 36 Jahren Manager des Idemitsu-Honda-Asia Team in der Moto3- und Moto2-WM wird.

Stefan Bradl will den Honda-Vertrag nicht bestätigen, aber er wirkt entspannt und sagt: «Ich hatte immer einen Plan B. Deshalb stand immer fest, dass ich nicht arbeitslos werde.»

Im Interview mit SPEEDWEEK.com erklärt Bradl, warum die erste Superbike-Saison zu einer herben Enttäuschung für alle Beteiligten wurde.

Nach den zehn Podestplätzen im Vorjahr durch Nicky Hayden und Michael van der Mark sollte es 2017 mit der neuen Fireblade möglichst weit nach vorne gehen. Aber das neue Superbike wurde zu spät geliefert und litt unter zu vielen Kinderkrankheiten.

Aprilia-MotoGP-Crew-Chief Marcus Eschenbacher sagte im Juni, Cosworth habe einen Motor mit zu aggressiver Leistungsentfaltung entwickelt und bildete sich ein, dieses Manko mit der Elektronik ausgleichen zu können. Ein Irrtum.

Dazu kam: Der erste Cosworth-Elektroniker tauchte erst am 31. Mai beim Misano-Test in der Honda-Box auf. Die Briten bildeten sich offenbar ein, das Triebwerk auf dem Prüfstand konkurrenzfähig machen zu können.

Übrigens: Kawasaki, Ducati, Yamaha und MV Agusta vertrauten schon 2017 auf Magneti-Marelli-Elektronik. Honda steigt erst für 2018 um.

Was schwer zu verstehen ist: In Japan setzt Honda bei der CBR 1000RR SP2 Fireblade längst eine Magneti-Marelli-ECU ein. Damit war Honda beim 8h-WM-Lauf in Suzuka konkurrenzfähig, Takumi Takahashi gewann damit 2017 gegen Yamaha-Star Nakasuga die prestigereiche Japanische Superbike-Meisterschaft.

Stefan, der Draht aus dem rechten Handgelenk wurde am 16. November entfernt. Macht die Beweglichkeit gute Fortschritte?

Sehr gute Fortschritte, ja. Die Beweglichkeit liegt bereits bei ca. 85 Prozent. In dieser Woche am Donnerstag werden seit der zweiten Operation vier Wochen vergangen sein.

Die Belastung darf ich jetzt Schritt für Schritt steigern. Ziehbewegungen darf ich schon ausreichend machen; das Ziehen funktioniert schon sehr gut. In dieser Woche darf ich mit Druckbewegungen anfangen.

Dann darf ich mich auch abstützen und kann zum Beispiel simulieren, dass ich auf dem Motorrad sitze und eine Bremsbewegung mache.

Weil ich mit Druckbewegungen so lange warten musste, dauert der Heilungsprozess so lange.

Vielleicht kann ich in dieser Woche schon mal eine Probefahrt mit meiner Motocross-Honda machen.

Dann möchte ich vor den ersten Testfahrten 2018 unbedingt Offroad-Fahren. Ich bin ja seit bald drei Monaten nicht mehr auf einer Rennmaschine gesessen.

Das Red Bull-Honda-Team ging sehr euphorisch in die Saison. Die neue Honda sollte 18 kg leichter und 20 PS stärker sein. Honda wollte damit erstmals seit 2007 Superbike-Weltmeister werden. Aber als Nicky Hayden starb, war kein Honda-Fahrer in den Top-Ten.

Die Probleme gingen schon los, weil das neue Motorrad verspätet fertig geworden ist. Wir konnten vor dem ersten WM-Lauf nur ein Roll-out in Portimão Ende Januar und dann den Zwei-Tage-Test in Phillip Island absolvieren.

Wir haben gleich festgestellt, dass das Motorradl sehr schwierig zu fahren ist und dass die Abstimmung und die Feinheiten überhaupt nicht zusammenpassen.

Kurz nach dem Portugal-Test sind die Motorräder bereits nach Australien verfrachtet worden. Das Team hatte wenig Zeit für die Vorbereitung. Wegen des Reglements mussten wir aber mit den neuen Motor-Spezifikationen fahren.

In Australien hat sich dann rausgestellt, dass wir nicht optimal vorbereit waren. Dieses Dilemma hat sich dann durch die ganze Saison gezogen, weil wir in Zusammenarbeit mit Cosworth bei der Elektronik keinen Schritt vorwärtsgekommen sind.

Beim zweiten Event in Thailand war eine Besserung zu erkennen?

Ich bin im ersten Lauf Achter geworden, Nicky Siebter, glaube ich. Im zweiten Rennen bin ich gestürzt.

Aber Buriram war vom Streckenverlauf her recht einfach.

In Aragón war die Situation auch noch nicht so schlecht. Alle waren enorm motiviert, alle glaubten, es wird besser und besser.

Aber als wir nach Assen und Imola gekommen sind, ist der Frust mehr und mehr geworden, weil wir festgestellt haben, dass wir als Fahrer in jedem Training und über den ganzen Rennverlauf mehr als 100 Prozent geben müssen. Und das ist nicht immer möglich, weil du dann in Sturzgefahr bist und die konstante Leistung nicht von A bis Z so locker abrufen kannst. Dadurch passieren Fehler.

Nicky Hayden machte aus seiner Enttäuschung zu diesem Zeitpunkt auch nie ein Geheimnis. Er sagte, er seit 35 und habe keine Lust, ein Jahr mit der Motorradentwicklung zu verlieren.

Ja, Nicky war in Imola sehr frustriert. Er sagte klar: Es muss sich etwas verändern, das Motorrad ist zu schwierig zu fahren.

Nicky und ich sind in Imola eng zusammengehockt. Damals ist die Diskussion losgegangen, was sich in nächster Zukunft beim Team verändert. Er sagte, so kann es nicht weitergehen.

Aber es ist dann alles anders gekommen.

Dann ist sein fürchterlicher Unfall passiert. Das war nachher extrem schwierig. Wir haben sozusagen den Teamleader verloren. Er hat Erfahrung gehabt mit dem Team und mit dem Motorradl. Nicky hatte sich die Saison 2017 nach dem fünften WM-Rang von 2016 ganz anders vorgestellt.

Er hat 2016 auch gesehen: Er kann ums Podium mitfahren. Er hat 2016 sogar ein Rennen gewonnen.

Aber die ersten Rennen in diesem Jahr waren für seine Motivation auch mühsam. Er hat sich selber gefragt: Was mach' ich da? Soll ich das weitermachen? Und für was?

Er hat sich brutal reingehängt, aber es ist nichts zurückgekommen.

Man hat schon am Anfang der Saison gesehen: Die Fahrer verlieren in den letzten Rennrunden bis 3 Sekunden pro Runde, dazu kamen Motorschäden und lahmgelegte Dashboards in den Rennen – bei Nicky in Imola und bei dir in Misano.

Ja, und erst Ende Mai beim ersten Test nach Nicky Unfall habe ich erstmals einen Cosworth-Techniker bei uns in der Box gesehen. Er hat aber auch keine Veränderungen bewirken können.

Wir haben uns komplett im Kreis gedreht, was das Motorrad betroffen hat. Speziell die Elektronik war das Problem; die Kraftentfaltung. Der Motor hatte zu viel Drehmoment im unteren Bereich, und so weiter.

Das haben wir nie in den Griff bekommen, besonders wenn die Streckenverhältnisse schwierig waren, wenn wenig Grip war.
Bei solchen Bedingungen sind die Gegner mit abgefahrenen Reifen Kreise um uns gefahren.

Der Abstand in den einzelnen Rennen lag teilweise über einer halben Minute. Das war in Assen der Fall, das war in Imola der Fall.
Deshalb hat der Nicky gesagt: Es muss sich etwas verändern.
Aber solange ich dabei war, also bis Ende September, hat sich nichts verändert.

Hat Cosworth einen zu giftigen Motor gebaut und zu sehr auf Spitzenleistung geschaut?

Ich kenne die Details nicht. Ich habe nur immer gespürt, dass keine Veränderung, die wir vorgenommen haben, eine spürbare Auswirkung gebracht hat.

Ob die Probleme vom Cosworth-Tuning gekommen sind oder von der Elektronik, das weiß ich nicht.

Für mich hat sich vom ersten Rennen im Februar in Australien bis September in Portugal wenig verändert.

Es sind einige Stürze auf die mangelhafte Fahrbarkeit des Motors zurückzuführen. Und dann habe ich mich in Portimão noch verletzt.

In Misano hast du ein katastrophales Wochenende erlebt, weil die neue Elektronik-Strategie ein absoluter Reinfall war.

Das Team hat sich angestrengt, um das Problem in den Griff zu kriegen. Da will ich niemandem einen Vorwurf machen. Aber es hat das Werkzeug und vermutlich das Know-how gefehlt. Denn wir sind wirklich nicht vorwärtsgekommen.

Unsere Techniker sind nächtelang dran gesessen, die Köpfe haben geraucht, das habe ich gesehen, sie haben sich bemüht, aber es hat am Grundkonzept gefehlt. Und es haben die passenden Rezepte gefehlt.

Deshalb haben wir uns im Kreis gedreht.

Für den Fahrer ist das eine schwierige Situation. Denn irgendwann verlierst du den Glauben und das Selbstvertrauen, wenn du teilweise grundlos auf der Schnauze liegst und keine Fortschritte erlebst.

Ich bin permanent vertröstet worden. Alle haben dauernd gesagt: «Das nächste Mal wird es besser.»

Aber es ist nichts passiert. Also verlierst du irgendwann den Glauben daran.

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