Stefan Bradl (Honda): «Wir können es alle besser»
Stefan Bradl
Das Red Bull Honda-Team wirkte in der Saison 2017 über weite Strecken orientierungslos. Und offenbar fehlte in diesem Rennstall ein Stratege, der die Richtung vor und den Fahrern Zuversicht gab. Stattdessen wurde mit Stefan Bradl der beste Fahrer im Team dauernd schlechtgemacht.
Deshalb schaute sich der Bayer spätestens ab September konkret nach anderen Möglichkeiten für die Saison 2018 um.
Am Ende und nach der Saison 2017 wurden im Honda-Superbike-Team zahlreiche personelle Änderungen vorgenommen. Wie zielführend diese sind, wird sich 2018 zeigen.
Nach der Saison 2018 läuft auch der Zwei-Jahres-Vertrag von Hauptsponsor Red Bull aus.
So mancher Beobachter wunderte sich über die Machtbefugnisse im Honda-SBK-Team. Honda Motor Europe, Teampartner Ten Kate, Cosworth, in Japan die Honda Racing Division, Honda R&D sowie HRC diskutierten über Verantwortlichkeiten. Japan bezahlt einen erheblichen Teil des Jahresbudgets, die meisten Entscheidungen dauerten zu lange, es fehlte an Zuständigkeiten.
Man erinnerte sich unweigerlich an das Sprichwort: «Zu viel Köche verderben den Brei.»
Wer mit den Verantwortlichen von Honda sprach, dem wurde rasch bewusst: Die Superbike-WM hat für die Japaner einen sehr geringen Stellenwert, sie rangiert hinter dem Suzuka Eight Hours und hinter der All Japan Superbike-Meisterschaft, hinter der Dakar-Rallye, natürlich hinter MotoGP und sogar hinter der Moto3-WM.
Seit zehn Jahren zeigt sich, dass Honda in der aktuellen Konstellation in der Superbike-WM gegen Kawasaki und Ducati nie auf die Siegerstraße zurückkehren kann. Yamaha ist überlegen, sogar MV Agusta, Aprilia und BMW hatten dieses Jahr das bessere Konzept.
Stefan, jetzt ändert sich bei Red Bull Honda einiges. Kervin Bos soll als Teammanager fungieren, der Operations Manager von Honda Motor Europe, Marco Chini, soll neue Aufgaben übernehmen. Was darf man von Honda in der Superbike-WM 2018 erwarten?
Sie haben mit Leon Camier auf jeden Fall einen starken Fahrer. Das ist einmal klar.
Es ist verständlich, dass er noch einmal sehr motiviert ist und an das Projekt glaubt. Das ist klar. Beim ersten Test war er ja recht flott unterwegs.
Ich wünsche dem Team, dass es vorwärts geht. Es ist auch im Sinne von Red Bull und Honda, dass dieses Projekt einmal Fahrt aufnimmt.
Ich habe einige Fragen gestellt. Denn es war in meinem Sinn, weiterzumachen. Es bestand immer ein Zwei-Jahres-Plan.
Und ich habe gewusst, dass es alle Beteiligten besser können, von den Sponsoren über den Hersteller inklusive Fahrer.
Ich kann mehr, als ich 2017 gezeigt habe.
Aber die Fragen, die dann für mich wichtig waren, da ging es um meine Techniker-Crew, um die ersten Testfahrten mit Marelli und so weiter, die sind mir nicht beantwortet worden. Ich habe keine belastbaren Antworten gekriegt, auf denen ich aufbauen konnte.
Dadurch ist mein Interesse ein bisschen eingeschlafen.
Aber du hast von Honda Motor Europe im November endlich ein Angebot für 2018 gekriegt?
Ja, es war den ganzen Sommer über, drei oder vier Monate lang, Zeit, um an Vertragsverhandlungen für die nächste Saison zu arbeiten. Da ist nichts passiert.
Anfang November haben sie mir dann eine ziemlich krasse Deadline gesetzt, ich hätte mich quasi über Nacht entscheiden müssen. Ich habe dann telefoniert und noch einmal gefragt: Jungs, wie schaut die Teamkonstellation aus? Wie schaut es mit der Technikercrew aus? Wer wird für was verantwortlich sein?
Ich habe darauf keine Antworten gekriegt. Es hat nur geheißen: Wir sind am Organisieren und engagieren neue Leute.
Das war’s.
Es war bereits Anfang November.
Daraufhin hat man mir gesagt: «Entscheide dich jetzt, sonst können wir nicht garantieren, ob es noch weitergeht für dich.»
Das Team hat dir vorgeworfen, dass du MotoGP-Angebote prüfst. Aber du hattest für 2018 keinen Vertrag, Honda Motor Europe hielt dich monatelang hin. Haben sie erwartet, dass du bis Weihnachten stillhältst?
Grundsätzlich wurde mir jedes Detail vorgeworfen. Es hieß sogar, ich hätte das Team über meinen Gesundheitszustand nach dem Sturz in Portugal nicht ausreichend informiert. Das ist nachweislich falsch. Ich habe dauernd alle Informationen weitergegeben. Aber ich war bei ungefähr fünf Ärzten, bis ich wusste, ob eine Handgelenks-Operation nötig ist oder nicht.
Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung schon sehr angespannt. Es war dann nimmer möglich, vernünftige Vertragsverhandlungen zu führen.
Wenn jemand im Ungewissen gelassen wurde, dann war ich es…
Ich habe mich irritiert gefühlt, als Anfang November plötzlich das Angebot kam und mir praktisch keine Zeit zum Überlegen eingeräumt wurde. Unter dem Motto: «Entweder jetzt sofort oder lass’ es bleiben.»
Man bekam den Eindruck, das Team wollte dich loswerden?
Das Gefühl hatte ich auch.
Das ist schon nach dem Lausitzring im August losgegangen.