Melandri hinterfragt die Kompetenz der FIM-Stewards
Marco Melandri fühlt sich verschaukelt
«Ich habe beschissen geschlafen», erzählte mir Marco Melandri am Montag, als ich ihn kurz vor der Abreise aus Spanien traf. «Wenn die FIM mein Leben zerstören möchte, dann müssen sie es nur sagen. Ich kann in Misano auch am Strand liegen – ich fahre zum Spaß!»
Grund für die Verbitterung des 36-Jährigen ist die Entscheidung des FIM WorldSBK Stewards Panel, ihn als Verursacher des Sturzes von Chaz Davies (Ducati) im zweiten Hauptrennen in Jerez für das nächste Sprintrennen in Misano in der Startaufstellung um sechs Plätze zurückzuversetzen.
«Für mich war das ein normaler Rennunfall», argumentierte Melandri. «Davies’ Motorrad war auf der Geraden 15 km/h schneller und er bremst brutal spät. Ich hatte keine andere Chance, als es an dieser Stelle zu versuchen. Das ist eine Rechtskurve, ich konnte ihn nicht sehen, weil ich innen war und nach rechts schaute. Ich dachte, dass er mich kommen sieht.»
Die FIM-Offiziellen führten verschiedene Argumente gegen Melandri an. Zum einen, dass man an dieser Stelle nicht überholen kann.
So sieht das auch Davies: «Ich habe noch nie gesehen, dass dort jemand überholt hat – weder auf einem GP- noch auf einem Superbike, das tut einfach keiner. Es war lächerlich, das zu versuchen.»
Außerdem sind die Stewards der Meinung, dass Melandris Manöver nur dann hätte gutgehen können, hätte Davies sein Motorrad aufgestellt und wäre dem Italiener aus dem Weg gegangen. Fährt der Waliser seine normale Linie weiter und trifft innen den Scheitelpunkt, dann ist die Kollision programmiert.
Melandri stellt die Kompetenz der FIM-Stewards grundsätzlich in Frage: «Wer von ihnen saß jemals auf einem Rennmotorrad und hat Ahnung von Racing? Keiner! Du musst dir nur ihre Lebensläufe ansehen.»
Die heftig kritisierten Gerry Bryce, Tamara Matko und Kendy Chan fuhren tatsächlich nie auf hohem Level Rennen, wenn überhaupt. Sie verfügen aber allesamt über viel Erfahrung im Rennsport und hatten die Möglichkeit, sich den Vorfall aus allen erdenklichen Kameraperspektiven zigmal anzusehen.
Mit Gregorio Lavilla sitzt außerdem ein langjähriger WM-Pilot in der Rennleitung. Der Spanier gehört zwar nicht zum Stewards Panel, ihn hat aber sicher niemand daran gehindert, den Kollegen seine Meinung kund zu tun.
«Ich wollte den Stewards meine Daten offenlegen, um zu zeigen, dass ich nichts falsch gemacht habe», so Melandri gegenüber SPEEDWEEK.com. «Ich war genau gleich schnell wie in der Runde davor, das Gas war genau gleich geöffnet bei 53 Prozent, auch die Schräglage war identisch. Das hat sie gar nicht interessiert. Es ist lächerlich. Sie sagten mir, ich wäre auf einer unmöglichen Linie gewesen und das konnte nicht funktionieren. Wollen sie eine weiße Linie ziehen, auf der wir um die Strecke fahren sollen? Da war eine ein Meter breite Lücke und ich habe es versucht. Okay, meine Linie war etwas anders, aber als mich Davies traf, lag ich eine halbe Motorradlänge vor ihm. Ich kann nicht glauben, was sie entschieden haben. Sie meinten, ich wäre gefährlich gefahren. Sie entscheiden einfach so, ob du schuldig bist oder nicht. Als würde ein Flugzeug abstürzen und anschließend interessiert es keinen, welche Daten in der Blackbox sind. Ich kann das nicht akzeptieren.»
Trotzdem verzichtete das Giansanti Racing Team auf sein Widerspruchsrecht. Innerhalb 30 Minuten nach Mitteilung der Strafe und unter Hinterlegung von 1320 Euro hätten sie gegen die Entscheidung Einspruch einlegen können. Dann wäre der Fall an die FIM Appeal Stewards und in letzter Instanz an das Sportgericht CAS in Lausanne weitergereicht worden.
Ein langwieriges Unterfangen mit wenig Aussicht auf Erfolg.
Der Fall Melandri/Davies löste am vergangenen Wochenende bereits die zweite Kontroverse aus. Für die erste hatte Weltmeister Jonathan Rea im Rennen am Samstag gesorgt, als er in der letzten Kurve Alex Lowes von seiner Yamaha fegte.