Redding & Fogarty: Die zwei haben noch was zu sagen
Haben die heutigen Sportstars bis auf Ausnahmen nichts mehr zu sagen, haben sie von den Herstellern und Sponsoren einen Maulkorb verpasst bekommen oder sind viele von ihnen einfach langweilig?
Fragen, mit denen sich auch die beiden Engländer Scott Redding und Carl Fogarty beschäftigen. Der Erste wurde in seinem ersten Jahr in der Superbike-WM auf Anhieb Vizeweltmeister und gewann fünf Rennen. Der Zweite hat in seiner Karriere vier Superbike-WM-Titel und 59 Läufe gewonnen.
Was sie beide eint: Politische Korrektheit ist ihnen fremd, sie sind geradeheraus und sagen immer ihre Meinung. Anecken ist ihr tägliches Brot, gleichzeitig tut das ihrem freundlichen Wesen keinen Abbruch.
«Als ich Rennen fuhr, trafen große Charaktere aufeinander», erinnerte sich Carl Fogarty an seine besten Zeiten in den 1990er-Jahren. «Kocinski, Edwards, alle hatten eine große Klappe, keiner mochte den anderen, das ist interessant. Im Moment ist jeder der beste Freund des anderen, sie gehen zusammen zum Rennradfahren und Bergsteigen. In meiner Zeit gab es einen Engländer – mich. Und es gab einen großartigen Amerikaner – Edwards. Wir beide hatten eine große Klappe, das begeisterte die Fans. Wir haben uns wie im Boxsport erst einen verbalen Schlagabtausch geliefert, danach haben wir uns auf der Rennstrecke bekämpft. Das fehlt, heute ist jeder politisch korrekt. Auch in der MotoGP-WM ging es früher anders zu. Es gab Schwantz, Rainey, Doohan, Gardner – das waren ungezogene, garstige Typen, die sich nicht riechen konnten. Heute ist das anders, seit Rossi ist jeder nett.»
Fogarty hält auch nichts davon, dass die Superbike-WM in den letzten Jahren von Briten dominiert wird. «Die Fans in England wollen den Star aus den USA oder Australien sehen», glaubt der 55-Jährige. «Und sie wollen, dass der Brite ihn schlägt. So entsteht Rivalität. Die Zuschauer lieben es, wenn sich die Fahrer gegenseitig aufhetzen. Aber heute ist es ja nicht mehr erlaubt ein Charakterkopf zu sein, wegen der ganzen Medien und Sponsoren. Die schreiben dir vor, was du zu sagen hast und du musst immer schön danke sagen. Wenn ich früher ein Rennen wegen des Hinterreifens verloren habe, dann sagte ich, dass der Michelin-Reifen Mist war. Heute geht das nicht mehr, viel hat sich geändert. Zum Besseren? Da bin ich mir nicht sicher.»
Scott Redding wurde 2013 Vizeweltmeister in der Moto2-Kategorie, da war er 20 Jahre jung. Anschließend stieg er in die MotoGP-Klasse auf, um die Klappe aufzureißen, fehlten ihm die guten Ergebnisse. Seinen wahren Charakter konnte er erst 2019 zeigen, als der heutige Ducati-Werksfahrer in beeindruckender Manier die Britische Superbike-Meisterschaft gewann. Für 2020 wurde Redding dann vom Hersteller aus Borgo Panigale in die Weltmeisterschaft transferiert und mit fünf Siegen sowie 14 Podestplätzen hinter Jonathan Rea (Kawasaki) die Nummer 2.
«Als ich mit 15 ins MotoGP-Fahrerlager kam, fuhren wir bis Mitternacht mit den Rollern herum, machten Blödsinn und feierten Party», erinnerte sich Redding im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Die Leute durften das aber nicht wissen, weil es dann heißt, dass du nicht professionell bist. Scheiß drauf, ich bin professionell und schufte hinter verschlossenen Türen. In MotoGP schreiben sie dir alles vor: Welche Hose du mit welchem Hemd tragen musst, sie tragen die Nase wirklich hoch. Aber ich scheiß da drauf, ich ziehe an, wonach mir ist. Ich trage mein Teamhemd – wenn ich aber meine Schuhe anziehen will, dann mache ich das. Ich muss in ihnen laufen. Aus den genannten Gründen gibt es kaum noch Charakterköpfe.»
«Wenn ich in der BSB Rennen gewann war das, als würde man einen Hund von der Leine lassen», so Redding. «Ich konnte ich selbst sein und mit den Fans Spaß haben. Ich konnte in meinem Wohnmobil feiern und Fahrer von anderen Teams einladen. Ich fahre Rennen, um zu genießen. Diese Attitüde möchte ich in die Superbike-WM bringen. Ich will zeigen, wie Rennsport in meinen Augen sein sollte. Aus diesen Gründen sind viele Motorradfans keine großen Anhänger der Formel 1. Sie wollen den wilden Charakter von Motorradrennfahrern sehen, unglücklicherweise nähern wir uns der F1 aber immer mehr an.»