MotoGP: Bittere Pille für Stefan Bradl

Trotz Lebensgefahr: Toprak verzichtet auf Vorwürfe

Von Ivo Schützbach
Toprak Razgatlioglu (li.) mit BMW-Sportdirektor Marc Bongers

Toprak Razgatlioglu (li.) mit BMW-Sportdirektor Marc Bongers

Der Sturz von Toprak Razgatlioglu bei der Superbike-WM in Magny-Cours war ein Weckruf und entfachte Diskussionen um die Sicherheit. «Ohne Airbag wäre ich vielleicht nicht mehr hier», sagt das Aushängeschild von BMW.

Superbike-WM-Leader Toprak Razgatlioglu zog sich bei seinem Unfall in Frankreich einen Pneumothorax zu. Davon spricht man, wenn sich Luft im Pleuraspalt zwischen Lunge und Brustkorb gesammelt hat. Gegen so eine Verletzung gibt es keine Therapie, die Luft muss von allein entweichen.

Der Seriensieger, der am kommenden Wochenende in Aragon sein Comeback gibt, bekam strikte Ruhe verordnet. «Jede Aktivität hätte das Risiko erhöht», erklärte BMW-Sportdirektor Marc Bongers am Donnerstag. «Als sich Toprak besser fühlte, begann er wieder mit dem Training. Dann sahen wir aber, dass es bei seiner Lungenverletzung keine sehr guten Fortschritte gab. Also hörte er mit dem Training auf, um sicherzustellen, dass er so schnell wie möglich zurückkehren kann.»

«Die Ärzte konnten mir nicht sagen, ob es in zwei Tagen oder in vier Wochen wieder gut sein würde», ergänzte Toprak. «Wir mussten immer auf die neuesten Aufnahmen warten. Ich fühlte mich gut, das war auch letzte Woche vor Cremona schon so. Ich konnte leicht atmen und fühlte mich normal. Dann war auf den Aufnahmen aber eine kleine Luftblase zu erkennen und der Arzt sagte mir, damit zu fahren wäre riskant. Dagegen konnten wir nichts sagen und haben dieses Wochenende abgewartet. Auf dem Scan am Dienstag sah dann alles gut aus und der Doktor sagte mir, dass ich ready to race bin. Wäre ich nicht hier, würde es so aussehen, als hätten wir die Meisterschaft verloren. Jetzt bin ich wieder da und kann kämpfen.»

Razgatlioglu hat sich seinen Unfall in Magny-Cours zigmal im Video angeschaut. «Ich hatte sehr viel Glück», hielt er fest. In seiner ersten fliegenden Runde im FP2 lag er am Freitag, 6. September, unfassbare 0,5 sec vorne, als ihm in der schnellen Linkskurve 13 das Vorderrad wegrutschte. Während sein Bike in Fahrtrichtung nach links wegrutschte, ging es für den 27-Jährigen geradeaus. Weil die folgende Rechtskurve mehr als 90 Grad abbiegt, ist dort eine Mauer errichtet, um zu verhindern, dass trudelnde Bikes von Gestürzten in andere Fahrer krachen. Von dieser Mauer erwischte Razgatlioglu das Ende zum Kurvenscheitel hin, dort sind lediglich Autoreifen als Schutz angebracht. Toprak krachte mit dem Rücken in den Reifenstapel.

«Hätte ich mein Motorrad eine Sekunde länger halten können, hätte ich die Mauer vielleicht nicht getroffen», überlegte der 54-fache Laufsieger. «Ich trudelte auf die Mauer zu und bereitete mich auf den Aufprall vor. Der Airbag von Dainese hat unfassbar gut funktioniert – ich bin wieder an der Rennstrecke. Ich hatte vorher viele andere Lederkombi, ohne Airbag zu fahren ist aus heutiger Sicht unglaublich riskant. Ohne wäre ich vielleicht nicht mehr hier.»

Toprak wurde über zwei Wochen jeweils halbtäglich im Red Bull Athlete Performance Center in Thalgau bei Salzburg behandelt und untersucht. «Es ging nicht nur um die Lunge, seine Muskeln erlitten bei dem Aufprall einen harten Schlag», verdeutlichte Bongers. «Dafür bekam er Physiotherapie; bei der Lunge half nur abwarten.»

Der Unfall des mit Abstand besten Fahrers dieser Saison führte allen vor Augen, wie schnell etwas passieren kann und wie wichtig Verbesserungen der Sicherheit auch weiterhin sind. «Die Safety-Commission der FIM hat sich dieses speziellen Falls angenommen», unterstrich Bongers. «Auch wir haben unsere Fragen gestellt. Es ist im Interesse der Meisterschaft, dass die Sicherheit verbessert wird. Man kann nur aus dem lernen, was in der Vergangenheit passiert ist.»

Razgatlioglu verzichtet bezüglich der fast ungesicherten Unfallstelle auf Schuldzuweisungen. «Jeder weiß, dass das ein sehr riskanter Sport ist», betonte er. «Okay, dort waren keine Airfences angebracht. Aber nach dem Sturz wissen wir es besser. Jeder hat das begriffen, für nächstes Jahr werden an der betreffenden Stelle Änderungen vorgenommen. Ich habe niemandem einen Vorwurf gemacht und gefragt, weshalb dort keine Airfences waren. Der Sport ist eben riskant. Ich weiß das und habe Frankreich bereits vergessen.»

Der Zweiradkünstler erfuhr während seiner Abstinenz riesigen Zuspruch. «Alleine per Whatsapp bekam ich 500 Meldungen», schmunzelte Toprak. «Wie viele es auf Instagram waren, kann ich gar nicht sagen. Ich habe auf Insta auch nichts geteilt, erst letzte Woche wieder. Sobald ich wieder Rennen fahre, werde ich auch Insta wieder nutzen. Nach den Rennen hier muss ich mir die Meldungen mal anschauen.»


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