Henry Schwaten hängt den Schraubenzieher an den Nagel
Henry Schwaten hängt den Schraubenzieher zukünftig an den Nagel
Der heute 64-jährige gebürtige Sachse Henry Schwaten wohnt im beschaulichen Helpsen, gelegen zwischen Bückeburg und Stadthagen im Schaumburger Land. Er war mit einigen Teams in der Seitenwagen-Weltmeisterschaft und der Internationalen Deutschen Meisterschaft als Mechaniker erfolgreich unterwegs.
Zu Beginn seiner «Schrauber»-Karriere im Jahr 2010 arbeitete Schwaten für die Australier Adam Treasure und Darren Dewhurst, die Platz 6 in der WM einfuhren. Mit den Briten Scott Lawrie und James Neave kam 2014 Platz 4 hinzu und mit dem gemischten finnischen Duo Pekka Päivärinta und Kirsi Kainulainen konnte Schwaten mit dem Team 2015 Platz 3 in der Sidecar-WM feiern.
Aber es kam noch besser. Schwaten: «Ein Jahr später, 2016, gewannen Pekka und Kirsi die Weltmeisterschaft und wir alle im Team fühlten uns damit am Titel beteiligt. Wenn ich daran zurück denke, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut.» Es folgten die beiden Jahre danach noch zwei Vize-WM-Titel, wobei Päivärinta 2018 mit Jussi Väriväinen einen neuen Beifahrer im Boot hatte.
2019 musste Henry Schwaten, der von seinen Kumpels in der privaten Motorradszene «alter Schoschone» genannt wird, aus gesundheitlichen Gründen pausieren. Die beiden darauf folgenden Jahre ließ er seinen Platz im Team 44 Racing auf Grund der Corona-Pandemie ruhen.
Erst Mitte 2022 konnte er den Schraubenzieher wieder auspacken. Päivärinta hatte sich bei der Arbeit in Finnland böse an der Schulter verletzt und war mit seiner niederländischen Beifahrerin Ilse de Haas erst bei den beiden Rennen in Schleiz wieder am Start. Und damit auch wieder Henry Schwaten als Mechaniker.
Obwohl Pekka und Ilse zu Beginn der Saison vier Rennen auslassen mussten, wurden sie am Ende Dritte hinter Sepp Sattler/Luca Schmidt (D) und Tim Reeves/Kevin Rousseau (GB/F). In der WM wurden sie Zwölfte.
Jetzt ist für Henry Schwaten Schluss mit der Schrauberei. Er hängt den Schraubenzieher sozusagen an den Nagel. SPEEDWEEK.com sprach mit «Henry Mechaniker», wie sein Profilname auf Facebook lautet.
Henry, du hast aufgehört mit deiner normalen Arbeit und bist jetzt Rentner. Warum machst du dann Schluss mit der Schrauberei bei den Sidecars, du hast doch jetzt genug Zeit?
Weißt du, ich höre jetzt auf, weil ich 64 Jahre alt bin und merke, dass die Konzentration nachlässt. Das ist nicht gut in diesem Sport. Es können sich Fehler einschleichen, die böse Folgen haben könnten. Das Risiko wäre zu groß.
Welche Aufgaben hattest du denn in den Teams?
Die Einteilung ist in jedem Team anders. Bei Pekka waren wir nur drei Leute, andere Teams haben da zum Teil durchaus mehr. Pekka ist nicht nur Fahrer, sondern auch absoluter Teamchef. Der ist nicht nur total ehrgeizig, sondern auch sehr, sehr pingelig. Während Pekka und Ilse für die Kontrolle des Chassis und die verschiedenen technischen Einstellungen am Fahrzeug verantwortlich waren, war ich nach jedem Trainingslauf und den Rennen für die Verkleidung und Reifen und Felgen zuständig. Das bedeutete, ich musste die Teile genauestens auf mögliche Schäden oder Abnutzungen überprüfen. Bevor es mit Training oder Rennen losging, mussten die Ersatzräder, das nötige Werkzeug und die Boxentafel an die Boxenmauer transportiert werden.
Und der berühmte Schraubenzieher durfte dabei wohl auf keinen Fall fehlen?
Natürlich nicht, denn ohne Schraubenzieher ist man kein Mechaniker bei den Sidecars. Damit öffnet man die Schnellverschlüsse an der Verkleidung, damit sie anschließend abgenommen werden kann.
Wie war denn so der zeitliche Aufwand für ein Rennwochenende?
Na ja, erst einmal musste man die Rennstrecke erreichen. In der WM waren das zum Teil arg lange Strecken. Bis donnerstagsabends musste man dort sein und das Basislager aufbauen und Sonntagabend oder Montag in der Früh ging es wieder zurück. Ich bin mit meinem VW-Camper dann, je nachdem wo es hinging, so 1000 bis 1500 Kilometer am Tag gefahren. Nach Le Mans waren das 950 km, Pannoniaring 1000 km, Rijeka 1200 km, Donington 930 km, Red Bull Ring 950 km und dann nach Estoril in Portugal 2600 km in drei Tagen. Nach Assen, Spa Francorchamps und nach Oschersleben waren es vergleichsweise kurze Touren zwischen 200 und 600 km.
Wie war es mit der Freizeit an den Rennwochenenden?
Also Freizeit gab es bei uns nicht. Wir waren auf den Rennplätzen um Rennen zu fahren und sonst nichts. Wir haben morgens zwischen 7 und 8 Uhr mit der Arbeit angefangen und sind manches Mal erst gegen Mitternacht fertig geworden. Alles wurde von uns kontrolliert, wir haben nichts dem Zufall überlassen. Für uns alle war erst Feierabend, wenn das Gespann für den nächsten Tag rennbereit war.
Als du noch ganz normal in Arbeit warst, hat die ganze Reiserei wohl einige Urlaubstage verbraucht, oder?
Ja, da sind in einer Saison mal locker 15 bis 20 Urlaubstage draufgegangen. Aber wir sind ja keine Profis, wir lieben diesen Sport und denken dabei nicht über den Aufwand nach. Seit ich Rentner bin, verbinde ich die Reisen zu den Rennen durch ganz Europa aber schon mit Urlaub.
Sieht man dich denn in Zukunft nicht mehr bei den Rennen der Sidecars?
Natürlich werde ich auch weiterhin zu den Rennen fahren und auch mit den Teams reden, aber nicht mehr dort arbeiten.