Sandro Cortese stand zweimal vor dem Aus: Dann Champ!
2018 wurde Sandro Cortese Supersport-Champion
Neun deutsche Solo-Rennfahrer haben im GP-Sport mindestens einen WM-Titel errungen:
Werner Haas: 1953 (125 ccm), 1953 (250 ccm), 1954 (250 ccm)
Hermann Paul Müller: 1955 (250 ccm)
Ernst Degner: 1962 (50 ccm)
Hans-Georg Anscheidt: 1966, 1967, 1968 (alle 50 ccm)
Dieter Braun: 1970 (125 ccm), 1973 (250 ccm)
Toni Mang: 1980 (250 ccm), 1981 (250 ccm), 1981 (350 ccm), 1982 (350 ccm), 1987 (250 ccm)
Dirk Raudies: 1993 (125 ccm)
Stefan Bradl: 2011 (Moto2)
Sandro Cortese: 2012 (Moto3)
In den seriennahen SBK-Weltmeisterschaften holten nur zwei Deutsche einen Titel:
Jörg Teuchert: 2000 (Supersport)
Sandro Cortese: 2018 (Supersport)
Der Schwabe Cortese, der nach 20 Monaten Verletzungspause am Sonntag seinen Rücktritt erklärt hat, konnte als einziger Deutscher in der Prototypen- und Serienmeisterschaft Champion werden. Nur Haas, Braun, Mang und Cortese schafften es, Titel in verschiedenen Kategorien zu holen. Das zeigt, dass Sandro einen besonderen Platz in der deutschen Motorsport-Historie einnimmt. Er gewann sieben Grand Prix und stand 29 Mal auf dem Podium. In der Supersport-WM fuhr er nur zwölf Rennen, gewann davon zwei und stand achtmal auf dem Podium.
In seinen 16 Jahren in der Weltmeisterschaft zeigte Cortese zwei herausragende Saisons, in seinem letzten Jahr auf der 125er (2011) war er ebenfalls sehr stark und wurde mit zwei Siegen und sechs Podestplätzen WM-Vierter.
Für SPEEDWEEK.com ließ der 32-Jährige seine beiden WM-Gewinne noch einmal Revue passieren. «Sepang 2012 war ein Highlight», erzählte Cortese. «Aber diesem Highlight gingen Jahrzehnte voran, in denen ich für diesen Moment gearbeitet habe. Das war ein Traumwochenende, ich konnte mit einem Sieg den WM-Titel feiern. Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut, wenn ich dran denke. Mein Motorrad von damals steht bei mir im Wohnzimmer, das sehe ich jeden Tag. Da kommen Erinnerungen hoch. Das ist der Traum jedes Rennfahrers, so einen Moment erleben zu dürfen. Und das mit KTM und Red Bull und Aki Ajo, bei dem ich schon davor zwei Jahre gefahren bin. Da hat alles gepasst in dem Jahr. Die Kombination aus Aki, Werks-KTM und Red Bull als Hauptsponsor war perfekt. Aki Ajo ist einer der besten Teamchefs, die ich kennengelernt habe in meiner Karriere. Er kann unglaublich motivieren und einen Rennfahrer in die richtige Spur bringen, wie man ihn am Sonntag braucht. Mit Aki hatte ich schon 2009 unglaubliche Momente, 2010 war ein schweres Jahr als Teamkollege von Marc Marquez, der die Saison dominiert hat. Neben ihm habe ich aber unfassbar viel gelernt.»
Seinen zweiten WM-Titel holte Cortese sechs Jahre später in der Supersport-WM im Team Kallio Yamaha. «Nach der Saison 2017 war meine Karriere eigentlich beendet, ich hatte keinen Platz für das Jahr darauf», erinnerte sich Berkheims berühmtester Sohn. «Kallio hat damals bei Günther Wiesinger von SPEEDWEEK angerufen und Günther hat mir gesagt, dass ich mir das überlegen soll mit der Supersport-WM. Das war Ende Januar. Innerhalb zwei Wochen bin ich einen Tag in Jerez gefahren und war zwei Wochen später in Australien beim ersten Rennen. Das war auch eine Traumsaison.»
Vor beiden Saisons, in denen er Champion wurde, hatte Cortese zuerst keinen Job: «Nach 2011 hatte ich auch kein Team und wusste nicht, wie es weitergeht. Ein Tag vor Weihnachten hat mich Aki Ajo angerufen und mir erzählt, dass Miguel Oliveira, der damals bei ihm unterschrieben hatte, zu Alzamora geht. Ob ich mir vorstellen könnte, bei ihm zu fahren. Das hat sich aus dem Nichts ergeben – und ich habe mit einem finnischen Team den WM-Titel gewonnen. 2018 genau das Gleiche. Dass ich in meiner Rookie-Saison Supersport den Titel gewann, war mindestens genauso wichtig wie der erste Titel – wenn nicht wichtiger. Ich hatte in Moto2 schwierige Saisons und brauchte ein gewisses Selbstbewusstsein. Ich musste mir immer wieder sagen, dass ich es kann. Mit dem zweiten Titel hatte ich dann alles erreicht, was man sich als Motorradrennfahrer vorstellen kann. Natürlich will jeder MotoGP fahren, was leider ein offener Traum bleibt. Aber alles andere durfte ich fahren: 125er, Moto3, Moto2, Supersport und dann noch zwei Jahre Superbike-WM.»
«Der erste WM-Titel ist immer etwas Besonderes. Wenn man einen kleinen Buben fragt, der Rennen fährt, was er mal werden möchte, dann wird er Weltmeister sagen. Nach dem Moto3-Titel hatte ich mir diesen Traum erfüllt. Aber dann bekam ich die Bestätigung, es noch mal geschafft zu haben. Zweimal Weltmeister zu werden, ist besonders. Vor allem nach so vielen Jahren, die für mich schwierig waren. Ich hatte viele Verletzungen in meiner Moto2-Zeit, viele Stürze, ich stand oft vor dem Karriereende. Und dann gewann ich noch mal einen WM-Titel, das tat meiner Seele gut. Ich wurde oft angezählt, es hieß, der WM-Titel war eine einmalige Sache. Einmal Weltmeister zu werden schaffen mehr Fahrer als zweimal. Nach dem zweiten Titel war ich mit mir wieder im Reinen.»
Sandro abschließend: «Rückblickend habe ich jedes Jahr genossen. Natürlich sagt man, dass ich hier und da andere Entscheidungen hätte treffen sollen. Aber hätte ich egal wo andere Entscheidungen getroffen, wäre ich vielleicht nie bei Vesa Kallio gelandet. Oder 2012 bei Aki Ajo. Es kam alles genau so, wie es kommen sollte.»
Sandro Corteses Jahre in der Weltmeisterschaft:
2005 – 125 ccm: Kiefer Bos Honda – 26.
2006 – 125 ccm: Elit Emmi Caffé Latte Honda – 17.
2007 – 125 ccm: Elit Emmi Caffé Latte Aprilia – 14.
2008 – 125 ccm: Emmi Caffé Latte Aprilia – 8.
2009 – 125 ccm: Ajo Interwetten Derbi – 6.
2010 – 125 ccm: Avant Mitsubishi Ajo Derbi – 7.
2011 – 125 ccm: Intact Racing Team Germany Aprilia – 4.
2012 – Moto3: Red Bull KTM Ajo – 1.
2013 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 19.
2014 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 9.
2015 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 11.
2016 – Moto2: Dynavolt Intact GP Kalex – 15.
2017 – Moto2: Dynavolt Intact GP Suter – 18.
2018 – Supersport: Kallio Yamaha – 1.
2019 – Superbike: GRT Yamaha – 12.
2020 – Superbike: Outdo Kawasaki TPR – 19.