Allan McNish in Le Mans: Abschied ohne Emotionen
Allan McNish trat im Dezember nach seinem WM-Titel mit Audi zurück
«Ich habe mit niemandem gesprochen. Ich überlegte. Als wir die Weltmeisterschaft 2013 in China gewonnen hatten, beschloss ich mitzuteilen, dass ich aufhören würde. Ich spürte, dass meine Zeit gekommen war – das ist eine sehr persönliche Sache. Nur du allein kannst wissen, wann es die richtige Zeit ist. Du bist schließlich die Person, die fährt und die damit aufhört. Selbst wenn es ein großer Schock ist für viele.»
Was sagte Deine Frau? Hast Du vorher viel mit ihr darüber gesprochen?
Nein, nein, ich habe nicht mit ihr diskutiert. Nicht bevor ich mir nicht selbst klar war, was ich tun würde. Ich mochte nicht über das Thema sprechen, dass ich Ende des Jahres 2013 aufhören wollte. Dienstag nach China habe ich es ihr gesagt, und ich habe sie nie so nervös gesehen wie vor meinem letzten Rennen in Bahrain. Sie wusste ja, es würde mein letztes sein. Dabei kam ich wegen eines technischen Problems gar nicht zum fahren. Mein letztes Rennen endete, als ich in China als Weltmeister über die Linie fuhr. Das war absolut perfekt als Ende einer Karriere, in der ich mich in allen Beziehungen voll entwickeln konnte.
Ist eine Entscheidung wie Deine nicht eine sehr emotionale Angelegenheit? Kommt einem da nicht ein Klotz hoch aus dem Magen?
Nein, nein, da war für mich nichts Emotionelles dabei. Für mich gibt es nur schwarz oder weiß. Nur Rationales. Wenn Emotionales im Spiel ist, dann macht man leicht Fehler. Ich schaue nie zurück, auch jetzt nicht. Und wenn ich draußen in Le Mans die Motoren höre, dann macht mir das nichts. Mir fehlt nichts, denn wenn mir etwas fehlen würde, ja, dann hätte ich ja nicht aufgehört. Wenn ich den sound höre, dann denke ich nicht, dass ich jetzt gern Gas gäbe. Ich denke, der Kerl im Auto sollte Gas geben und schneller sein.
Denkst Du ab jetzt gar nicht mehr an Rennen?
Ich habe, solange ich mich erinnere, Tag und Nacht an nichts anderes gedacht. Nur daran, wie man schneller werden könne, besser. Das kostet sehr viel Energie. Ich habe aber eine Familie, meine Frau Kelly und zwei Kinder, die haben auch ein Recht auf meine Energie. Mein letztes Ziel war die Weltmeisterschaft. Die habe ich nun, warum sollte ich mich noch einmal darum bemühen?
Allan, Du bist doch ein echtes Schlachtross im Renngeschäft. Alte Schlachtrösser wie Du fressen kein Gnadenbrot. Was machst Du demnächst?
Da gibt es einen jungen Mann, Harry Tincknell. Der ist 22, halb so alt wie ich. Den hab‘ ich kennen gelernt als er mit 16 vom Kartfahren kam. Ich dachte mir, dass ich ihn ein wenig führen sollte.
Hast Du viel Geld in den Jungen gesteckt?
Ich habe Mühe und Anstrengungen investiert. Und wenn ich heute auf Harry schaue, dann sehe ich mich von früher, mit allen Problemen, Situationen, die ich erlebte. Er ist die Zukunft, ich bin Vergangenheit. Es ist schön zu erleben, wenn deine Erfahrungen weiter gegeben werden, wenn dir einer zuhört. Und Harry hört zu.
Nachwuchspflege kann doch nicht alles sein, oder?
Ich werde für die BBC fünfzehn Formel 1 Grands Prix machen, sowohl im Fernsehen als auch im Radio. Das reizt mich insofern als es hinter der großen Show auch noch etwas gibt, das bisher nicht ausreichend gezeigt worden ist. Die andere Seite der Medaille, und die reizt mich. Ich fühle mich wie ein Lehrling bei einer neuen Herausforderung – aber ich werde über etwas sprechen, das ich liebe: Motorsport. Ich kann und mag mir nicht vorstellen, dass ich bei einer Tasse Tee zuhause sitze und meiner Frau erkläre, was wie gemacht zu werden hat.
Und sonst nichts?
Ich bin auch als Audi-Botschafter unterwegs. Natürlich werde ich weiter eng mit Dr. Ullrich zusammen arbeiten - ich kann da sicher ein paar Erfahrungen einbringen.
Ich habe eine ziemlich direkte Art, meine Vorstellungen zu artikulieren- wir sind acht Jahre gut miteinander ausgekommen. Jetzt haben wir zwar unterschiedliche Verhältnisse, es wird sicher klappen. Alles, was ich in Zukunft tun werde, hat mit vier Rädern und einem Lenkrad zu tun, das ist klar.
Du bist doch Schotte - zieht Dich nichts zurück in die Heimat? Vielleicht gar in ein bisschen Highland-Folklore- passend zu Deinem herrlichen Akzent?
Ich hatte bisher noch keine Zeit, mich darum zu kümmern- aber leben werde ich in Monaco. Meine Kinder sind dort geboren, wuchsen dort auf, es ist ihr Zuhause. Aber ich werde sie, wenn sie alt genug sind, auch in die Highlands bringen. Es sei denn, mein Sohn zieht die Rennstrecken vor wie ich. Ich erinnere mich noch immer daran wie ich mit meinem Dad in Silverstone auf der Tribüne saß und ich lernte, Kurvenzeiten zu stoppen.
Wirst Du Dir jetzt Mühe geben, Dein Leben auch in anderer Form so zu genießen wie früher? Wird Dir nichts fehlen?
Ich werde das Leben genießen, anders als bisher. Das ist sicher. Nichts wird mir fehlen, gar nichts. Frag‘ doch mal Reinhold Joest. Er hat mir nach meiner Entscheidung die Hände auf die Schulter gelegt, mir in die Augen geschaut und gesagt, dass meine Entscheidung richtig ist.