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Coronavirus in Spanien: Am Rande der Katastrophe

Von Andreas Reiners
Abel Cruz im Homeoffice

Abel Cruz im Homeoffice

Spanien gehört zu den vom Coronavirus am schlimmsten getroffenen Ländern in Europa. Mein Kollege Abel Cruz ist mittendrin.

Der DTM-Kosmos ist übersichtlich. Wie übersichtlich, erkennt man spätestens dann, wenn man die Pressezentren von Formel 1 und der Tourenwagenserie einem direkten Vergleich unterziehen kann. In dem einen Fall ist das Media Center überfüllt, mit Journalisten und Fotografen aus aller Welt.

Im anderen Fall geht es familiärer zu. In der DTM kennt man sich in der Regel, die einen besser, die anderen etwas weniger gut. Doch komplett unbekannte Gesichter sind die Ausnahme, unter dem Strich ist der Kreis kleiner, vor allem der internationale. Man lernt sich so eben auch schneller kennen.

Der spanische Journalist Abel gehört seit Jahren zu diesem Kreis. Oft bildet er mit seiner Landsfrau Tamara den englischsprachigen Teil der sogenannten Round Tables, also den Gesprächsrunden mit den Motorsportchefs oder auch Fahrern.

Abel Cruz ist 41, wohnt in Barcelona und ist Motorsport-Spezialist für Red Bull in Spanien und in der DTM seit 2014 dabei. Der Mann ist ein wenig verrückt, im positiven Sinn, hat oft einen Spruch auf Lager, kennt sich im Motorsport aus.

Beim Thema Coronavirus jedoch wird er ernst. Und wenn er ernst wird, weiß ich, dass es ernst ist.

Wir waren in der Winterpause der DTM regelmäßig in Kontakt, vor allem rund um den Ausstieg von Aston Martin. Auch jetzt kommunizieren wir. Diesmal ging es aber vor allem ums Private.

«Es ist ziemlich schlimm»

«Es ist ziemlich schlimm», sagt er, was die Situation in Spanien betrifft. Spanien und Italien stehen in Europa an der Spitze bei den Zahlen der Infizierte und Toten. «Die Dinge ändern sich täglich. Wer weiß also, wann der eigentliche Höhepunkt eintreten wird oder wann sich die gesamte Situation verbessern wird?», fragt er sich. Das Schlimme an der Situation: Es weiß niemand, wann es besser wird.

Hat er Angst? «Ja», lautet die klare Antwort.

«So wie sich die Auswirkungen des Virus täglich ändern, kann ich mir wegen meines Job, den meines Partners oder wegen irgendjemanden in meiner Familie nicht sicher sein. Auch die Fehler der spanischen Regierung machen es noch schwieriger, alles vorherzusagen.»

Ein kleiner Vorteil: Als freier Journalist weiß er, wie Homeoffice geht, seit 2008 macht er im Grunde seinen Job genau so. Einziger Unterschied: Seine Lebensgefährtin sitzt jetzt auch zu Hause. «Wir verstehen uns aber gut, da wir beide getrennte Räume zum Arbeiten haben und uns dann von Zeit zu Zeit in der Küche treffen, um einen Tee zu trinken, zu Mittag zu essen oder einfach nur unsere Beine zu vertreten. Das einzige, was ich vermisse, ist ins Fitnessstudio, in ein Museum oder zu einem Konzert oder einfach nur spazieren zu gehen, aber das ist überhaupt kein Drama.»

Zwei seiner drei Kunden hat er durch die Coronakrise verloren. «Aber der wichtigste - Red Bull - hält mich sehr auf Trab und theoretisch sollte es die Krise über so funktionieren, dass ich den Job behalte.»

Über 131.000 Infizierte

Ein Drama ist dafür die Situation in Spanien generell. Laut «worldometers » gibt es Stand Montagmorgen über 131.000 Infizierte und 12.600 Tote. Die Zahlen sinken seit einigen Tagen ein wenig, was aber noch lange kein Grund für eine Entwarnung ist.

Das Hauptproblem bei dem heftigen Ausbruch an Infektionen und Toten war, «dass die Regierung keine 100prozentige, echte, enge Sperre verhängt hat. Und dann haben wir das gleiche Problem, das andere Länder haben: nicht genügend Krankenhausbetten, Mangel an Sicherheitsausrüstung und Mangel an geeigneten Testkits. Und wenn wir dazu auch die mangelnde Effizienz beim Kauf von Testkits und Sicherheitsausrüstung hinzufügen, ist das Ergebnis eine Steilvorlage für eine Katastrophe.»

Immerhin: Die Regierung hat in der vergangenen Woche nochmals reagiert, Spanien befindet sich seit Dienstag im sogenannten «Winterschlaf».

Heißt: Alle Bürger, die nicht im Home Office arbeiten konnten, durften trotz der seit dem 15. März und noch bis zum 11. April geltenden Ausgangssperre zum Arbeitsplatz fahren. Die Ausgangssperre wurde nun verschärft, nur Menschen, die in «wesentlichen Sektoren» tätig sind, dürfen das Haus noch verlassen.

Die Angst der Spanier ist aber nicht nur gesundheitlicher, sondern auch wirtschaftlicher Natur.

Die Regierung mobilisierte jetzt eine Rekordsumme von 200 Milliarden Euro als Hilfspaket. Das seien etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und das größte Maßnahmenpaket, das Spanien in der Geschichte seiner Demokratie verabschiedet habe, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez am Dienstag. «Dies sind außergewöhnliche Zeiten, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordern», erklärte der Regierungschef.

Aber: Wie die Maßnahmen genau verteilt werden, sei unklar, meint Abel. Ja, die Unternehmen können sich Geld leihen, um die Krise zu überstehen, werden das Geld zurückzahlen müssen. «Was bedeutet, dass viele Menschen mehr Schulden haben werden als jetzt.» Das Problem wird also nur zeitlich nach hinten verlegt.

Heftig wird es für die vielen Freiberufler. Die zahlen eine Gebühr, um im spanischen Arbeits- und Sozialversicherungssystem registriert zu werden. Aber: «Wenn wir nicht mindestens 75 Prozent unseres Einkommens verlieren, können wir dieses Notgeld nicht beantragen, müssen aber dennoch die monatliche Gebühr zahlen, weil das Land in keiner guten wirtschaftlichen Verfassung ist», kritisiert Abel.

Welche Folgen hat die Krise für die DTM?

Er sagt: «Die letzten 15 Jahre sozialistischer und konservativer Regierungen waren für unsere Wirtschaft schrecklich und die derzeitige Regierung braucht dieses Geld wirklich. Die meisten Freiberufler haben beziehungsweise werden große Probleme haben, zu überleben. Es scheint, dass wir in einer schlimmeren Situation enden als nach der Finanzkrise 2008, wenn diese vorübergehenden Pläne dauerhaft werden.»

Klar ist: Es wird eine Zeit nach der Krise geben, wenn die Ansteckungs-Angst ausgestanden ist. Was glaubt er, wie sich der Motorsport dann darstellen wird? Wie wird die DTM dastehen, die kurz vor dem Ausbruch von Covid-19 Aston Martin als dritten Hersteller verloren hatte?

«Es ist positiv, dass die ITR darum gekämpft hat, den Kalender neu zu organisieren und alle Strecken beizubehalten. Das ist eine positive Botschaft an die Hersteller, an die Fahrer und insgesamt an die Sponsoren und Fans, von denen ich hoffe, dass sie in großer Zahl zu den Rennen strömen, um die Frustration der Ausgangsbeschränkungen abzuschütteln. Das Problem: Wenn das Resultat dieser Krise noch schlimmer ist als das von 2008, könnte das der Sargnagel für die DTM sein. Die DTM-Autos sind immer noch teuer, und die Leute glauben immer noch, dass es eine zu deutsche Serie mit viel Politik ist, die die Ergebnisse beeinflusst, auch wenn die DTM unbestritten sportlich attraktiv ist.»

«Für das Überleben der DTM ist es entscheidend, dass die internationalen Rennen gut besucht sind und das Interesse außerhalb Deutschlands steigt, was zu einem potenziellen Interesse eines „dritten Herstellers“ führen könnte. Auf der anderen Seite müssen die Hersteller die Klimaprobleme WIRKLICH sehr ernst nehmen, sobald die aktuelle Situation vorbei ist und die Serie noch über 2020 hinausgeht. Zwei Monate geringerer Emissionen weltweit aufgrund des Virus werden das Problem nicht lösen. Wenn man sich jedoch einige Aussagen/Zitate außerhalb der offiziellen Kanäle anschaut, kann man deutlich sehen, dass die Verantwortlichen die Probleme immer noch nicht ernst nehmen. Ich muss zugeben, dass ich mit der Viruskrise eine kleine Verschiebung in Richtung der ernsthaften Seite gesehen habe, aber aus den falschen Gründen, wie den wirtschaftlichen Gewinn - nicht den Nutzen -, den Menschen und Unternehmen daraus ziehen können, „ökologisch“ zu sein.

«Was den Motorsport im Allgemeinen und in Bezug auf die DTM betrifft, werden viele Serien und Privatteams in diesem Jahr und 2021, gelinde gesagt, Probleme haben. Diese kleinen Teams leben von ihren Sponsoren und ihren Ergebnissen. Wenn es also keine Rennen gibt, gibt es kein Geld und umgekehrt. Und wenn es die normalen Leute hart trifft, kommt niemand zu den Rennstrecken. Ein Teufelskreis.»


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