Berger gegen Geisterrennen: Gibt es keine DTM-Saison?
Fans bei der DTM
Als im März die ersten Geisterspiele im Fußball über die Bühne gingen, war das Urteil eindeutig: Da hat niemand Lust drauf. Traurig. Emotionslos. Langweilig.
Damals war vielen aber noch nicht klar, wie sich der Coronavirus weiterentwickeln wird. Nur vier Wochen später ist klar: Wer in den kommenden Monaten Fußball sehen möchte, wird sich wohl oder übel an leere Stadien gewöhnen müssen. An eine neue Normalität.
Heute kehrt Österreich nach den strikten Beschränkungen wegen der Coronavirus-Pandemie schrittweise in die Normalität zurück, ganz langsam, behutsam.
Geschäfte, die kleiner sind als 400 Quadratmeter, dürfen wieder öffnen, außerdem Gartencenter und Baumärkte. In einem zweiten Schritt sollen ab dem 1. Mai alle anderen Geschäfte und Friseure aufmachen dürfen. «Wir versuchen, ganz behutsam wieder in Richtung Normalität oder neuer Normalität zurückzukehren. Das wird uns nur gelingen, wenn wir weiter alle diszipliniert bleiben», sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF.
Was macht Deutschland?
Sowohl im Handel als auch im öffentlichen Nahverkehr ist ein Mund-Nasen-Schutz Pflicht. Außerdem ist ein Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter vorgeschrieben.
Andere Länder lockern ebenfalls ihre Maßnahmen: In Italien dürfen ab Dienstag bestimmte Geschäfte wieder öffnen, trotzdem gilt in dem am schwersten von der Pandemie betroffenen Land Europas noch bis zum 3. Mai eine landesweite Ausgangssperre. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einer vorzeitigen Lockerung der Maßnahmen.
In Deutschland soll in dieser Woche verkündet werden, wie es nach dem 19. April weitergeht, ob es Lockerungen gibt und wie diese aussehen werden.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hatte am Montag eine Stellungnahme veröffentlicht, die sich mit Schritten zur Lockerung der Beschränkungen in der Coronakrise beschäftigt. Veranstaltungen stehen auf der Prioritäten-Liste ein Stück weiter unten.
Doch die Macher hoffen immer noch, dass die Bundesliga-Saison ab Mai fortgesetzt werden kann. Freilich ohne Zuschauer. Und das könnte das Fernsehbild länger prägen als gedacht.
Fußball viele Monate ohne Fans
Der Präsident der Leopoldina rechnet über einen langen Zeitraum mit Geisterspielen im Fußball. «Es wird sicherlich viele Monate dauern, es kann bis zu eineinhalb Jahre sein», sagte Gerald Haug den ARD-Tagesthemen auf die Frage, wie lange auf Besuche in Fußballstadien verzichtet werden sollte.
Die Corona-Pandemie ende erst, wenn ein Impfstoff gegen das Virus gefunden sei. Bis dahin sei es «sicherlich klug», nicht ins Fußballstadion zu gehen.
Oder zu einer Motorsport-Veranstaltung, weshalb auch dort Geisterrennen die erste Option sein werden, um die Saison irgendwie über die Bühne zu bringen. Es gibt natürlich auch optimistischere Prognosen, wann ein Impfstoff bereitstehen könnte. Die Optimisten sprechen allerdings auch erst vom Jahresende.
Heißt: 2020 dürfte es mit der Normalität im Motorsport, also Rennen mit vollen Tribünen, schwierig werden.
Was bedeutet das für die DTM? Denn während die Formel 1 konkret mit Geisterrennen plant, hatte sie Serienchef Gerhard Berger ausgeschlossen.
«Unsere Kunden heißen Fans. Und wenn die Fans nicht da sind, gibt es keine Rennen», sagte er bei ServusTV.
Für die starken Beschränkungen hat er Verständnis. Man müsse aber so schnell wie möglich «in die Gänge kommen», und da gehören auch die Events zum Beispiel dazu, «um wirtschaftlich wieder unseren Beitrag zu leisten, um alle unsere Arbeitsplätze zu halten», so Berger: «Wir müssen einfach schauen, dass wir nicht am Ende des Tages nach dieser Corona-Krise in die nächste Krise schlittern.»
Doch heißt das für die DTM, falls zu Veranstaltungen in diesem Jahr keine Zuschauer mehr zugelassen werden, die Saison dann eingestampft wird?
Um es deutlich zu sagen: Im Moment weiß niemand, wie die Welt im Spätsommer oder Herbst aussehen wird.
Fans am Norisring? Utopisch
Doch Rennen auf dem Norisring Mitte Juli mitten in Nürnberg vor zehntausenden von Zuschauern? Das ist vollkommen utopisch. Das Stadtrennen ist nach der Umgestaltung des Rennkalenders aktuell noch der Saisonauftakt, wackelt durch die unsichere und unklare Lage rund um die Pandemie aber sowieso.
Für Milliarden-Geschäfte wie den Fußball oder die Formel 1 sind Events ohne Fans vor allem essentiell, um TV-Verträge zu bedienen und so Geld und Existenzen zu retten. In der Bundesliga geht es zum Beispiel um noch ausstehende TV-Gelder und Sponsoren-Einkünfte in Höhe von rund 750 Millionen Euro.
In der DTM werden deutlich kleinere Brötchen gebacken, trotzdem hängt auch hier ein Rattenschwanz an einer Saison, geht es um Jobs und Existenzen.
Die Teams bekommen schon jetzt Probleme, wie Phoenix-Teamchef Ernst Moser bei SPEEDWEEK.com betonte, für sie ist es überlebenswichtig, dass wieder gefahren wird. Die Rennstrecken sind ebenfalls auf Einnahmen angewiesen.
Wie auch die ITR, die bei einer Geister-Saison allerdings auf Einnahmen verzichten müsste, sowohl aus dem Ticket-Verkauf, als auch durch Sponsoren. Beides dürfte sich über die Saison gesehen im Millionen-Bereich bewegen.
Doch wie ist die Berger-Aussage dann zu werten?
Wer den früheren Formel-1-Fahrer kennt, der weiß, dass er gerne einmal verbal vorprescht, emotional ist. Es ist daher nachvollziehbar, dass sich der 60-Jährige eine Serie, die nah an den Fans sein will, die ihre Besucher wichtig nehmen will, ohne Zuschauer nicht vorstellen mag.
Diverse Szenarien
Doch natürlich werden auch Audi und BMW ein gewichtiges Wörtchen mitreden, wie die Szenarien für die Serie 2020 letztendlich aussehen könnten.
Und natürlich spielt die ITR bereits sämtliche Szenarien durch, ob nun finanziell oder logistisch, und da gehören auch Geisterrennen ohne Wenn und Aber dazu. Wobei es immer um die generelle und realistische Machbarkeit geht. Oder anders gesagt: In St. Petersburg werden Geisterrennen aus wirtschaftlicher Sicht machbarer sein als am Norisring.
Es mag Berger ehren, dass er an die Fans denkt, sie gehören dazu. Wirklich realistisch ist ein kompletter Verzicht auf Geisterrennen aber nicht. Vielmehr wird sich auch im Motorsport wohl oder übel an leere Tribünen gewöhnen müssen. An eine neue Normalität.