Neue DTM: Beschwipste Fahrer und wütende Teamchefs
In der neuen DTM geht es lockerer zu
Esteban Muth trinkt einen über den Durst und geht etwas beschwipst eine völlig bekloppte Tattoo-Wette mit Marco Wittmann ein. Der erzählt die Geschichte, wie er den Rookie am Tresen wetttechnisch über den Tisch gezogen hat, grinsend im Fernsehen.
Und Muth lacht sich einen und ist sich nüchtern immer noch zu 100 Prozent sicher, dass er die Wette gewinnt. Und Muths Teamchef? Lacht sich schlapp und verspricht seinem Schützling noch ein Autogramm zum Tattoo.
Eine lustige Nummer, die so in der alten DTM mit den großen Herstellern vielleicht so passiert, aber so wohl nicht kommuniziert worden wäre.
Der Hintergrund ist klar: Die Hersteller haben in den vergangenen Jahren immer auf die Tonalität geachtet, auf das, was gesagt wurde, was kommuniziert wurde. Die Außendarstellung war wichtig, das A und O, was nicht nur durch die Hospitalitys gezeigt wurde. Die Fahrer waren die Repräsentanten, und für sie gab es klare Regeln, was gesagt werden darf und was nicht.
Man muss dazu sagen: Es ist in den vergangenen Jahren viel besser geworden. War es nach dem Einstieg von BMW 2012 teilweise trocken, spröde und langweilig, wurden die Fahrer mehr und mehr von der Leine gelassen. Positive Ausnahmen wie Mattias Ekström, Gary Paffett, Timo Scheider oder Timo Glock gab es schon immer, doch Scheider erinnert sich im ran-Podcast noch, wie es war als Fahrer.
Presse-Polizei steht daneben
«Ich habe oft gesagt: Die 'Presse-Polizei' steht neben dran. Das war bei den Werken Standard, dass da jeder, der irgendwas zu den Medien kommentiert hat, beobachtet wurde», so Scheider. Vor allem junge Fahrer hielten sich zurück, da viele vor allem froh waren, dass sie einen Werksvertrag bekommen haben.
Tatsächlich läuft es in der neuen DTM ohne Hersteller und mit Kundenteams hemdärmeliger ab als früher. Mit Glock wird im Fahrerlager spontan ein Interview geführt, Christian Klien steht vor der Box zur Verfügung, die Teamchefs Thomas Biermaier (Abt), Peter Mücke oder Jens Feucht (T3 Motorsport) in ihren Trucks. Zur Verfügung standen die Protangonisten früher natürlich auch immer, das war immer eine Stärke der DTM. Der große Unterschied zu früher: Es steht niemand daneben, die Aussagen stehen, und sie bleiben stehen. Geändert wird im Gegensatz zu früher nichts mehr. Auf Vertrauensbasis, dass man mit den Zitaten vernünftig umgeht.
«Es wurde früher aufgepasst, dass bloß nichts Falsches rausgeht. Kam ein falsches Wort, kam gleich die 'Presse-Polizei' und hat gesagt: 'Das müssen wir anders nennen.' Oder es wurde gegengelesen und im Nachgang geändert. Das sind Dinge, die passieren jetzt natürlich nur noch geringfügig», so Scheider. Auch die Teamchefs nehmen kein Blatt vor den Mund, poltern herum.
Ehrlicher und objektiver
«Die Geschichten, die wir bisher geschrieben haben, sind ehrlicher und objektiver», sagt Titelkandidat Maximilian Götz. Er kennt beide Seiten, also die alte DTM, und auch die neue. Der HRT-Fahrer liefert sich mit seinem Abt-Rivalen Kelvin van der Linde seit Saisonbeginn einen verbalen Schlagabtausch.
«Der Fight mit Kelvin ist eine Sache zwischen uns, aber wir wollen nicht nur der Bessere sein, sondern wir wollen den Gegner in die Irre führen, ihn nervös machen. Das gehört dazu. Es gibt Spielregeln und wir wissen, was sich gehört und dass es Grenzen gibt. Am Ende ist es auch ein taktischer Weg, um den anderen aus seiner Komfortzone herauszuholen.»
Für die DTM sind diese Geschichten Gold wert, es könnten aber noch mehr sein, es könnten gerne noch mehr Fahrer ihr Profil schärfen. «Diese Geplänkel begrüßen wir, auch neben der Strecke. Die Fahrer sind unsere größten Stars», sagte DTM-Manager Frederic Elsner. Rookie Muth ist das im Moment sogar noch zu langweilig. «Wenn ich vorne mitfahren würde, würde ich solche Spielchen noch mehr machen», sagte er. Solange freuen wir uns auf die nächste Wette.