6h Spa: Analyse des Saisonauftakts der FIA WEC
Das 6-Stunden-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps bot eigentlich von allem etwas, was den so traditionsreichen Langstrecken-Motorsport ausmacht: Kampf zwischen Groß und Klein, Strategie-Krimis bis zur letzten Sekunden und Rennaction mit atemberaubenden Überholmanövern über die komplette Distanz. Der Rennfan an der Strecke hätte nicht glücklicher abreisen können. Wenn denn da nicht der Gesamtsieg für Sébastien Buemi, Kazuki Nakajima und Fernando Alonso durch eine politische Entscheidung inszeniert wurde. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Toyota beim WEC-Debüt von Alonso, den Formel-1-Star auch gerne auf der obersten Stufe des Podiums sehen möchte. Doch hätte die japanische Heeresleitung nicht ins Geschehen eingegriffen, so wären die Teamkollegen Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López die verdienten Sieger des Saisonauftakts gewesen.
Das am Ende zweitplatzierte Trio hatte das Rennen mit Rundenrückstand aus der Boxengasse beginnen müssen und ackerte sich mit einer unglaublichen Fahrer-Performance durch das Feld. Kurz vor Rennende hatte Überflieger Conway dann das Heck des Alonso-Toyota direkt vor der Nase. Mit einem lockeren Manöver hätte der Brite den berühmten Spanier überflügelt und einen nicht für möglich gehaltenen Sieg eingefahren. Doch dann kam die Anweisung «Freeze Position» über Funk. Selbst wer Conways Gesicht nach dem Rennen gesehen hat, kann sich nicht annähernd vorstellen, wie die Gefühlslage dieses echten Racers am Samstagabend gewesen sein muss. Aber so ist es heutzutage eben. Werksfahrer verdienen ihr Geld eben beim Werk (wie der Name schon sagt). Und dort gilt es eben, viel mehr Dinge unter einen Hut zu bekommen, als einfach nur den Schnelleren gewinnen zu lassen.
Uneingeschränkt Vollgas gab das Rebellion-Lager. Und das hatte die angloschweizer Mannschaft selbst nicht erwartet. Denn die brandneuen Rebellion R13 sind vor Spa-Francorchamps noch nie sechs Stunden am Stück gelaufen. Dass den schnelleren Wagen von André Lotterer, Neel Jani und Bruno Senna dann ein fehlerhafter Data-Logger der FIA zurückwarf, wirkt wie eine Schicksals-Ironie. Dem Fahrzeug fehlten am Ende zwei Runden auf die Toyota. «Wenn man jetzt noch bedenkt, dass wir anderthalb Minuten durch das FIA-Teil in der Box verloren und eine halbe Minute durch ein Safety-Car, dann wären wir vielleicht nicht einmal überrundet worden», strahlte Neel Jani nach dem Rennen. Wen stört es bei so einem Fahrzeugdebüt dann überhaupt noch, dass der R13 von Jani/Lotterer/Senna am Abend wegen einer (durch ständigen Bodenkontakt in Eau Roge) zu weit herunter gefrästen Bodenplatte von nur noch 18,8 Millimeter Dicke disqualifiziert wurde.
Gar nicht erst zum Rennen angetreten sind die beiden Ginetta von CEFC TRSM Racing (also das Manor Team). Da die versprochenen liquiden Mittel aus China nicht flossen, blieb keine andere Wahl, als die Fahrzeuge zurückzuziehen. Trotz aller Unwägbarkeiten und Risiken hat sich der kleine britische Hersteller im letzten Jahr für den LMP1-Weg entschieden. Dem gebührt auf jeden Fall Respekt. Externe Faktoren können leider jedoch nicht immer komplett abgeschätzt werden. Und die Gesichter der Boxen-Mechaniker standen jenem von Mike Conway in nichts nach. Übrigens: Die beiden G60-LT-P1 genannten Boliden wurden am Samstag nicht in den Manor -LKW gepackt, sondern in den in orange gehaltenen von Ginetta.
Ordentlich zur Sache ging es in der GTE-Klasse. Dort machten der Ford GT und der Porsche 911 RSR in Spa-Francorchamps ganz klar die Pace. Gerade diese beiden Modelle sind es, die für 2018 nicht neu aufgelegt wurden. Und beide Hersteller konnten über den Winter große Fortschritte bei der Reifennutzung vorzeigen. Den Ausschlag für Ford und gegen Porsche gab letztendlich, dass der amerikanische Wagen von Stefan Mücke, Olivier Pla und Billy Johnson zu Rennende frischere Reifen zur Verfügung hatte.
Bislang war Ferrari Klassenprimus bei der Reifennutzung. Doch die Italiener fühlten sich (hinter vorgehaltener Hand natürlich) im Winter mit der Zusammenarbeit mit Klassenausrüster Michelin etwas benachteiligt. Und nur weil der Wagen von Davide Rigon/Sam Bird zu Rennende noch zwei Pneus montieren konnte, die zuvor nur in der Qualifikation kurz genutzt wurden, konnte überhaupt noch das Podium erreicht werden.
Insgesamt stellt sich aber trotzdem die Frage, warum in einer so spektakulären Klasse wie der GTE überhaupt ständig über die Reifen geredet werden muss. Was ist der Mehrwert davon, pro Auto in Quali und Rennen nur jeweils 18 Pneus zuzulassen. Bei den insgesamt abgerufenen Budgets für einen GTE-Einsatz können es sicherlich keine Kostengründe sein. Warum lassen die Regelhüter die GTE-Boliden nicht einfach frei von Reifenregeln aufeinander los, sodass am Ende der Schnellste gewinnt? Genau das macht doch den Motorsport aus!
Und wenn wir gerade beim Thema Politik sind. Immer gerne genommenes Thema ist in diesem Zusammenhang die BoP. Und da das Serien-Highlight, die 24 Stunden von Le Mans, als nächstes im WEC-Kalender stehen, ließ es kaum ein Hersteller aus, hier in die eigene Richtung ausgelegte Argumente zu verbreiten. Keiner will beim Klassiker an der französischen Sarthe, bei welchem die automatisierte BoP nicht angewandt wird, im Hintertreffen sein. Denn ein Klassensieg in Le Mans ist halt immer noch wichtiger, als jedes andere WM-Rennen.