Raffaele Marciello: Lieber Urlaub als Formel 1
Raffaele Marciello: «Man braucht Geld, um einen Platz in der Formel 1 zu bekommen»
Dass Raffaele Marciello zu den schnellsten Formelsport-Talenten im Haifischbecken der Nachwuchsklassen gehört, hat der in Zürich geborene Italiener schon mehrfach bewiesen: Nachdem er 2010 in der Einsteigerserie Formula Abarth den dritten Gesamtrang holte und im Folgejahr in der italienischen Formel 3 das gleiche Kunststück schaffte, stieg er 2012 in die europäische Formel-3-Meisterschaft auf und holte sich den zweiten Gesamtrang.
2013 sicherte sich der 21-Jährige dann den Titel in der FIA-Meisterschaft, bevor er in der GP2 und damit im Rahmen der Formel-1-Stars ausrückte. 2014 gab es im Debütjahr mit Racing Engineering den achten Gesamtrang, die folgende Saison schloss Marciello im Trident-Renner auf dem siebten Tabellenplatz ab, während er nebenbei als Sauber-Testfahrer Formel-1-Luft schnuppern durfte.
Doch das GP-Abenteuer war nach nur einem Jahr vorbei und im Januar bestätigte Marciello nicht nur seinen Abgang beim Sauber-Team, sondern auch das Ende seines Daseins als Nachwuchstalent von Ferrari. Der älteste Formel-1-Rennstall der Welt hatte ihn 2010 ins Nachwuchsprogramm «Ferrari Driver Academy» aufgenommen.
In diesem Jahr absolvierte «Lello», wie Marciello von seinen Fans und Freunden genannt wird, sein drittes GP2-Jahr, das er als Gesamtvierter abgeschlossen hat. Trotz des Erfolgs hat er seinen Traum vom Formel-1-Aufstieg jedoch begraben. Denn für ein Cockpit in der Königsklasse müsse man zu viel Geld in die Hand nehmen, betont er im Gespräch mit dem Kollegen von Motorsport.com: «Ich schätze meine Chancen sind Null. Denn man braucht zehn bis fünfzehn Millionen Dollar, und ich habe dieses Geld nicht, deshalb gibt es für mich auch keine Formel 1.»
Marciello klagt: «Du brauchst immer Geld, und deshalb müssen wir realistisch bleiben und nicht irgendwelchen Blödsinn zusammenträumen. Man braucht Geld, um einen Platz in der Formel 1 zu bekommen, wenn das nicht da ist, gibt es auch keine Grands Prix. Es ist wichtig, dass man keine andere Gelegenheit sausen lässt, nur weil man von etwas Unrealistischem träumt.»
Der Nachwuchsfahrer aus Italien erklärt auch trotzig: «Ich habe in meiner Nachwuchskarriere einen guten Job gemacht und die Formel 3 gewonnen. Viele der Fahrer, die ich dort geschlagen habe, sind nun in der Königsklasse unterwegs, deshalb denke ich, dass ich das auch verdient habe. Aber ich werde wohl einen anderen Karriereweg einschlagen.»
Dass Italien seit 2011 nicht mehr in der Startaufstellung der Formel 1 vertreten ist, liege vor allem an der fehlenden Unterstützung seitens der Wirtschaft, ist Marciello überzeugt: «Wir werden von unserem Verband zwar unterstützt, aber die Beiträge sind längst nicht so gross wie in anderen Ländern. Vielleicht sollten uns auch einige grosse Unternehmen mehr helfen. Denn wir brauchen ja nur am Anfang Geld, sobald wir bewiesen haben, dass wir was können, kommen wir auch ohne finanzielle Unterstützung aus.»
Und Marciello stellt klar: «Aber zehn Millionen Dollar für eine Saison auszugeben ist einfach bescheuert. Wenn ich zehn Millionen Dollar hätte, würde ich mir damit kein Cockpit in der Formel 1 kaufen. Ich würde das Geld für mich behalten und bis an mein Lebensende Urlaub machen. Da stimmt doch etwas mit dem System nicht, und das ist schade.»