Keine Frauen in Formel 1: Analyse von Michèle Mouton
Die Italienerin Giovanna Amati verpasste im Frühling 1992 mit einem Brabham drei Mal die Qualifikation, dann musste sie gehen. Die Schottin Susie Wolff fuhr für Williams 2015 einige Freitagtrainings, aber ein Einsatz als GP-Fahrer war nie geplant.
Im Zuge ihres Rücktritts hatte Wolff Anfang des Jahres ein Projekt gestartet, um mehr Frauen für den Rennsport zu begeistern – mit dem ultimativen Ziel natürlich, die erste Frau am Start eines Formel-1-GP zu haben seit der Italienerin Lella Lombardi 1976 in Österreich, also vor mehr als vierzig Jahren!
«Traue dich, anders zu sein» («Dare To Be Different») nennt sich Wolffs Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem britischen Motorsportverband MSA gegründet wurde. Motorsport soll damit für Mädchen attraktiv gemacht werden. «Ich glaube, dass wir nach unseren Stärken definiert werden und nicht nach unserem Geschlecht», sagte Wolff.
Michèle Mouton, 1982 Zweite der Rallye-WM hinter Walter Röhrl, setzt sich beim Autoverband FIA für die Rechte der Frauen im Rennsport ein. Sie ist skeptisch, was die Zukunft für Frauen in der Formel 1 bringen wird. Das Hauptproblem wie für viele Nachwuchsfahrer: das Budget.
«Die Mädchen werden besser und besser, aber wie auch die Jungs brauchen sie ein Budget und gleichwertiges Material, um Erfolg zu haben und das ist nicht einfach», sagt die Französin gegenüber motorsport.com: «Die Mädchen leiden besonders unter mangelndem Budget. Da gibt es zum Beispiel Lucile Cypriano, die vergangenes Jahr gegen 34 Jungs den SEAT Leon Eurocup gewonnen hat. Dieses Jahr hat konnte sie kein Budget für die Saison finden. Sie hat das Potenzial, aber was kann man machen?»
Mouton lobt das Projekt von Susie Wolff, die glaubt, dass in zehn Jahren eine Frau in der Formel 1 fährt. «Wir müssen uns das Ziel setzen, dass es so sein wird, ich denke aber, dass es schwierig ist, einen Zeitpunkt zu nennen. Sie müssen die gleichen Chancen bekommen wie die Jungs, und das hängt sowohl vom Budget ab als auch davon, die richtige Person zu finden. Das ist nicht so einfach», so Mouton, die 1981 bei der San-Remo-Rallye zur ersten Frau wurde, die einen Rallye-WM-Lauf gewinnen konnte.
Sollte es eine Frau in Zukunft in die Motorsport-Königsklasse schaffen, glaubt Mouton allerdings nicht, dass diejenige dann auch noch vorne mitfahren kann. In diesem Zusammenhang erklärt sie auch einen signifikanten Unterschied zwischen Männern und Frauen. «Wir sind psychologisch anders und dieser Unterschied macht sich bemerkbar, wenn es um Top-Speed geht. Wenn man vier Jungs und ein Mädchen auf einer Strecke ein Formel-1-Auto testen lassen würde und ihnen sagt, dass eine bestimmte Kurve Vollgas geht, dann würden die Jungs sofort mit Vollgas da durchfahren. Das Mädchen würde versuchen, selbst herauszufinden, ob sie voll geht. Das bedeutet nicht, dass sie es nicht kann, es bedeutet nur, dass es da einen kleinen Unterschied gibt, wenn es darum geht, Höchstgeschwindigkeit zu fahren.»