Formel 1: Wie mutig ist Ferrari?

Ferrari von Sebastian Vettel: So gut ist sein Auto

Von Mathias Brunner
​Ist die flotte Gina von WM-Leader Sebastian Vettel titelverdächtig? Der Grieche Nikolas Tombazis (49), von 2006 bis 2014 leitender Designer von Ferrari, beurteilt den 2017er Renner des Deutschen.

In den letzten Jahren ist bei Ferrari kein Stein auf dem anderen geblieben. Fast die komplette Führungsriese ist ausgetauscht. Viele langjährige Mitarbeiter mussten ihren Hut nehmen: Teamchef Stefano Domenicali im Frühling 2014, Motorenchef Luca Marmorini im Sommer danach, Präsident Luca Montezemolo im Spätsommer, um nur die wichtigsten drei zu nennen, dann – nach nur sieben Monaten – Teamchef Marco Mattiacci im Herbst, ersetzt durch Maurizio Arrivabene. Im Dezember 2014 wurde auch Chefdesigner Nikolas Tombazis in die Wüste geschickt. Ihm wurde vorgeworfen, jahrelang zu konservativ entwickelt zu haben.

Schon als Vettel 2015 seine ersten drei Grands Prix für Ferrari gewann, trompetete Tombazis: «Das ist mein Auto.» Der Grieche wechselte zu Manor, aber der kleine britische Rennstall musste zusperren, seither gilt Tombazis als Formel-1-arbeitslos. Gegen die Vorwürfe von damals wehrt sich der erfahrene Techniker gegenüber meinem Kollegen Andrea Cremonesi von der Gazzetta dello Sport, er sei nicht nur Projektleiter in jenen Jahren gewesen, als Ferrari mit Alonso ein ums andere Mal am Titel vorbeischrammte, sondern auch 2007 und 2008, als Kimi Räikkönen Weltmeister wurde und als 2008 der Konstrukteurs-Pokal eingefahren wurde und Felipe Massa wenige Sekunden nach seinem Sieg Weltmeister war – bis Lewis Hamilton ins Ziel kam.

Vielleicht ein gutes Omen: Wie 2007 und 2008 hat Ferrari nun zwei der ersten drei Saisonrennen gewonnen. Nikolas erinnert sich: «Damals kam es uns wie eine Ewigkeit vor, seit wir mit Michael Schumacher all diese Titel geholt hatten. Die Siege zu Beginn der Saison gaben uns Selbstvertrauen. Aber die GP-Triumphe von Vettel heute sind wertvoller, weil sie mit einer komplett überholten Organisation errungen worden sind.»

Tombazis sagt, was die Gina von Sebastian Vettel so flott macht: «Ich erkenne Fortschritte vor allem in drei Bereichen – Aerodynamik, Mechanik und Motor. Selbst wenn ich Ferrari vom rohen Speed her noch nicht ganz auf dem Niveau von Mercedes vermute. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Mercedes zwei von drei Rennen aufgrund strategischer Fehler verloren hat. Aber die Tatsache, dass Mercedes in Sachen Strategie patzt, zeigt mir, dass sie von Ferrari tüchtig unter Druck gesetzt werden. Nach drei Jahren Dominanz sind sie einen engen Infight nicht mehr gewöhnt.»

«Für mich haben die drei Top-Teams bislang Leistungen gezeigt, die unter ihren Möglichkeiten liegen. Ich hätte einen grösseren Fortschritt zu den Rundenzeiten vom vergangenen Jahr erwartet. Der Abstand zum langsamsten Auto müsste grösser sein – weil die Top-Teams für das neue Reglement aus dem Vollen schöpfen konnten. Da ich grosses Entwicklungspotenzial wittere, ist für mich der WM-Kampf komplett offen. Weltmeister wird, wer am effizientesten entwickeln kann.»

«Ich würde auch Red Bull Racing nicht abschreiben. Sie verfolgen ein ganz anderes Konzept als Ferrari und Mercedes. Schaut euch an, wie sauber der Wagen im Bereich der Seitenkästen ist, simpel und effizient. Ich erkenne hier viel Raum für Verbesserungen, also erwarte ich von den Engländern noch eine Menge.»

Zu Ferrari meint der Grieche: «Das neue Organigramm ist sehr clever, die Mitarbeiter haben mehr Freiheiten erhalten. Ich glaube zwar nicht, dass es eine englische Schule oder eine italienische Schule gibt, aber Ferrari hat tolle Mitarbeiter, die offensichtlich derzeit hervorragend zusammenarbeiten.»

«Der neue Technikchef Mattia Binotto war für seine Aufgabe prima vorbereitet, ein ganz wertvoller Mann, organisatorisch herausragend. Ich hatte ihn für diesen Posten zwar nicht auf der Rechnung, aber rückblickend war es in brillanter Schachzug.»

Glaubt auch Tombazis, dass der Mercedes die Reifen eher auffrisst als der Ferrari? «Das könnte schon sein, aber ich glaube, den Vorkommnissen in Australien wurde zu viel Bedeutung beigemessen. Nach dem Boxenstopp in Melbourne lag er hinter Verstappen, dabei hat sich Lewis die Reifen ruiniert.»

Der Grieche blickt ohne Bitterkeit zurück: «Für Ferrari zu arbeiten, war eine grandiose Erfahrung. Auch wenn mir zum Schluss vielleicht zu viele Verantwortung aufgebürdet wurde. Ich hätte mich in einer Struktur wie heute besser einbringen können.»

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