Formel 1 2018: 7000 Tonnen Material auf Weltreise!
DHL kümmert sich um die wertvolle Formel-1-Fracht
In den Rennwagenwerken brennen derzeit auch nachts die Lichter: Die Teams arbeiten fieberhaft an der Fertigstellung der 2018er Autos, ab 26. Februar beginnen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya die Wintertests.
Was ich immer wieder kurios finde: Während die mächtigen Renntransporter der zehn Teams noch nicht mal den Weg nach Katalonien unter die Räder genommen haben, schaukelt ein Teil des Formel-1-Materials längst Richtung Australien. Die Teams transportieren einen erheblichen Teil des Materials jeweils mit Seefracht zu den Übersee-GP. Wir sprechen hier von allem, was nicht bis kurz vor dem Einsatz benötigt wird: also Kleidung, Boxeneinrichtung, Lebensmittel, Kraftstoff, Telekommunikationsgeräte und so fort.
Formel-1-Logistiker DHL und die Fachleute der GP-Rennställe arbeiten bei den Übersee-GP wie dem WM-Auftakt in Melbourne (Australien) vom 25. März mit sechs Grossraum-Frachtjets, mehr als ein Dutzend Sattelschlepper bringen das Material dann am Zielort vom Flughafen zur Rennstrecke. In Spezial-Containern befinden sich 20 Wagen so viel Gewicht, als würden 300 Elefanten auf die Reise nach «down under» gehen.
Die Formel 1 fliegt nicht in 80 Tagen um die Welt wie die Romanfiguren im Buch von Jules Verne. Das kann der Grand-Prix-Tross schneller. Im Juni 2016 verpackten die fleissigen Mechaniker in Montreal (Kanada) bis in die Nacht auf Montag ihr ganzes Material, keine 48 Stunden später war die Box im fernen Baku (Aserbaidschan) schon fast fertig eingerichtet!
Gerrard O’Reilly, Team-Koordinator von Red Bull Racing, gibt Einblicke: «Mehr als 20.000 Teile umfasst das Equipment eines Rennteams. Und wir müssen zu jedem Zeitpunkt wissen, wo sich was befindet.» Dann grinst er: «Nichts geht jemals verloren – es wird höchstens verlegt.»
Die grösste logistische Herausforderung stellt der Glamour-GP von Monaco dar. Im Hafenstädtchen ist die Platznot das grösste Problem der Teams. O’Reilly sagt aber auch: «Man muss ausserhalb der Norm denken, das macht es auch interessant. Wir versuchen unser Konzept jeweils von Jahr zu Jahr zu verbessern. Es ist schon eine beachtliche Leistung, die man gut erkennt, wenn man mal ausserhalb des Rennwochenendes im Hafenbecken steht. Da fragt man sich dann: Wie zum Teufel haben die das alles da reinbekommen?»
Seit 2017 ist die Aufgabe von O’Reilly noch komplexer, ohne dass die meisten Zuschauer etwas davon mitgekriegt haben. Denn die neue Formel 1 – andere Flügel, grössere Räder – hat auch die Transportkosten verschärft. Ganz zu schweigen davon, dass in den Werken die Renntransporter angepasst werden müssen, um die breiteren Autos zu den europäischen Pisten zu bringen.
Die meisten Rennställe arbeiteten für 2017 mit komplett neuen Transportkisten, anderen Behältern für die Räder, neuen Rollwagen für die Arbeit vor Ort wie den Transport der Pirelli an den GP-Schauplätzen. Breitere Autos, das bedeutet auch weniger Platz in der Box für die Mechaniker. Also haben sich die Teams bei der Einrichtung der Boxenanlagen noch klugere Lösungen ausgedacht. Neu natürlich auch alle Messgeräte der Rennställe um sicherzustellen, dass ihre Autos von den Dimensionen her den FIA-Anforderungen entsprechen.
Über Geld redet in der Formel 1 keiner. Aber die ganzen Anpassungen der zehn GP-Teams sind addiert im hohen zweistelligen Millionenbereich anzusiedeln. Die neue Formel 1 soll die Schnellste aller Zeiten werden. Gut möglich, dass sie auch die Teuerste ist.
Nach den Testfahrten von Abu Dhabi sind in der Formel 1 die Motoren verstummt – bis zum Beginn der Wintertests 2018. Aber in den Rennwerken brennt auch in der Nacht das Licht, so wie bei McLaren.
Einen Tag nach dem WM-Finale von Abu Dhabi kamen die Rennwagen samt Frachtcontainern aus Arabien ins McLaren-Werk von Woking zurück. Im McLaren Technology Centre wurde Tag und Nacht ausgepackt. Tom Briggs, «Team Leader Support Crew» bei McLaren Racing: «Das komplette Material wurde untersucht. Ein Teil der Fracht-Container wurde danach zu den Herstellern geschickt, um sie zu reparieren oder zu warten.»
«Das komplette Material wird jeweils zerlegt und geprüft. Wir müssen entscheiden, ob Reparaturen oder Service notwendig sind und was neu lackiert werden muss. Wir sprechen hier von ungefähr 20 Tonnen Material. Wir haben nicht die Kapazität, das alles bei uns zu erleidigen, also geben wir das ausser Haus – zu fünf Spezialisten im ganzen Land.»
Briggs hat die Übersicht, welche McLaren-Mitarbeiter sich um welche Teile kümmern. «Alleine schon die Tankanlagen müssen bis zur letzten Schraube auseinandergenommen werden. Die Pumpen werden gewartet, die Kühlanlage wandert zum Hersteller, um alles zu prüfen. Die Anlage wird frisch lackiert.»
«Alle unsere Rennräder wandern aufs Altenteil. Die Sensoren hingegen werden wiederverwendet. Die Reifendecken verwenden wir ebenfalls weiter, sie werden aber alle überholt.»
«Reifenmessgeräte wandern zurück zum Hersteller. Die Mechaniker leeren sämtliche Werkzeugkästen, sie erhalten ebenfalls frische Farbe. Dann werden sie frisch gefüllt, um für den ersten Wintertest bereit zu sein.»
«Alles, was die Fans bei uns an der Rennstrecke sehen, wird gewartet: Die komplette Einrichtung, der Kommandostand, die Tanke, die Schlagschrauber. Messgeräte werden frisch kalibriert. Wagenheber werden auf Haarrisse untersucht. Wenn wir aufrechnen, um wie viele Teile sich jeder Mitarbeiter kümmert, Inspektion und Wartung, dann kommen wir pro Mann leicht auf eine vierstellige Zahl.»
McLaren hat in der Saison 2017 pro Rennen im Schnitt 33,5 Tonnen Material um die Welt geschickt.
Multiplizieren wir das mit Anzahl Rennen und Rennställen, rechnen wir ferner das Material der FIA und von Formula One Management (FOM) hinzu, kommen wir auf die flockige Zahl von 7000 Tonnen, welche in der Formel 1 über das ganze Jahr um die Welt transportiert wird. Was ungefähr 7000 VW Golf entspricht.
Briggs weiter: «Die Arbeit im Werk ist so auf Formel-1-Speed wie an den Rennstrecken. Wenn wir etwas lackieren lassen müssen, und die Spezialfirma meint, dass sie das innerhalb eines Monats erledigen kann, dann lautet unsere Antwort: „Wir brauchen das nächste Woche.“ Alles muss im Turbo-Tempo erledigt sein, um die Fracht nicht zu verzögern.»
«Bis Ende Dezember haben wir alles zerlegt und teilweise versandt. Im Januar ist alles zurück und muss entweder verpackt und als Seefracht verschickt oder für die Saison vorbereitet werden.»
Den Mechanikern ist auch sonst nicht langweilig: Sie üben im Werk fleissig Boxenstopps – zwei Mal am Tag. Sie sind zudem zwei Mal die Woche in der Kraftkammer.
Briggs: «Wir arbeiten so hart, um für die Tests und die Rennen bereit zu sein. Letzlich geht es nur darum. Wenn ich mich im Werk umhöre, dann ziehen die meisten Mitarbeiter die Arbeit auf Achse der Arbeit im Werk vor. Auch wenn wir natürlich viele Fachkräfte haben, die ausschliesslich im Rennwagenwerk tätigt sind. Aber ich schätze, der überwiegende Teil der Mitarbeiter fiebert der neuen Saison so entgegen wie ein Fan zuhause.»
Team-Präsentationen
22. Februar: Ferrari (Internet)
Wintertests 2018
26. Februar bis 1. März: Cirucit de Barcelona-Catalunya
6. bis 9. März: Circuit de Barcelona-Catalunya
Testfahrten innerhalb der Saison
15./16. Mai: Cirucit de Barcelona-Catalunya
31. Juli/1. August: Hungaroring
Formel-1-WM 2018
25. März: Australien (Melbourne)
8. April: Bahrain (Sakhir)
15. April: China (Shanghai)
29. April: Aserbaidschan (Baku)
13. Mai: Spanien (Barcelona)
27. Mai: Monaco (Monte Carlo)
10. Juni: Kanada (Montreal)
24. Juni: Frankreich (Le Castellet)
1. Juli: Österreich (Spielberg)
8. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
22. Juli: Deutschland (Hockenheim)
29. Juli: Ungarn (Budapest)
26. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
2. September: Italien (Monza)
16. September: Singapur
30. September: Russland (Sotschi)
7. Oktober: Japan (Suzuka)
21. Oktober: USA (Austin)
28. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
11. November: Brasilien (São Paulo)
25. November: Abu Dhabi (Insel Yas)