«The Voice» Jochen Luck: Stimme der Deutschland-GP
Jahrzehntelang war Jochen «The Voice» Luck als Streckensprecher auf allen deutschen Rennstrecken allgegenwärtig. Mit 91 Jahren ist er immer noch treuer GP-Besucher.
Jochen Luck und seine Gattin Hildegard sind aus dem MotoGP-Fahrer nicht wegzudenken. «Wir möchten auch in diesem Jahr nach Jerez, Mugello, Misano, vielleicht auch nach Le Mans, Assen, zum Sachsenring und nach Le Mans kommen», kündigte Jochen Luck am Wochenende gegenüber SPEEDWEEK.com an. «Vielleicht fahren wir auch nach Brünn.»
Diese Rennbesuche wären nichts Besonderes, wäre Jochen Luck nicht am 23. September 91 Jahre alt geworden!
Mindestens genauso bemerkenswert ist die Tatsache, dass Luck auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch im Privatauto von Kassel nach Mugello, Misano oder Le Mans fährt.
«Im vergangenen September sind wir am Donnerstag in einem Stück nach Misano gefahren, ohne Navi, die Richtung gibt meine Frau Hildegard am Beifahrersitz vor», schilderte Jochen Luck.
Letztes Jahr im Mai erschien das Ehepaar Luck völlig entgegen seiner Gewohnheit nicht beim Jerez-GP. «Früher konnten wir von Paderborn günstig nach Jerez fliegen, das ist 80 km von unserer Wohnung weg. Doch diesen Flug gab es 2017 nicht mehr. Wenn es einen Flug von Paderborn über Mallorca gibt, dann kommen wir nach Jerez. Wenn das nicht klappt, fahren wir ganz sicher mit dem Auto nach Mugello», sagt Luck. «Von Frankfurt weg fliegen wir nicht gern, das ist zu weit weg von Kassel, das Parken ist sehr teuer. In Paderborn kann man gut parken, und es kostet es nur 2 Euro am Tag. Das geht ja.»
Ungewohnt war eine gesundheitliche Unpässlichkeit im vergangenen Frühjahr. «Zuerst dachten die Ärzte, ich hätte einen Herzinfarkt erlitten. Aber es war nur ein Bluterguss im Gehirn», erzählt der rüstige Luck, der jeden Österreicher mit «Habe d’Ehre» begrüßt und im Paddock alle Neuigkeiten mitverfolgt. Auch ein täglicher Spaziergang rund um die Strecke gehört zur Pflicht.
Beim Misano-GP 2017 schilderte Jochen Luck, dass er immer noch von September bis März zweimal pro Woche Eislaufen geht. Aber das hat in diesem Winter nicht mehr so richtig geklappt.
«Mensch, Eislaufen war ich diesen Winter noch gar nicht so richtig. Mein Seniorenlauf, zu dem ich früher immer hingegangen bin, findet jetzt nur noch einmal pro Woche statt. Ich hab’s ein- oder zweimal probiert, doch es hat mir nicht mehr gefallen, weil ich so langsam geworden bin. Deshalb bin ich nicht mehr hingegangen», erzählt er lachend. Dann ergänzte er: «Mein BMW-Motorrad hab’ ich jetzt auch verkauft.»
Alle lieben Gewohnheiten gibt Jocken Luck aber nicht auf. «Ich muss jetzt weg, ich muss zum Eishockeyspiel Kassel gegen Freiburg, das ist 2. Liga», sagt er am Telefon.
Jochen Luck: Auch bei der Formel 1 eine Legende
Den jungen Motorsport-Fans ist Jochen Luck wohl kein Begriff. Kein Wunder. Es ist schon eine Weile her, dass er unter dem Künstlernamen «The Voice» in Deutschland als Streckensprecher legendär wurde.
Jochen «The Voice» Luck. Man muss schon ein langjähriger Motorsportfan sein, um mit diesem Namen noch etwas anfangen zu können.
Er hat als Streckensprecher 1957 sein erstes Formel-1-Rennen kommentiert. Das erste Sandbahnrennen hat er 1949 in Kassel als Streckensprecher begleitet. Die Statistik liest sich eindrucksvoll: Bei 22 Formel-1-GP auf dem Nürburgring und auf dem Hockenheimring hat Luck die Zuschauer als Streckensprecher informiert und unterhalten, die Begrüßungsformel für die Fahrer ging ihm in 16 unterschiedlichen Sprachen von der Hand.
Die klare, prägnante, feste Stimme war unverkennbar – und ist es bis heute.
Und Luck war vielseitig. Insgesamt hat er 32 Motorrad-GP in Deutschland kommentiert, dazu zehn Grand Prix in Assen/NL.
Er saß 19 Mal beim 1000-km-Sportwagenrennen auf dem Nürburgring vor dem Mikrofon. «Und meine Frau Hildegard hat 35 Jahre lang neben mir penibel die Rundenliste geführt», lobt Jochen Luck, Jahrgang 1925, seine wesentlich bessere Hälfte. Noch heute kutschiert er mit seinem Renault Espace samt Gattin wie in jungen Tagen zu den Motorrad-GP in Barcelona, Brünn, Assen oder Misano. Mit 91 Jahren! Er trägt ein T-Shirt von Marc VDS, Frau Luck eines von Márquez und Sponsor Estrella Galicia 0,0.
«Bei meinem ersten Formel-1-Rennen 1957 hat Fangio seinen fünften WM-Titel gewonnen», erinnert sich der Jubilar. Und er hat den Argentinier sogar einmal besiegt – beim Kegeln. «Beim Nürburgring-GP hat immer ein Wettkegeln zwischen Journalisten und Rennfahrern stattgefunden», blickt der rüstige Senior zurück. «Ich konnte überhaupt nicht kegeln. Fangio hat alle Neune umgeworfen. Bei mir blieb ein Kegel stehen, ich hielt das für eine gute Leistung bei einem blutigen Anfänger. Dann hat mir jemand gesagt, das sei ein Kranz, ich hätte also gewonnen...»
Als Preis stand eine Schiffsreise oder ein Autoradio zur Auswahl. Doch Luck nahm sich lieber ein Bild von der Wand. «Denn wir haben uns damals gerade eine neue Wohnung eingerichtet. Pressechef Lucky Scheuer sagte: ‚Was willst du mit dieser Feldherrenhalle?’ Er hat nicht gewusst, dass die Notre Dame abgebildet war. Viele Jahre später habe ich erfahren, dass das Bild sehr wertvoll ist...»
Luck lebte in seiner Jugend vier Jahre in Prag, weil sein Vater dort berufstätig war. Dort spielte er mit 16 Jahren Eishockey – und brachte es 1941 bis in die Jugendnationalmannschaft. «Ich habe zehn Jahre Eishockey gespielt. «Das hat mir zehn Jahre Russland im Krieg erspart», seufzt er mit Dankbarkeit in der Stimme.
Jochen Luck machte den Kommentatoren-Job in all den vielen Jahre immer nebenberuflich; er war in Kassel 27 Jahre Verkaufsleiter bei Mercedes-Lkw und nachher elf Jahre Verkaufsleiter bei MAN in Kassel.
Für unser Foto lief er so lange durchs Fahrerlager, bis er einen hübschen MAN-Truck fand – vom Ducati-Werksteam. «MAN gehört ja inzwischen wie Audi und Ducati zum VW-Konzern», betonte Luck, der immer auf dem Laufenden ist und im GP-Sport immer noch das Gras wachsen hört.
Jahrelang hat er der Dorna günstige MAN-Deals für ihre Lkw besorgt, deshalb muss er sich keine Sorgen um seine permanenten Tickets machen. Reich geworden ist Luck mit dem Streckensprecher-Job nicht. «Meistens habe ich fürs Wochenende 500 Mark ohne Spesen bekommen, beim Formel-1-GP 2000 Mark», rechnet er vor. «Manchmal ist nach der Steuer nicht viel übrig geblieben.»