Hockenheim: 60.000 Tickets verkauft, Zukunft offen
Düstere Wolken über Hockenheim
Reich werden die europäischen Rennveranstalter mit dem Grand-Prix-Zirkus nicht. Selbst wenn die Verträge von GP-Klassikern wie den Rennen in Deutschland, Monaco, Belgien, England und Italien in Sachen Antrittsgebühr gnädiger sind als die Millionen-Abkommen mit Abu Dhabi, Singapur oder Aserbaidschan, kommen die Europäer nurt mit Ach und Krach über die Runden.
Die Botschaft von Hockenheim-Geschäftsleiter Georg Seiler ist glasklar: «Wir freuen uns, dass wir bereits 60.000 Tickets verkauft haben, damit dürfen wir zufrieden sein. Wir würden gerne den deutschen Grand Prix in Hockenheim behalten. Aber ein neues Abkommen muss für uns risikofrei sein. Wir können es uns einfach nicht leisten, bei der Formel 1 draufzulegen.»
Seiler hofft, er kann auf das Wort von Liberty-Media-Geschäftsleiter Sean Bratches zählen. Der in Berlin geborene US-Amerikaner arbeitet daran, das WM-Programm mit aufregenden neuen Orten zu bereichern. Miami wird 2019 mit grosser Wahrscheinlichkeit kommen, Hanoi (Vietnam) kommt wohl 2020. Bratches behauptete aber wiederholt, dass man die historisch wichtigen Grands Prix wie in Frankreich und Deutschland schützen werde. «Wir wollen diese Rennen nie mehr aus dem Kalender kippen.»
Hilfe von der Wirtschaft ist nicht zu erwarten. Mercedes-Teamchef Toto Wolff in Barcelona: «Deutschland ist der Kernmarkt von Mercedes. Natürlich ist es wichtig für uns, einen Grossen Preis von Deutschland zu haben. Aber wir werden uns nicht in die Verhandlungen zwischen GP-Verananstaltern und Formel-1-Führung einschalten.»
Mit Ausgabe 2018 erlischt das Abkommen zwischen der Formel 1 und der Hockenheimring GmbH. Marketing-Chef Jorn Teske: «Unter den bisherigen Bedingungen wird es nicht weitergehen. Wir brauchen ein neues Geschäftsmodell.» Das grösste Problem von Seiler, Teske und ihren Mitarbeitern: Hockenheim muss ohne staatliche Fördergelder auskommen. Teske weiter: «Liberty Media wird entscheiden müssen – wollen sie das grosse Geld oder glauben sie an den Wert und die Nachhaltigkeit traditioneller Rennen sowie an das automobile Schwergewicht Deutschland?»
Auch Formel-1-CEO Chase Carey hat mehrfach gesagt: «Wir sind uns dessen bewusst, dass Europa den Kern und das Erbe der Formel 1 verkörpert, wir wollen die traditionellen Rennen nicht verlieren.» Jetzt ist die Zeit, um zu solchen Worten zu stehen.
Die letzten beiden WM-Läufe in Hockenheim 2014 und 2016 wurden mit roten Zahlen abgeschlossen. 2018 werden alleine 10.000 niederländische Fans von Max Verstappen helfen, dass im Juli wohl rund 70.000 Formel-1-Zuschauer auf den Tribünen sitzen. Aber das reicht nicht, um mittelfristig ohne Unterstützung von Stadt, Regio und Staat einen Formel-1-WM-Lauf zu stützen. Der Umbau der Rennstrecke vor sechzehn Jahren belastet noch immer, daher ist unklar, ob 2018 mit plusminus Null abgeschlossen werden kann.
Derzeit ist die Zukunft völlig offen: Optimisten glauben an die Güte und Worttreue von Liberty Media und einen Deutschland-GP in jeder Saison. Realisten wittern ein neues Abkommen zu besseren Bedingungen, mit einem Rennen alle zwei Jahre, idealerweise im Wechsel mit dem Nürburgring. Pessimisten fürchten: Nach Ausgabe 2018 fällt für Deutschland der Vorhang.
Für Romantik ist in diesem Geschäft wenig Raum: Nach 2008 wurde das Traditionsrennen in Frankreich sang- und klanglos gestrichen.
Es dauerte zehn Jahre, bis es ins WM-Programm zurückfand.