MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Vettel (Ferrari) zu Mercedes-Vorwürfen: «Dämlich!»

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel mit dem Gold-Cup

Sebastian Vettel mit dem Gold-Cup

​Nach dem britischen Grand Prix herrschte dicke Luft im Fahrerlager von Silverstone: Mercedes unterstellt Ferrari schmutzige Taktik. WM-Leader Sebastian Vettel sagt: «Von Absicht zu sprechen, das ist dämlich.»

Sebastian Vettel hat die Lewis-Hamilton-Festspiele in Silverstone gründlich versalzen: Die meisten der 145.000 Fans hatten darauf gehofft, dass ihr Lokalheld das tolle England-Sportwochenende komplettieren würde – nach dem Halbfinal-Einzug der drei Löwen bei der Fussball-WM ein Heimsieg des Mercedes-Piloten, es wäre sein sechster Sieg in Silverstone gewesen und sein fünfter in Serie. Aber daraus wurde nichts. Kimi Räikkönen stubste Hamilton in der ersten Runde an, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Lewis kämpfte sich auf den zweiten Platz nach vorne, aber gegen Vettel war letztlich nichts zu machen.

Vettel hat Silverstone mit breiter Brust verlassen: «Wir hatten im Rennen das schnellste Auto. Auch wenn es Phasen gegeben hat, in welchen wir nicht ganz so flott unterwegs waren. Aber das geht teilweise auf meine Kappe, weil ich im ersten Teil des Rennens meinen Reifen zu viel abverlangt habe.»

Es lag tüchtig Ärger in der Luft nach dem Grossen Preis von Grossbritannien. Mercedes-Teamchef Toto Wolff stellte nach dem Rennen in den Raum, man müsse sich bei einer Aktion wie Räikkönen gegen Hamilton schon die Frage stellen, ob das nun Unfähigkeit oder Absicht sei.

Klar lässt das Silverstone-Sieger Sebastian Vettel nicht unkommentiert auf sich sitzen: «Solche Dinge können passieren. Es ist doch dämlich zu denken, dass so etwas Absicht ist. Ich könnte nie so präzise fahren, um einen Gegner derart geschickt aus dem Rennen zu schubsen. In Frankreich habe ich bei der Kollision mit Bottas meinen Frontflügel beschädigt, also habe ich mein eigenes Rennen versaut. Das ist hier Formel 1: Es ist leicht, einen Angriff zu starten, der gelingt, und alle loben dich nachher für das tolle Manöver. Aber genau so leicht geht es eben in die Hose, und du kannst eine Kollision nicht verhindern. Ich habe die Aktion nach dem Rennen gesehen und kann da wirklich keinen bösen Willen von Kimi erkennen. Ich finde es ein wenig unnötig, sich auf solch eine Diskussion einzulassen.»

«Uns Absicht zu unterstellen, das ist wirklich Quark. Das mag vielleicht von aussen den Anschein erwecken, so wie das in anderen Sportarten bisweilen auch vorkommt. Wir hatten bei der Fussball-WM keinen guten Auftritt, anschliessend hast du dann 80 Millionen Experten, die alle glauben, sie könnten es besser machen. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Es passieren Fehler, auch wenn das nicht so sein sollte, aber das bedeutet noch lange keine Absicht.»

Nach zwei Safety-Car-Phasen im letzten Renndrittel war die Ausgangslage prickelnd: An der Spitze Valtteri Bottas, von Mercedes nicht an die Box geholt, der Finne auf mittelharten Pirelli. Dahinter Sebastian Vettel auf weichen Reifen, Ferrari hatte sofort reagiert, als das Rennen neutralisiert werden musste (Unfall von Marcus Ericsson).

Wir haben Bottas ein paar Mal unterstellt, dass ihm der Killer-Instinkt abgehe. Aber gegen Vettel fuhr der Finne die Ellbogen raus. «Er wehrte sich wirklich mit Zähnen und Klauen», sagt Vettel dazu, der mit weicheren Reifen flotter fahren konnte. Vettel attackierte drei Mal, drei Mal parierte Bottas, aber dann stach Sebastian in Brooklands unwiderstehlich an die Innenseite des Silberpfeils. «Das war heftig», gab der Ferrari-Star nachher zu. «Ich hatte den Vorteil der weicheren Pirelli, aber Bottas hatte den Vorteil, freie Fahrt zu haben. Ich konnte immer wieder zu Valtteri aufschliessen, aber dann wurde es jeweils knifflig.»

«Er hat sich heftig gewehrt, aber bei der entscheidenden Attacke habe ich ihn wohl ein wenig überrascht. Aussen hatte es nicht geklappt, also probierte ich etwas Anderes. Ich lag ein wenig weiter hinten als zuvor, vielleicht hat er in jenem Moment nicht mehr mit einem Angriff gerechnet. Aber ich sah, dass sich eine kleine Lücke aufgetan hatte, und in die stach ich entschlossen hinein.»

Hand auf Herz: Hatte Vettel nicht Angst, dass er geradeaus rutschen würde? Immerhin war seine Attacke in Baku schiefgegangen. Vettel: «Ehrlich gesagt wusste ich nicht, ob ich die Kurve schaffte, zum Glück ist mir das gelungen. Danach konnte ich ein kleines Polster herausfahren und die Situation kontrollieren, zum Schluss habe ich sogar Leistung heruntergeschraubt, um das Material zu schonen.»

Bottas war da kein Gegner mehr: Der Finne rutschte im wahrsten Sinne des Wortes auf Rang 4 zurück, die Reifen waren am Ende.

Vettel: «Als sich Mercedes dazu entschloss, ihre Fahrer nicht zum Stopp hereinzubringen, war mir klar – ich musste einen Weg vorbei an Bottas finden. Einfach war es nicht, aber es ist umso süsser, dass es geklappt hat.»

Es fiel auf, wie aufmerksam sich Sebastian Vettel auf dem Siegerpodest die Gold-Trophäe angeschaut hat, die hier alle «Gold Cup» nennen.

Ein wenig Historie: Die Auszeichnung des Königlich Britischen Automobilklubs (RAC) besteht aus Gold-beschichtetem Silber und heisst offiziell «Royal Automobile Club Trophy». Der Pokal steht während des Jahres beim Royal Automobile Club (genauer: im Klubhaus «Pall Mall» im Londoner Stadtteil St James) und kommt nur fürs Silverstone-Rennen oder für Medientermine ins Freie. Aus der Nähe sind auf dem Pokal im viktorianischen Stil Hinweise auf den Automobilklub sowie auf das Eton College zu erkennen. Am Sockel eingraviert sind alle GP-Sieger seit 1948, als nach dem Zweiten Weltkrieg der erste Grand Prix auf dem früheren Flugfeld von Silverstone ausgetragen wurde. 2006 musste der Sockel vergrössert werden, weil der Platz alle war. Die Trophäe ist 64 Zentimeter hoch und wiegt sieben Kilogramm. Wieviel der Pokal wert ist, darüber redet der RAC nicht gerne.

Vettel erzählt: «Ich sah mir den Gold-Cup an und die Sieger hörten bei 2005 auf. Ich dachte: „Nanu, wo sind die letzten dreizehn Jahre hingekommen?“ Später dann hat man mir den Sockel gezeigt, der in der Eile nicht angebracht worden war. Silverstone ist eine ganz besondere Rennstrecke, die Rennen hier sind immer gewaltig, das Publikum ist einzigartig. Da passt es hervorragend, dass die Siegertrophäe eben auch ihre eigene Geschichte hat.»

Jetzt mal ehrlich: Empfindet Vettel nicht ein wenig schadenfreudige Genugtuung, dass er Hamilton das Heimspiel vermasselt hat? Vettel: «Ich dachte im Rennen nie an so etwas. Wichtig war, dass wir ein gutes Ergebnis einfahren. Und vor dem Rennen hatte ich ein wenig Muffe, ob mein Nacken halten würde. Aber schon am Rennmorgen fühlte ich mich viel besser als am Samstag, und im Grand Prix spürte ich wegen des Adrenalinrausches vom Nacken nichts mehr. Nach dem Rennen wollte ich einfach die Atmosphäre geniessen, die ist in Silverstone einzigartig, so wie die Rennstrecke auch. Jeder Fahrer tritt gerne hier an. Das Publikum ist eine Wucht, das ganze Wochenende über hat das Wetter gestimmt, und ich schätze, die Leute haben ein schönes Rennen erlebt. Wichtiger als die Tatsache, Lewis geschlagen zu haben, ist für mich – wir hatten das wohl beste Auto, das war in den letzten Jahren hier nicht so, und das macht Laune für den weiteren WM-Verlauf.»

Wie geht es weiter? Sebastian Vettel: «Wir werden auch in Hockenheim bei der Musik sein. Für Ungarn gehe ich davon aus, dass wir uns nicht nur mit Mercedes herumschlagen müssen, sondern dass sich dort auch Red Bull Racing einmischen wird. Die sind auf Pisten mit hohem Abtrieb immer stark, siehe Monaco. Wir müssen eine hohe Schlagzahl halten, was die Entwicklung angeht. Dann wird auch in der Weltmeisterschaft alles gut.»

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