Mark Webber: «Vettel trägt Ferrari auf den Schultern»
Sebastian Vettel und Mark Webber in Australien 2017
Mark Webber hetzt auf einer Treppe in Silverstone an mir vorbei. Es reicht nur für ein kurzes Hallo und einen Handschlag – der Australier ist noch immer ein gefragter Mann, selbst wenn seine aktiven Tage auf der Rennpiste vorbei sind. Der inzwischen 41jährige Australier beobachtet mit Begeisterung das WM-Duell zwischen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton. Mark ist jahrelang gegen die beiden vierfachen Weltmeister gefahren, ab 2007 als Pistengegner von Hamilton, von 2009 bis 2013 als Stallgefährte von Sebastian Vettel bei Red Bull Racing.
Der neunfache GP-Sieger Webber hat immer eine Schwäche für Silverstone gehabt. Er hat in der Formel Ford hier vor 22 Jahren sein erstes Rennen in Europa gewonnen, 2010 und 2012 gewann er den britischen Grand Prix. Unvergessen, wie er 2010 anschliessend in den Funk knurrte: «Nicht schlecht für eine Nummer 2.» Webber war mit ordentlicher Wolle im Bauch gefahren – das Team hatte dem jungen Vettel den neuen Frontflügel zugeschanzt.
Seither ist viel Wasser die Themse hinuntergeflossen. Webber ist drei mal WM-Dritter geworden, 2010, 2011 und 2013. Vettel hat in jener Phase vier Mal in Folge den WM-Titel erobert. Webber trat von der GP-Bühne ab und wurde mit Porsche Sportwagen-Weltmeister 2015. Heute beobachtet er als TV-Experte das Duell zwischen Vettel und Hamilton und meint im Guardian: «Ihr Duell ist gewaltig. Das ist echte Rivalität von zwei Männern, deren Charakter nicht unterschiedlicher sein könnte. Hier der berechnende Deutsche, da der Instinkt-Racer. Die beiden schenken sich nichts, das ist wie Roger Federer gegen Rafael Nadal.»
Mark Webber spürt: «Vettel trägt Ferrari auf seinen Schultern; nein, er trägt ganz Italien. Aber alles ist auf Messers Schneide, es ist ein schmaler Grat zwischen Hero und Zero. Für Vettel ist dies die endgültige Herausforderung. Sebastian weiss, dass er ein sehr, sehr gutes Team schlagen muss, und damit meine ich nicht nur Hamilton, das schliesst Bottas mit ein.»
«Ab und an sehen wir bei Vettel kleine Fehler. Aber um endlich den WM-Titel mit Ferrari ins Trockene zu bringen, muss er bis zum Saisonschluss makellos bleiben. Und dies gegen einen unfassbar starken Hamilton. Lewis ist auf eine Runde vielleicht besser als Senna, er ist brillant bei Mischverhältnissen, und er kann Probleme des Autos kompensieren.»
«Silverstone ist ein Klassiker. Die Menschen auf den Tribünen lieben ihre Helden der Rennstrecke, es herrscht eine Atmosphäre tiefer Begeisterung für den Motorsport, das ist einmalig. Wir haben eine echte Rennbahn, nicht eine dieser modernen Gokart-Pisten. Silverstone, das ist Höchstgeschwindigkeit, eine einschüchternde Strecke für die Piloten. Jeder Grand-Prix-Fahrer liebt dieses Wochenende.»