Daniel Ricciardo zu Renault: Riskante Entscheidung
Daniel Ricciardo hatte Renault seit längerem im Auge
Niemand kann abstreiten: Renault macht seit der Rückkehr als Werksrennstall in die Formel 1 grosse Fortschritte. 2016 belegten die Gelben WM-Schlussrang 9, mit kümmerlichen acht Punkten. 2017 rückten die Franzosen auf Platz 6 vor, mit nunmehr 57 Punkten. 2018 ist Renault auf gutem Weg, das Etappenziel «Best of the Rest» zu erreichen, will heissen Rang 4 hinter den drei Top-Teams Mercedes, Ferrari und Red Bull Racing. Renault hat zur Sommerpause 2018 schon mehr Punkte eingefahren als in der ganzen Saison davor.
Vor knapp acht Jahren wurde aus Renault Lotus: Im Dezember 2009 hatte Renault zunächst 75 Prozent der Teamanteile an das Luxemburger Unternehmen Genii Capital verkauft und zog sich aus dem operativen Geschäft zurück. Renault hatte durch die genannte Singapur-Affäre (Nelson Piquet fuhr beim ersten Nacht-GP im Stadtstaat 2008 absichtlich in die Wand, Stallgefährte Alonso gewann) einen erheblichen Image-Schaden erlitten, zudem gab es wirtschaftliche Sachzwänge. Später übernahm Genii Capital den Rennstall ganz. Renault blieb der Formel 1 als Motorhersteller erhalten und wurde von 2010 bis 2013 mit Red Bull Racing vier Mal in Folge Weltmeister. Doch das Werksteam hatte «au revoir» gesagt.
In der Zeit von Lotus (das mit dem einstigen Team von Colin Chapman nichts zu tun hatte) verliessen viele Mitarbeiter den Rennstall. Das Geld wurde knapp, das hatte Auswirkungen auf Infrastruktur und Konkurrenzfähigkeit. Im Sommer 2015 klopften die Gerichtsvollzieher an, Lotus stand vor der Zahlungsunfähigkeit. Hätte Renault das Team nicht zurückgekauft, wären in Enstone wohl die Lichter ausgegangen.
Das Werksgelände von Enstone ist seit der Rückkehr von Renault als Werksrennstall kaum mehr zu erkennen: Renault hat gewaltig zugelegt, das Personal wurde in drei Jahren fast verdoppelt. Renault-Teamchef Cyril Abiteboul sieht sich im Fahrplan: 2016 und 2017 Infrastruktur aufbauen, 2018 in den Windschatten der Top-Teams aufschliessen, 2019 Podestplätze einfahren, 2020 regelmässig gewinnen, spätestens 2021 soll der WM-Titel her.
Aber die Welt dreht sich nicht nach Idealvorstellungen von Konzernchefs wie Renault-Boss Carlos Ghosn und seinem Teamchef Abiteboul. Unsere Aufstellung aus dem Konstrukteurs-Pokal der vergangenen zwanzig Jahre (ganz unten) zeigt – ein Rennstall schiesst selten aus dem Mittelfeld mir nichts, dir nichts an die Spitze, schon gar nicht dann, wenn das Reglement weitgehend stabil bleibt. Erfolg und Misserfolg verlaufen zyklisch. Nur bei umfangreich neuem Reglement wurde das Kräfteverhältnis dramatisch verändert – etwa beim Schritt in die neue Turbo-Ära, als Mercedes-Benz die Hausaufgaben mit Abstand am besten gelöst hatte. Mercedes löste Red Bull Racing als Dauer-Weltmeister ab.
Ausreisser finden wir auch, wenn ein Rennstall einen technischen Vorteil erlangt hat – wie BrawnGP zur Saison 2009 hin. Honda zog sich auf Ende 2008 zurück, die Entwicklung des 2009er Modells hatte fast ein Jahr gedauert, zudem wurde der geniale Kniff des Doppeldiffusors optimal umgesetzt. Jenson Button setzte zu einer Siegesserie an, die einen so grossen WM-Vorsprung erzeugte, dass scheinbar aus dem Nichts Weltmeister wurde. BrawnGP profitierte auch von neuen Aerodynamik-Regeln, für die sie am längsten tüfteln konnten, weil die Entwicklung des jämmerlichen 2008er Modells früh eingestellt wurde. Nicht zu vergessen, dass sich ein Teil der Gegner mit der neu eingeführten, kinetischen Energierückgewinnung schwertat.
Renault träumt von der Rückkehr zu glorreichen Jahren wie 2005 und 2006, als Fernando Alonso den WM-Titel einfuhr und zwei Mal der Konstrukteurs-Pokal gewonnen werden konnte. Doch Superstar Alonso und sein Team profitierten damals von einem besonderen Reglement: Die Reifen mussten ein Rennen lang halten, Michelin lieferte vorzüglichen Gummi. 2006, im ersten Jahr der neuen V8-Motorgeneration, hielt die Überlegenheit von Renault so lange an, wie der Massedämpfer erlaubt war.
Bei stabilem Reglement finden wir kaum ein Team, das aus dem Mittelfeld zur Spitze vordrang – und sich dort halten konnte. BAR-Honda und Jordan schienen auf gutem Weg zu sein, fielen dann aber wieder zurück. Vor 2021 wird es keine einschneidende Reglement-Änderung geben.
Optimisten (wie Daniel Ricciardo selber) würden argumentieren: Der Australier hat gesehen, wie Lewis Hamilton für 2013 zu Mercedes wechselte und sich das Timing als perfekt erwies. Zahlreiche so genannte Insider witterten damals: Hamilton habe einen Riesenfehler gemacht, McLaren den Rücken zu wenden.
Pessimisten würden sagen: Fernando Alonso glaubte an einen Aufwärtstrend bei McLaren, als er Ende 2014 zurück nach Woking wechselte. Wir alle wissen, wie sich das mit Honda drei Jahre lang entwickelt hat.
Konstrukteurs-Pokal: Top-5 der letzten 20 Jahre
2018
1. Mercedes
2. Ferrari
3. Red Bull Racing
4. Renault
5. Haas
2017
1. Mercedes
2. Ferrari
3. Red Bull Racing
4. Force India
5. Williams
2016
1. Mercedes
2. Red Bull Racing
3. Ferrari
4. Force India
5. Williams
2015
1. Mercedes
2. Ferrari
3. Williams
4. Red Bull Racing
5. Force India
2014
1. Mercedes
2. Red Bull Racing
3. Williams
4. Ferrari
5. McLaren
2013
1. Red Bull Racing
2. Mercedes
3. Ferrari
4. Lotus
5. McLaren
2012
1. Red Bull Racing
2. Ferrari
3. McLaren
4. Lotus
5. Mercedes
2011
1. Red Bull Racing
2. McLaren
3. Ferrari
4. Mercedes
5. Renault
2010
1. Red Bull Racing
2. McLaren
3. Ferrari
4. Mercedes
5. Renault
2009
1. BrawnGP
2. Red Bull Racing
3. McLaren
4. Ferrari
5. Toyota
2008
1. Ferrari
2. McLaren
3. BMW-Sauber
4. Renault
5. Toyota
2007
1. Ferrari
2. BMW-Sauber
3. Renault
4. Williams
5. Red Bull Racing
2006
1. Renault
2. Ferrari
3. McLaren
4. Honda
5. BMW-Sauber
2005
1. Renault
2. McLaren
3. Ferrari
4. Toyota
5. Williams
2004
1. Ferrari
2. BAR-Honda
3. Renault
4. Williams
5. McLaren
2003
1. Ferrari
2. Williams
3. McLaren
4. Renault
5. BAR-Honda
2002
1. Ferrari
2. Williams
3. McLaren
4. Renault
5. Sauber
2001
1. Ferrari
2. McLaren
3. Williams
4. Sauber
5. Jordan
2000
1. Ferrari
2. McLaren
3. Williams
4. Benetton
5. BAR-Honda
1999
1. Ferrari
2. McLaren
3. Jordan
4. Stewart
5. Williams