Analyse: Wo bleiben die versprochenen Sponsoren?
Das lange Warten auf neue Sponsoren
Montag, 23. Januar 2017 – ein Datum, das in die Formel-1-Historie eingegangen ist: Es war der Tag, an dem die Ära Bernie Ecclestone endete. Der 88jährige Engländer, der es vom Gebrauchtwagenhändler in einer beispiellosen Karriere zum Herrscher über das grösste Sportspektakel der Welt und zum Multimilliardär gebracht hatte, wurde als Diktator der Formel 1 sang- und klanglos entmachtet, vom neuen Formel-1-Grossaktionär Liberty Media.
Was der neue Formel-1-CEO Chase Carey und F1-Geschäftsleiter Sean Bratches damals vollmundig verkündeten: Die Formel 1 solle erheblich mehr Seriengeldgeber erhalten. Die Profis von Liberty Media waren erschüttert, als sie erkannten, wie in der bisherigen Struktur von «Formula One Management» mit solchen Themen umgesprungen worden war. Carey wies in zahlreichen Interviews darauf hin, wie in der nordamerikanischen Baseball-Meisterschaft rund achtzig Fachkräfte allein zur Sponsorenbeschaffung eingestellt sind, bei der Formel 1 war es exakt eine Person. Auf der Suche nach einer Marketing-Abteilung in Bernie Ecclestones Büro wurde Liberty Media nicht fündig.
Inzwischen sind gut zwei Jahre vergangen, aber wenn wir uns an den GP-Pisten umschauen, entdecken wir vorwiegend Geldgeber, die von Bernie Ecclestone zur Formel 1 gebracht worden waren: die fünf «Globalpartner» genannten Firmen Heineken, Pirelli, Rolex, DHL und Emirates. Dazu gibt es vier «offizielle Sponsoren», das sind AMG, Johnnie Walker, Tata und Amazon Web Services. Bis auf Amazon geht alles auf die Arbeit von Bernie Ecclestone zurück. Liberty brachte neu einen Wettpartner ein (ISG), dazu Mercedes-Sponsor Petronas als Regionalpartner (China, Italien, Mexiko), das ist alles.
Wo bleiben also die Sponsoren? Hat Bernie Ecclestone vielleicht doch keinen so schlechten Job gemacht?
Werbung und Sponsoring ist die dritte grosse Einnahmequelle der Formel 1, neben dem Verkauf der TV-Übertragungsrechte und der Antrittsgebühr der verschiedenen GP-Veranstalter. Aber Sponsoring trug 2017 nur 15,7 Prozent zu den Totaleinnahmen bei. Sponsoring bietet jedoch am meisten Entwicklungspotenzial. Die Anzahl Rennen ist beschränkt (mittelfristig auf 25 WM-Läufe), die TV-Anstalten sind nicht mehr bereit, jeden Preis für das Recht zu zahlen, die Rennen zu zeigen.
Wieso haben wir einen verhältnismässig kleinen Kreis von Seriensponsoren? Bernie Ecclestone sagt: «Ich wollte, dass unsere Partner für ihr Geld etwas geboten bekommen. Ich habe nichts gegen Kentucky Fried Chicken, aber ein Unternehmen wie Rolex will seinen Schriftzug nun mal nicht neben KFC sehen. Sie wollen den Hauch des Exklusiven. Die Besitzer von Heineken und Rolex sind befreundet. Als ich Kontakt aufnahm zu Heinken, fragte ich die Rolex-Leute, was sie davon halten. Sie meinten: “Das einzige Problem besteht darin, dass wir ähnliche Farben haben.” Ich löste das, indem ich ihnen versprach, dass in keinem Kamerawinkel Schriftzüge beider Firmen zu sehen sein würden.»
Doch selbst unter dieser Vorgabe bietet die Formel 1 reichlich Raum für neue Geldgeber. Liberty hatte das Pech, zu einer Zeit in den Sport zu kommen, als die Abkommen mit der Schweizer Grossbank UBS und der Allianz ausliefen und nicht verlängert wurden.
Liberty Media hat für die Formel 1 eine eigene Marketing-Abteilung geschaffen. Den Champagner-Hersteller Carbon als Lieferant für die Siegerzeremonie zu finden, kann jetzt nicht als Coup bezeichnet werden.
Liberty-Media-Geschäftsleiter Greg Maffei: «Wir wissen, dass wir Lücken füllen werden, aber über Nacht geht das nicht. Wir haben keinen offiziellen Benzin- und Ölpartner, wir haben keinen Technologie-Partner, wir haben keinen Soft-Drink-Partner, keinen aus dem Finanzdienstleistungsbereich und so fort. Wir haben eine ziemlich lange Liste wünschenswerter Firmen. Aber es wird Jahre dauern, die alle an Bord zu holen.»
Dabei will Liberty Media mehr offerieren als Bandenwerbung. Es gilt, die neuen Bereiche Fan-Festival oder E-sports zu nutzen. Murray Barnett, Sponsoring-Direktor der Formel 1: «Wir können Einiges bieten. Aber der Sport ist im Wandel, und wir bitten ja auch nicht um einige zehntausend Dollar, wir reden hier von sieben- und achtstelligen Beträgen. Sich für eine solche Summe zu engagieren, das wird bei international Unternehmen nicht übers Knie gebrochen.»
Nochmals Greg Maffei: «Einige Bereiche drängen sich auf, etwa ein Soft-Drink-Partner. Aber wenn wir beispielsweise mit Coca-Cola sprechen, dann sagen wir: “Wie können wir es gemeinsam schaffen, zusätzliches Publikum für die Formel 1 zu schaffen?” Wir fragen nicht einfach: “Wieviel zahlt ihr?” Wir sehen das schon ganzheitlich – wir wollen mit unseren Partnern über Jahre wachsen.»
Murray Barnett: «Wir haben keine Probleme, Gesprächstermine bei Firmen zu erhalten. Wir stehen vor einer neuen Formel 1 2021, die sehr aufregend sein wird. Die Firmen interessieren sich für unsere Vision und wie der GP-Sport in den kommenden Jahren aussehen wird.»
Eine Hürde bei den Verhandlungen sind Konflikte mit Sponsoren der Rennställe. Bernie Ecclestone sagt: «Da war ich immer besonders vorsichtig. Stell dir vor, Williams hat Pepsi als Partner gewonnen, und ich will einen Deal mit Coca-Cola abschliessen. Das musst du dir schon zwei Mal überlegen. Da gibt es sehr viele Bälle in der Luft zu halten.»
Murray Barnett spielt das herunter: «Wir bieten einem Geldgeber ein anderes Paket an als ein Rennstall dazu in der Lage ist. Ich sehe das nicht als Gefährdung des Wettbewerbs. Ich habe auch kein Problem damit, wenn eine Firma sagt: “Wir haben mehr davon, wenn wir ein Auto in unsere Farben kleiden als Bandenwerbung zu machen.” So lange das Geld in die Formel 1 kommt, ist mir das recht.»
Liberty Media kann also fünf Globalpartner und vier offizielle Sponsoren vorweisen. Zum Vergleich: Das Internationale Olympische Komitee hat dreizehn offizielle Partner, der Fussballweltverband sieben Premiumpartner, dazu fünf grosse Sponsoren, die jeweils bei der Fussball-WM mitmachen.
Da gibt es in der Formel 1 reichlich Raum für Verbesserung.