Jean Todt über Michael Schumacher: «Das ist privat»
Jean Todt mit Michael Schumacher in Monza 2006
Jean Todt kann auf eine grosse Karriere zurückblicken: Vom Rallye-Beifahrer brachte er es zum Ferrari-Teamchef, schliesslich zum FIA-Präsidenten. Der heute 72-Jährige denkt in diesen Tagen besonders oft an Michael Schumacher. Bei Ferrari war der Franzose zunächst Teamchef des Deutschen, aber aus ihrer Zusammenarbeit wurde schnell enge Freundschaft. Zusammen haben sie eine einmalige Serie geschafft: Fünf Fahrer-WM-Titel in Folge für Schumi, von 2000 bis 2004, sechs Konstrukteurs-Pokale hintereinander für Ferrari, von 1999 bis 2004.
Jean Todt blickt zurück: «Michael hat mit Ferrari Unfassbares geschafft. So wie das heute Mercedes mit Hamilton macht. Ich ziehe meinen Hut davor, denn ich weiss, wie schwierig es in der Formel 1 ist, eine solche Dominanz zu erzeugen. Mercedes ist heute in der gleichen Situation wie wir damals. Zunächst sagten mir die Menschen immer: „Herr Todt, wann wird Ferrari wieder siegen?“ Und später meinten sie: „Ich schaue keine Grands Prix mehr, weil Schumacher ständig gewinnt.“»
Über den schönsten Moment hat Jean Todt schon einige Male gesprochen, wie er auch nun wieder meinem Kollegen Andrea Cremonesi von der Gazzetta dello Sport gegenüber betont: «Suzuka 2000, weil Ferrari davor seit 1979 ohne Titel gewesen war. Ich sagte zu Michael auf dem Siegerpodest: „Dir ist schon klar, dass unser Leben nicht mehr das gleiche sein wird.“» Aber es gab auch schwierige Momente. Todt: «Als wir 1997 den Titel in Jerez verloren. Es wäre doch sensationell gewesen, schon in der zweiten Saison den Titel zu erobern. Dann der Crash zwischen Schumi und David Coulthard in Belgien 1998. Oder der Beinbruch von Michael in Silverstone 1999. Schmerzlich war auch der Motorschaden in Japan 2006, der damals den Titel gekostet hat.»
Aus einer Arbeitsbeziehung wurde Freunschaft. Jean Todt sagt: «Das Verhältnis wurde immer enger. Das begann schon im Herbst 1996. Es lief bei Ferrari nicht nach Plan, einige forderten meinen Kopf. Aber bei Testfahrten sagte mir Michael – falls ich weggehen würde, dann würde er mit mir kommen. Er kannte mich noch nicht sehr gut, aber er ahnte, dass wir auf gutem Weg sind. Ich war ihm nahe in schwierigen Momenten. Ich lernte seine Frau Corinna besser kennen. Wir sind mit den Kindern in die Ferien gefahren. Als Michael den Skiunfall hatte, war ich gerade auf Bali. Ich nahm den ersten Flieger, um an sein Krankenbett in Grenoble zu eilen.»
«Michael ist kein Mensch, der den Leuten schnell vertraut. Aber mir hat er immer zugehört. Als ich ihn fragte, ob er sich finanziell am Forschungsinstitut für Hirn- und Rückenmarksverletzungen ICM beteiligen würde, da meinte er: „Wenn du mich darum bittest, dann folge ich dir.“ Heute ist es umgekehrt, und Todt setzt sich für die «Keep Fighing Foundation» der Familie Schumacher ein. Todt: «Wenn das mit meiner heutigen Rolle nicht in Konflikt kommt, dann mach ich das gerne.»
Vor kurzem hat Todt erklärt, er habe sich den Grossen Preis von Brasilien bei Michael Schumacher zuhause angeschaut. «Das kam schlecht herüber», meint der FIA-Chef. «Wissen Sie, ich bin mit seinem Privatleben immer sehr diskret umgegangen. Aber ich wurde gefragt, wo ich das Rennen von Interlagos gesehen hätte, und ich habe wahrheitsgetreu gesagt, im Haus von Michael. Ich habe sehr viele Rennen mit ihm geschaut, vor und nach dem Unfall.»
Auf die Frage, ob Michael Schumacher sich dessen bewusst sei, dass Todt neben ihm sitze und ob er auf das Geschehen im Fernsehen reagiere, wird Todt wortkarg: «Hier höre ich auf.» Er sagt danach über Michael Schumacher nur noch, wie oft er ihn besucht: «Ein paar Mal im Monat.»
Wenn Michael Schumacher am 3. Januar 50 Jahre alt wird, dann ist Todt «weit von Europa entfernt. Ich mag Geburtstage nicht. Ich werde die Familie anrufen und Michael besuchen, sobald ich zurück bin. Seine 50 Jahre zeigen, wie beängstigend schnell die Zeit vergeht.»
Auf die Schlussfrage der Gazzetta, ob wir jemals etwas über den wahren Gesundheitszustand von Michael Schumacher erfahren werden, meint Todt: «Ich glaube nicht, dass es einen Veranlassung gibt, nochmals auf dieses Thema zu kommen. Nach dem schweren Skiunfall kämpft er weiter. Er hat eine aussergewöhnliche Familie an seiner Seite. Der Rest ist privat, und es ist richtig, dass dies auch so bleibt.»