MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

History: Quali-Format – immer wieder Änderungen

Von Mathias Brunner
Nachtspektakel in Singapur: Kimi Räikkönen 2018 auf seiner Quali-Runde

Nachtspektakel in Singapur: Kimi Räikkönen 2018 auf seiner Quali-Runde

​Die Formel-1-Führung möchte den Ablauf des Abschlusstrainings ändern. Die Begeisterung der Fans hält sich in Grenzen. Denn viele von ihnen wissen von früher: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut.

Derzeit prüft die Formel-1-Führung ein leicht geändertes Qualifikationsformat für die Saison 2020. Zur Diskussion steht ein zusätzlicher vierter Durchgang. In den drei Abschnitten vorher sollen jeweils vier Piloten ausscheiden, ehe die verbleibenden acht Fahrer um die Pole-Position kämpfen, dabei aber nur einen Versuch haben. Die Denke: Auch für die Top-Teams soll die Herausforderung unter grösserem Zeitdruck gesteigert werden und damit auch die Chancen auf Resultate, die weniger vorhersehbar sind. So richtig begeistert hat bislang niemand auf den Vorschlag reagiert.

Die Stimmung im Fahrerlager widerspiegelt eher, was auch viele Fans sagen: Die heutige Quali passt, ein anderes Format ist die Antwort auf eine Frage, die eigentlich keiner gestellt hat. Viele Reaktionen in den sozialen Netzwerken gehen in die Richtung: Die Formel-1-Führung sollte sich um Wichtigeres kümmern als um ein anderes Quali-Format. Oder anders gefragt – wieso etwas reparieren, das nicht kaputt ist? Denn wir hatten in der Vergangenheit schon einige Quali-Formen, die wenig Beifall erzeugten.

1950–1996: Abschlusstraining mal zwei

Vor der Gründung der Formel 1 wurden die Startpositionen schon mal ausgelost. Doch mit Beginn der Formel-1-WM ändert sich das: Ein entscheidendes Training am Freitag, eines am Samstag. Erstaunlicherweise änderte sich daran 46 Jahre lang nichts, selbst wenn es zahlreiche Nuancen gab. Wir erinnern uns an die Qualifikations-Reifen, die nach einer schnellen Runde in die Tonne kamen; unvergessen auch die Minutenbrenner der stärksten Turbo-Motoren in den 80er Jahren, mit Werten jenseits von 1300 PS.

Viele denken angesichts des heutigen Magerfelds von 20 Autos wehmütig zurück, als Ende der 80er Jahre eine Vorqualifikation eingeführt werden musste. Bis zu 39 Autos wollten an einem GP teilnehmen, daher wurde schon am Freitagmorgen in dreissig brutalen Trainingsminuten gesiebt.

Grosser Nachteil des so lange verwendeten Formats: Nach einem Freitag bei gutem Wetter bedeutete ein Samstag im Regen, dass die Zeiten nicht mehr verbessert werden konnten. Es musste sich etwas ändern.

1996–2002: Die Stunde der Wahrheit

In nur noch 60 Minuten und bei maximal zwölf Runden wurde ab nun der Mann für die Pole-Position gesucht. Was als Thriller gedacht war, wurde teilweise zur Formel Gähn – oft warteten die besten Piloten bis zum Schluss der Quali, um auf die Bahn zu gehen, wenn die weniger schnellen Autos die Piste gesäubert hatten und sich die Strecke im besten Zustand präsentierte. Daher erneut eine Änderung.

2003: Es kann nur eine geben

Die scheinbare Lösung des Problems: Jedes Auto geht einzeln auf die Bahn. Vorteil davon – Hinterbänkler sind so lange im Fernsehen wie Top-Autos. Am Freitag gab es eine Stunde in diesem Format, die Fahrer machten sich in Reihenfolge des WM-Stands auf die Socken. Am Samstag dann die Entscheidung, dieses Mal mit dem Langsamsten des Freitags als erstem Fahrer auf der Bahn, mit dem Schnellsten ganz zum Schluss. Gefahren wurde überdies am Samstag mit der Spritmenge, mit welcher auch ins Rennen gegangen wurde. Nachteil: Wechselnde Wetterverhältnisse machten die Quali zur Lotterie.

2004: Alles am Samstag

Die beiden Einrunden-Einsätze wurden auf den Samstag verschoben. Neu zu Beginn in Reihe des Einlaufs des vorhergegangenen Rennens. Die beiden Segmente lagen nun so dicht beisammen, dass Schlitzohre begannen, bei wechselndem Wetter taktisch zu fahren. Etwa in der Art, im ersten Teil absichtlich zu patzen, um im zweiten Teil zu Beginn fahren zu können – weil Regen im Anmarsch war und es von Nachteil sein würde, gegen Ende des Trainings auf der Bahn zu sein.

2005: Zückt die Taschenrechner!

Daher die Lösung: Die Zeiten der beiden Einzel-Darbietungen wurden neu addiert. Eine Runde am Samstagmorgen mit wenig Sprit, eine Runde am Sonntagmorgen mit jener Spritmenge, mit welcher ins Rennen gegangen wurde. Dieses System mochte keiner, weil der Samstag entwertet wurde. Nach sechs GP-Wochenenden war Schluss. Für die restlichen dreizehn Qualifyings wurde nur noch am Samstag gefahren, mit Rennspritmenge.

2006/2007: Die Ausscheidung

Endlich konnten wieder mehr Runden gefahren werden, aber erstmals gab es ein Ausscheidungsverfahren mit drei Quali-Segmenten. Die Fans fanden das sehr gut, aber perfekt war es nicht – denn noch immer musste zum Schluss mit jener Spritmenge gefahren werden, die ein Pilot ins Rennen mitzunehmen gedachte.

2008/2009: Kleine Änderung

Der Quali-Dreiteiler blieb, doch jetzt konnte nach Q3 kein Kraftstoff mehr nachgefüllt werden.

2010: Das heutige Format

Nachtanken im Rennen war passé, damit konnten die Piloten im Abschlusstraining endlich wieder mit ganz wenig Benzin auf die Bahn gehen und es nach Herzenslust krachen lassen.

2016: Missglücktes Experiment

Für die Saison 2016 wurde in der Formel 1 ein auf dem Papier aufregendes Ausscheidungsverfahren eingeführt – die Uhr läuft und in regelmässigen Abständen scheidet der jeweils langsamste Fahrer aus. In der Theorie sollte das Ausscheidungsverfahren Überraschungsmoment fördern. In der Praxis waren alle vom Blick auf die herunterzählende Uhr fasziniert, weniger vom Geschehen auf der Bahn. Einige Rennställe schickten ihre Piloten zu spät auf die Bahn und gaben sich damit der Lächerlichkeit preis. War es für die angeblich besten Strategen der Branche zu schwierig auszurechnen, wann der eigene Fahrer auf die Bahn muss, um nicht von der Stoppuhr abgefangen zu werden? Jeder Zweitklässler kann das.

Gipfel der Peinlichkeit beim WM-Auftakt in Australien: Wenige Minuten vor Schluss des Qualifyings in Melbourne, theoretisch die heisseste Phase des Formel-1-Abschlusstrainings, nun sollte es für die besten Grand-Prix-Fahrer der Welt um alles gehen – wer ist der schnellste Mann im Albert-Park? Und dann das: Auf der Bahn – niemand. Die Fans trotteten von den Tribünen davon, die meisten schüttelten ungläubig den Kopf darüber, was sie soeben erlebt hatten. Viele fluchten, völlig zu Recht. Die Formel 1 hatte sich wieder mal bis auf die Knochen blamiert.

Entrüstete Fans forderten ihr Geld zurück, Fahrer und Teamchefs schimpften, und was machte die damalige Formel-1-Führung? Sie liess das Feld in Bahrain gleich nochmals im Ausscheidungsverfahren antreten. Das Ergebnis war nicht besser, der Ärger der Fans dafür grösser. Ergebnis: Zum dritten WM-Lauf 2016 in China kehrte die Formel 1 zum bewährten System zurück.

Es gilt bis heute.

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