Formel 1: Abschied in der Unterhose

Toto Wolff: Wie rede ich die Dominanz klein?

Von Gerhard Kuntschik
Fünfter Saisonlauf – fünfter Mercedes-Doppelsieg: Die Silberpfeile waren in Barcelona erneut eine Klasse für sich. Dennoch übt sich Toto Wolff in Bescheidenheit: «Die Konkurrenz kann schon in Monaco vorn sein.»

Üblicherweise muss sich ein Teamchef für Misserfolge rechtfertigen, eine Erklärung suchen. Toto Wolff ist in ganz anderer Situation: Er muss mehr und mehr erklären, warum Mercedes mit seiner Siegesserie die Formel 1 nicht kaputt macht. Und das macht er auf seine sympathische, offene Art.

«Ich wurde das schon öfters gefragt. Ich kann nur sagen: Wir machen alles so gut wie möglich, das ist unser Anspruch. Wir wollen die Messlatte sein, jeden Tag, jedes Jahr.» Der Wiener gibt zu: Die Befriedigung über die aktuelle Form sei deshalb groß, weil «wir im Winter verunsichert waren und nicht genau wussten, warum.»

Und dann macht er einen Seitenblick zum Fußball und die sensationellen Halbfinal-Rückspiele der Champions League: «Der Sport braucht Sensationen und Überraschungen. Aber wer glaubt, er könne über Wasser gehen, bekommt bei nächster Gelegenheit einen Schlag ins Gesicht. Deshalb bleiben wir demütig.»

Und er hat sogar Aufmunterung für die Konkurrenz parat: «Ferrari und Red Bull Racing haben die Ressourcen und das Know-how, stark zurückzukommen. Sie können schon in Monaco vorn sein. Ich erinnere an das Vorjahr, da waren Ricciardo und Red Bull Racing eine Klasse für sich, und wir waren schlecht.»

Ob Mercedes 2019 das stärkste F1-Team aller Zeiten sei? Toto: «So etwas zu sagen wäre arrogant! Aber wir sind eine großartige Truppe, die ideal zusammenarbeitet.»

Ob Mercedes in diesem Jahr alle Rennen (21) gewinnen kann? «Da sind noch 16 vor uns, in denen viel passieren kann. Aber wir sehen noch Potenzial, Details aus unserem Auto herauszuholen.» Ältere Fans erinnern sich: McLaren-Honda gewann 1988 15 von 16 Rennen (Senna/Prost), doch in Monza waren Berger/Ferrari «Spielverderber».

Ob Mercedes überhaupt aussteigen könnte, weil es nichts mehr zu beweisen gäbe? «Es gibt immer Wellenbewegungen, ein Auf und Ab. Niemand blieb oder bleibt ewig oben. Die Formel 1 macht für uns als Hersteller viel Sinn. Wir wissen nicht, wo die Autoindustrie in fünf oder zehn Jahren sein wird, aber derzeit ist die Formel 1 nicht in Frage gestellt.»

Wie es bei Mercedes weitergehe? Toto: «Demütig bleiben. Dann ist man besser auf schlechte Zeiten vorbereitet.»

Und mitten in Wolffs Analyse kam sein oberster Boss, Dieter Zetsche: Der hatte am Wochenende in Katalonien seinen vermutlich letzten öffentlichen Auftritt als Konzernchef, wenn die Hauptversammlung am 22. Mai wie geplant Ola Källenius zu seinem Nachfolger als CEO bestimmt. Zetsche: «Ich danke dem ganzen Team für die herausragenden Leistungen.» Darauf Wolff: «Es gab ab 2010 auch harte Zeiten, doch das Team wurde immer an der langen Leine gelassen. So viel hat noch nie ein CEO für den Motorsport getan.»

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