Mick Schumacher: Strafe in Spanien, Punkte futsch
Mick Schumacher hatte im ersten Formel-2-Rennen in Katalonien so ziemlich alles erlebt, ausser vielleicht vom Blitz getroffen oder von einem weissen Hai gebissen zu werden: Knallharte Duelle, aufgeschlitzter Reifen, Dreher, dann grandiose Rundenzeit, eine zweite Kollision, Frontflügel kaputt, am Ende eine einsame Fahrt zu Rang 15. Mick: «Damit kann ich natürlich nicht zufrieden sein. Das war ein unglückliches Rennen. Die Balance des Autos war gut, aber es lief eben nicht so wie erwartet. Mal sehen, wie es am Sonntag läuft.»
Am Sonntag stand das Sprintrennen der Formel 2 auf dem Programm, über 26 Runden oder 45 Minuten. Auf der Pole-Position: Ferrari-Zögling Callum Ilott, dank seines achten Platzes im Hauptrennen. Die ersten Acht werden ja jeweils zum zweiten Rennen umgedreht. Daher mit Ilott in der ersten Reihe: Jordan King, gefolgt von Anthoine Hubert, Nicky de Vries, Luca Ghiotto, Gyanyu Zhou, Jack Aitken und Nicholas Latifi, dem Sieger vom Samstag und Meisterschafts-Leader.
Beim Start schoss GP3-Champion Hubert wie aus der Kanone geschossen in Führung, Schumacher machte gleich mal drei Ränge gut. Aufregung um Honda-Junior Nobuharu Matsushita: Der Japaner rollte mit brennendem Auto aus – Safety-Car! Zum Glück konnte er schnell aus seinem Wagen krabbeln, der von sechs Streckenposten mit Löschstaub eingezuckert wurde. Teamchef Trevor Carlin: «Nobuharu hat uns angefunkt und gemeint, er habe keine Motorleistung mehr. Dann sah er schon das Feuer im Rückspiegel. Das wird teuer!»
Schumacher lag da schon Seite an Seite mit Tatiana Calderón, liess sich auf Geheiss seiner Prema-Ingenieure aber hinter die Kolumbianerin zurückfallen, sicher ist sicher.
Als das Safety-Car wieder in die Boxengasse abbog, verteidigte sich der Franzose Hubert clever gegen den kecken de Vries, während sich Mick Schumacher die Calderón zurechtlegte. Am Ende der fünften Runde war die einzige Frau im Feld fällig, Mick damit Zehnter. Der nächste Gegner würde etwas schwieriger werden – der Kanadier Nicholas Latifi.
Ab Runde 6 durften die Piloten ihre Heckflügel flachstellen. De Vries nutzte das eiskalt und ging zu Beginn der achten Runde am Ende der Start/Ziel-Geraden in Führung. Weiter hinten überrumpelte Luca Ghiotto den Korea-Briten Jack Aitken, mit einem klassischen Ausbremsmanöver, also ohne DRS. Der Italiener machte sich nun auf die Jagd nach Renault-Nachwuchsfahrer Zhou.
Schumacher kam Latifi nicht näher, der seinerseits Micks Stallgefährten Sean Gelael hinterher hetzte. Der Kanadier schonte in dieser Phase des Rennens seine Reifen, um am Ende zu attackieren. Ghiotto war schnellster Mann auf der Bahn, er schnappte sich auch den Chinesen Zhou und war neu Vierter, neu hinter Hubert, der von Ilott überholt worden war. Nicky de Vries hatte sich inzwischen an der Spitze um 2,5 Sekunden abgesetzt.
Latifi begann, mehr Druck auf Gelael auszuüben, Schumacher hinter sich. In Runde 12 ging der Kanadier blitzsauber vorbei. Mick war sichtlich ungeduldig hinter seinem indonesischen Prema-Teamgefährten. Gelael schmiss dem Deutschen zunächst die Tür zu, aber Mick quetschte sich vorbei – Rang 9, noch ein Platz fehlte also für Punkte.
Als sich Jordan King und Jack Aitken balgten, geriet Aitken von der Bahn, Latifi sagte Dankeschön und rückte auf Rang 7 vor und ging zu Beginn der 16. Runde auch an King vorbei, Sechster.
Luca Ghiotto hat sich inzwischen in den Windschatten von Hubert vorgearbeitet, auch er nutzte den Vorteil des DRS auf der Geraden, um sich in Runde 17 Platz 3 zu schnappen.
Wo war Mick Schumacher? Der Formel-3-Europameister hing am Heck von Aitken, der von einem Rivalen King aufgehalten wurde. Latifi fuhr die schnellste Runde (das gibt in der Formel 2 zwei Extrapunkte) und knabberte am Vorsprung von Zhou. Auf die beiden Punkte schielte auch Ghiotto, der Callum Ilott Zehntel um Zehntel näherrückte. Die grosse Frage: Wer würde am Schluss noch etwas mehr Speed aus seinen Reifen holen und vorrücken können?
Antwort: Luca Ghiotto. In der zweitletzten Runde musste Ilott schon Kampflinie fahren, der Italiener war deutlich schneller. Der routinierte Ghiotto ging zu Beginn der letzten Runde vorbei – Zweiter!
Mick Schumacher fuhr einen halbherzigen Überholversuch gegen Aitken, der Brite konterte. Kollision dann am Ende der Start/Ziel-geraden zwischen Schumacher und Aitken, beide konnten weitermachen, Schumacher nun aber auf Rang 8. Die Regelhüter kannten kein Pardon – er war zu früh wieder auf die Strecke zurückgefahren, damit war der eine Punkt wieder weg. Die Fünfsekundenstrafe bedeutete, dass Mick auf Platz 12 zurückgereicht wurde.
Erster Saisonsieg also für den Niederländer de Vries, vor dem sehr stark fahrenden Ghiotto, Ferrari-Junior Callum Ilott (in der Formel 2 erstmals auf dem Podest), den beiden Renault-Nachwuchsfahrern Zhou und Hubert, der Kanadier Nicholas Latifi auf Rang 6, die letzten Punkte gingen an King und Aitken.
Ex-GP-Pilot Anthony Davidson: «Mick war in dieser Phase zu aggressiv, und Aitken hat sich zu heftig verteidigt. Wenn du dort attackierst, musst du zu allem entschlossen sein, die beiden Rivalen müssen sich aber auch genug Raum lassen. Ghiotto gegen Ilott war ganz anders, sie haben gezeigt, wie man das respektvoll löst.»
Mick Schumacher also wieder ohne Punkte, Barcelona ist für den Deutschen keine Reise wert gewesen.
In der Meisterschaft führt Latifi mit 93 Punkten vor Ghiotto (67), de Vries (63), Aitken (62), Zhou (34), Sérgio Sette Camara (33), Hubert (27), King (26), Juan Manuel Correa (18), Louis Delétraz (16), Ilott und Mick Schumacher (je 14).