Mick Schumacher (Ferrari): 6. in Monza, Aitken-Sieg
Mick Schumacher war zerknischt. Der 20jährige Formel-3-Europameister hatte sich so fest vorgenommen, den Tifosi in Monza eine gute Show zu zeigen. Im Formel-2-Hauptrennen war er mit den härteren Pirelli ins Rennen gegangen, um möglichst lange auf der Bahn zu bleiben, auf diese Weise vorzurücken, um dann am Ende auf die weicheren Walzen zu wechseln und ein Spitzenergebnis einzufahren.
Aber das blieb alles Theorie, denn der Neuntschnellste aus der Quali musste sein Auto wegen Motordefekts an die Box stellen. Auf einmal stiegen die Rundenzeiten des Ferrari-Nachwuchspiloten dramatisch an, ein erster Stopp an der Box, sorgenvoller Blick der Prema-Mechaniker unter die Motorhaube, Schumi ging nochmals auf die Bahn, aber es nützte nichts, aus.
«Eine Riesen-Enttäuschung», meinte er danach. «Das war wirklich Pech. Denn mein Tempo und unsere Strategie stimmten. Alles schien sich genauso abzuwickeln, wie wir uns das ausgemalt hatten. Aber dann ging im Motor etwas kaputt, damit war die Chance auf einen Podestplatz dahin.» Diese Ränge gingen an Honda-Junior Nobuharu Matsushita, Luca Ghiotto und Tabellenführer Nick de Vries, der Niederländer liegt inzwischen im Gesamtklassement schon 49 Punkte vor Nicholas Latifi.
Wegen seines Ausfalls im Hauptrennen vom Samstag musste Mick am Sonntag von Startplatz 14 losrasen. Auf der Pole-Position stand (wie immer mit umgedrehter Reihenfolge der ersten Acht) Renault-Zögling Jack Aitken, vor Giuliano Alesi (Mitglied der Ferrari-Fahrerakademie), Jordan King, Sérgio Sette Camara, Callum Ilott, de Vries, Ghiotto und Matsushita.
Beim Start bei klammen 16 Grad (Luft und Piste) wussten die Piloten: Es wird zwei Runden dauern, um Temperatur in die härteren Pirelli zu bringen, zudem war die Piste an einigen Stellen feucht. Aitken ging sofort in Führung, vor King und Alesi. Mick Schumacher presste sich am Russen Nikita Mazepin vorbei und war schon Elfter. Zeitlupenaufnahmen zeigten, wie kurz nach dem Start in der ersten Kurve Sette Camara von Ghiotto angeschubst wurde, beim Italiener wurde der Frontflügel leicht beschädigt, er fuhr aber weiter.
Mick Schumacher rückte vor: Er ging unwiderstehlich an seinem indonesischen Stallgefährten Sean Gelael vorbei. Dann sah sich Mick an, wie sich vor ihm Matsushita und Latifi in die Haare gerieten. Vor der Parabolica pfeilte Mick blitzsauber aus dem Windschatten heraus am Kanadier vorbei, Platz 9. Zur Erinnerung: Im Formel-2-Sprintrennen gibt es nur für die ersten Acht Punkte.
Vorne drängelte King hinter Atiken, aber noch hielt der Renault-Fahrer dem Druck stand, dahinter Alesi, Ilott, Sette Camara, de Vries, Ghiotto, Matsushita, dann Mick Schumacher, der dem Japaner mit der bislang besten Rennrunde näher rückte.
Zu Beginn der siebten Runde ging King an Aitken vorbei, zur ersten Schikane hin, Aitken wollte in der Roggia kontern und geriet neben die Bahn, weiter hinten schubste Ghiotto in der ersten Kurve de Vries an, rutschte dann ins Auto von Sette Camara. Erst jetzt wurde den Piloten erlaubt, den Heckflügel zum Attackieren flachzustellen. Sette Camara drehte sich kurz darauf mit einem Platten rechts hinten. Bei Ghiotto fiel der beschädigte Frontflügel ab – virtuelle Safety-Car-Phase. Die FIA teilte mit: Das sehen wir uns etwas genauer an.
Ghiotto holte sich eine neue Fahrzeugnase ab, Mick Schumacher rückte durch die ganzen Scharmützel auf Rang 7 vor, noch immer hinter Matsushita.
Aitken attackierte bei grün sofort King und ging erneut in Führung. King wollte vor Roggia kontern, aber zweimal liess sich Aitken hier nicht überrumpeln.
Die FIA kam zum Urteil: Fünfsekundenstrafe für Ghiotto, Sünder bei der Kollision in Kurve 1.
De Vries ging vor der Ascari an Alesi vorbei, Mick Schumacher versuchte sein Glück an der Aussenseite von Matsushita, aber das war vor der Parabolica nicht die beste Idee. Mick versuchte es erneut, zur ersten Kurve hin, aber Matsushita wehrte sich mit Zähnen und Klauen.
Dritter Versuch von Mick in Roggia, wo sich die Ereignisse überstürzten: Attacke von King auf Aitken, Aitken in den Notausgang, Aitken selber von der Bahn, verlor Schwung und musste sich von Ilott überholen lassen, Aitken aber trotz der Fahrt durch den Notausgang weiter vorne.
Das Problem Matsushita erledigte sich für Mick auf ungewöhnliche Weise: Die FIA verhängte eine Fünfsekundenstrafe, weil der Japaner in der virtuellen Safety-Car-Phase zu schnell gewesen war. Die fünf Sekunden würden dem Honda-Nachwuchsfahrer auf die Rennzeit addiert, denn im Sprintrennen haben wir keine Reifenwechsel.
Mick dann mit einer Attacke auf Alesi, der von Matsushita überholt worden war, dabei liess Schumacher aber das linke Vorderrad blockieren und rutschte in den Notausgang der ersten Kurve, er schoss haarscharf am Heck von Matsushitas Wagen vorbei. Mick verlor einen Rang an den Chinesen Guanyu Zhou.
Aitken weiter vor Ilott und King, der nun den heissen Atem von Nick de Vries spürte. Jack Aitken wollte unbedingt seinen vierten Formel-2-Sieg an Land ziehen, nach dem Hauptrennen von Baku und dem Sprint in Silverstone 2019 sowie dem Sprint in Barcelona 2018.
Der als 17. und Letzter gestartete Zhou strich sich Alesi aufs Brot, in Runde 17 schaffte das auch Mick Schumacher, wieder Siebter.
Aitken fuhr auf den Geraden Schlangenlinien, um den Windschatten zum Ferrari-Zögling Callum Ilott zu brechen. Dann schlitterte de Vries in Kurve 1 von der Bahn, auch bei ihm hatte links vorne ein Rad blockiert. Wie durch ein Wunder krachte er nicht ins Heck von Jordan King.
Aitken erhielt eine Verwarnung von der FIA: Schwarze und weisse Flagge, die Regelhüter hatten jetzt genug Schlangenlinien gesehen. Sein Renningenieur bestätigte: «Keine Richtungswechsel mehr auf den Geraden, Jack, bleib sauber.»
Ilott schmiss seine Chancen auf den ersten Sieg in der Formel 2 in der zweitletzten Runde weg: Verbremser zur ersten Schikane hin, links kurz angeschlagen, Dreher, dann platter Reifen links vorne, der Engländer wurde am Ende nur Zwölfter.
Sieg für den Renault-Nachwuchsfahrer Jack Aitken, der Londoner kam 2,7 Sekunden vor Jordan King ins Ziel. Matsushita wollte noch an King vorbei, wegen der Zeitstrafe wurde er nur Fünfter. Tabellenführer Nyck de Vries daher Dritter vor dem verblüffenden Zhou (13 Ränge gutgemacht), Matsushita und Mick Schumacher als Sechster, im Zwischenklassement bleibt der Deutsche Elfter.
Jordan King war gar nicht begeistert: «Das kann Jack nicht bringen, du kannst nicht bei Tempo 250 so hin- und herfahren, das ist nichts Anderes als gefährlich. Wenn ich mit Tempoüberschuss daherkomme und dann haut die einer die Tür zu, finde ich das nicht akzeptabel. Wir hatten den Speed gehabt, hier zu gewinnen. Jeder konnte sehen, was passiert ist.»
Tabellenführer Nyck de Vries fand: «Ich verdiene diesen Podestplatz nicht, weil ich kein gutes Rennen gefahren habe.»
Schöne Worte, aber die Punkte für Rang 3 nimmt der Niederländer gerne mit. Wer soll ihn jetzt noch am Titel hindern?