Mika Häkkinen in Monza: Von Schumacher bis Leclerc
Mika Häkkinen
Wer gewinnt den Grossen Preis von Italien auf der Traditionsbahn von Monza? Darüber hat sich auch Mika Häkkinen Gedanken gemacht. Der Formel-1-Weltmeister der Jahre 1998 und 1999 weilt als Markenbotschafter von McLaren in Monza. Im Rahmen einer Veranstaltung von McLaren-Sponsor British American Tobacco (BAT) sagt er gegenüber unseren Kollegen der Gazzetta dello Sport: «Ich bin McLaren immer verbunden geblieben. Da habe ich natürlich insgeheim den Wunsch, dass wir nach einem turbulenten Rennen einen McLaren-Fahrer auf dem Podest sehen. Aber wenn ich eine eher nüchterne Prognose stellen soll, dann sage ich – Charles Leclerc wird gewinnen. Was der Monegasse in diesem Jahr mit Ferrari zeigt, das macht mir grossen Eindruck. Ganz besonders auch nach seiner tollen Leistung in Spa-Francorchamps und hier im Training von Monza; dann aber auch vor dem Hintergrund der überragenden Top-Speed der Ferrari auf dieser Strecke.»
«Ich erwarte eine ganze starke Leistung von Sebastian Vettel. Ich bin überzeugt, dass der Tempo-Überschuss von Ferrari auf den Geraden den Ausschlag dazu geben wird, dass Vettel einen Mercedes hinter sich lassen kann. Und wenn es eine Piste gibt, auf welcher du überholen kannst, dann ist es Monza.»
«Ich weiss nicht so recht, wie sich das Wetter entwickeln wird, aber auf trockener Bahn wird das Reifen-Management eine entscheidende Rolle spielen. Wenn ich mich also festlegen soll, dann würde ich sagen – Leclerc gewinnt, vor Bottas und Vettel.»
Mika Häkkinen, der fliegende Finne ist 50 Jahre jung, aber wenn er über Racing spricht, dann blitzt noch die gleiche Begeisterung in den Augen wie zu seiner GP-Karriere. Mika bestritt zwischen 1991 und 2001 insgesamt 161 GP-Einsätze, 20 WM-Läufe konnte er gewinnen. In dieser Zeitspanne stand der Finne 51 Mal auf dem GP-Podest, 26 Mal durfte er von der ersten Startposition losfahren. Der Widersacher von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher glänzte nicht nur auf der Strecke. Abseits der GP-Pisten machte der Gentlemen im Silberpfeil eine gute Figur – und kam bei den Fans entsprechend gut an. Häkkinen, das stand für Speed, für Fairness, für einen gewissen Schalk.
Unvergessen diese Bilder: Wie Häkkinen nach einem Ausfall in Monza an einem Baum des königlichen Parks lehnte und weinte. Wie er Michael Schumacher tröstend auf die Schulter klopfte, als Schumi von Tränen übermannt wurde, angesprochen auf Ayrton Senna, das war ebenfalls hier in Monza. Wie Mika den gleichen Schumacher nach ihrem unfassbaren Duell in Belgien nach dem Rennen zusammenstauchte.
Noch heute reden die Fans über den atemraubenden Rad-an-Rad-Kampf zwischen Michael Schumacher (Ferrari) und Mika Häkkinen (McLaren-Mercedes) in Spa-Francorchamps 2000. Mika nahm damals einen ersten Anlauf, Schumacher die Führung zu entreissen, Michael machte seinen Ferrari seeeehr breit, später begann Häkkinen eine neue Attacke und griff an der Fahrt zu Les Combes innen an, während die beiden Superstars gleichzeitig am BAR-Fahrer Ricardo Zonta vorbeischossen, der Brasilianer wundert sich noch heute, wie das gehen konnte. Häkkinen ging in Führung und gewann, eine Sekunde vor seinem Widersacher.
Noch im Parc fermé ging der Finne auf seinen Rivalen zu und sprach ihm gestenreich ins Gewissen. Als wir damals Mika nachher fragten, was er zu Schumi gesagt habe, meinte Häkkinen: «Das bleibt unter uns.»
Bis im Sommer 2017. Denn im Rahmen einer Videoreihe für den Wettanbieter Unibet verriet Mika Häkkinen endlich, was er damals zu Michael Schumacher gesagt hat. Der Weltmeister von 1998 und 1999 blick zurück: «Es war mir sofort klar, dass ich nach dem Rennen mit Michael sprechen musste. Ich sagte zu ihm: ‘Du kannst nicht einen Gegner bei 300 Sachen aufs Gras drücken. Hier geht es um Leben und Tod, benutz doch ein wenig gesunden Menschenverstand!’ Er legte seinen Kopf zur Seite und schaute mich an, dann sagte er: ‘Was habe ich falsch gemacht?’ Er hat sich nicht entschuldigt, er sagte nicht: ‘Tut mir leid, da war ich wohl ein wenig zu aggressiv.’ So fuhr er halt.»
Häkkinen sagt im Video weiter, er fand das Pistenverhalten von Schumacher «inakzeptabel. Wenn ein grenzwertiges Manöver in einer langsamen Kurve passiert, dann kann ich das noch halbwegs tolerieren, ich hatte ja auch meine Trickkiste. Aber 300 km/h ist so verdammt schnell. Wenn du dann in Belgien auf dem Gras bist, bei einer Bodenfreiheit von 15 Millimetern auf der Vorderachse, dann reicht der kleinste Erdhügel, um das Auto auszuhebeln, und Gott weiss, wo du dann hinsegelst. Daher wollte ich Michael klarmachen: Jetzt mal ehrlich – denk nach!»
«Michael hat nicht gefallen, wie ich dann an Zonta und ihm vorbeigegangen bin. Er konnte aber wertschätzen, dass wir ein tolles Duell hatten und nichts passiert ist. Mit jedem anderen Fahrer wäre früher oder später ein Frontflügel davongeflattert.»
«Michael konnte unfassbar autofahren. Er gab immer alles, als Fahrer und auch bei der Zusammenarbeit mit dem Team. Es gibt so viele Aspekte seiner Arbeit, die ich grenzenlos bewundere. Er liess nie locker. Aufgeben gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Er war immer am Limit, mit rotglühenden Bremsscheiben, unglaublich.»
«Was die Zweikämpfe angeht, so konnte er sich extrem verteidigen, besonders wenn es Richtung Zielflagge ging. Zur Mitte eines Grand Prix liess er immer ein wenig Luft zum Gegner zwischen den Reifen. Zum Ende eines WM-Laufs scheute er sich aber nicht vor Wagenkontakt.»