Nacht-GP von Singapur: Zwei verrückte Geschichten
Singapur ist kein Rennen wie jedes andere: Der erste Nacht-GP der Formel 1 hat sich als Nährboden für allerlei kuriose Geschichten erwiesen, auf zwei ungewöhnliche Begebenheiten gehen wir heute ein und zeigen, was wirklich dahintersteckte.
Vor einigen Jahren stellte ich mir in Singapur die Frage: Liegt es an der Zeitverschiebung zu Europa? Oder vielleicht an der feuchten Hitze? Anders konnte ich mir die folgende Räuberpistole nicht erklären, die im Fahrerlager herumspukte. Da wurde allen Ernstes behauptet: Stromkabel der Singapurer U-Bahn erzeugten ein so grosses magnetisches Feld, dass die Rennwagen beeinträchtig würden. Als angeblicher Beweis wurde angeführt, dass bei einigen Autos wie von Geisterhand das Getriebe in die neutrale Stufe schaltete, und schieden nicht mehr Fahrer als üblich wegen Getriebedefekts aus, so wie Felipe Massa im Williams?
Wahr ist an der ganzen Geschichte nur eines – dass im ersten Singapur-GP-Jahr 2008 tatsächlich einige Formel-1-Boliden auf die starken Magnetfelder reagierten, wie etwa der Red Bull Racing-Renner von Mark Webber. Seitdem schützen die Rennställe gewisse Teile ihrer Autos gegen elektromagnetische Störungen mit Abschirmungen.
Der damalige Williams-Ingenieur Rob Smedley sagte mir: «Die U-Bahn hat mit dem Ausfall von Felipe rein gar nichts zu tun. Er hatte einfach ein Getriebeproblem.» Auch seitens McLaren war zu hören, dass es keinen Anlass gibt zu glauben, die Autos seien von der U-Bahn lahmgelegt worden. Das Schlusswort zur U-Bahn-Erfingung hat der frühere Formel-1-Fahrer Martin Brundle: «Das war ein reines Hirngespinst.»
Vielleicht dachte auch Ferrari-Star Sebastian Vettel an Hirngespinst, denn der Heppenheimer traute 2015 seinen Augen kaum. Im Singapur-GP meldete sich Vettel ruhig über Funk: «Äh, da ist ein Mann auf der Strecke!» Wenige Sekunden später zeigte das TV-Bild eine Person, die seelenruhig über die Bahn spazierte, nach wenigen Metern über eine Mauer sprang und wieder verschwand. Wer nicht im richtigen Moment hingeschaut hatte, hielt die Beschreibungen Anderer für so etwas wie eine Fata Morgana – bis er die Wiederholung sah.
Kurz darauf wurde der Brite Yogvitam Pravin Dhokia verhaftet, im November 2015 wurde er zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt, darüber hinaus musste er 2500 Singapur-Dollar Geldstrafe zahlen, rund 1600 Euro.
Dhokia bekannt sich vor Gericht schuldig, mit seinem Ausflug auf die Rennstrecke während des Singapur-GP die fahrlässige Gefährdung von Leben in Kauf genommen zu haben. Dhokia wurde die Zeit in Untersuchungshaft angerechnet, so dass er noch vor Jahresende wieder auf freiem Fuss war und das Land verlassen konnte. Die ganze Aktion hatte er durchgeführt, um Videos von den vorbeifahrenden Boliden zu machen. Dazu hatte er sich tüchtig Mut angetrunken.