Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Erste Bilder: Das ist die neue Formel 1 ab 2021

Von Mathias Brunner
​Grosser Bahnhof in Austin: Formel-1-CEO Chase Carey, F1-Sportchef Brawn und FIA-Techniker Nikolas Tombazis zeigen in Texas, wie die neue Formel 1 ab 2021 aussehen wird.

Auf diese Pressekonferenz waren die Formel-1-Freunde weltweit gespannt: Am Circuit of the Americas (COTA) ausserhalb von Austin, Texas, haben die mächtigsten Männer der Formel 1 präsentiert, wie die Zukunft der Königsklasse aussieht – Formel-1-CEO Chase Carey, Formel-1-Sportchef sowie Nikolas Tombazis, früher Chefdesigner von Ferrari, heute leitender Techniker des Autoverbands FIA für alle Belange in Sachen Einsitzersport. FIA-Präsident Jean Todt wurde per Video-Link zugeschaltet.

Noch nie haben der Autoverband FIA und die Formel-1-Führung so Hand und Hand und dermassen intensiv an einer neuen Rennwagengeneration gearbeitet: Nach ausführlichen Flussdynamikberechnungen, wie die Formel-1-Rennwagen ab 2021 aussehen könnten, ging die FIA in den Windkanal von Sauber um zu bestätigen, was mit den neuen Rennern anvisiert wird. Nikolas Tombazis erklärt: «Kern unserer Forschung bestand darin, den Abtriebsverlust des Verfolgers zu verringern. Wir arbeiten daher mit einem einfacheren Frontflügel und mit einem Diffusor, der mehr Abtrieb generiert. Auf diese Weise ist die Rolle des Frontflügels weniger dominant beim Erzeugen von Abtrieb, und er ist – beim Hintermann – weniger anfällig auf Strömungsveränderungen.»

Der Grieche sagt weiter: «Grundsätzlich haben sich im Windkanal die Zahlen aus der Simulation bestätigt. Es gab keine Überraschungen. Wenn wir davon ausgehen, dass heute die Anströmung um 50 Prozent verschlechtert wird, wenn ein Pilot einem anderen Auto folgen will, dann liegen wir mit dem neuen Modell bei zehn bis fünfzehn Prozent.»

Ross Brawn & Co. zeigten in Austin ihr Windkanalmodell, dazu eine Reihe von Grafiken, wie die Generation 2021 aussehen wird.

Jean Todt über Video: «Leider kann ich heute nicht in Austin sein. Aber das ist ein wichtiger Tag für den Sport, Schlusspunkt einer langen Forschung und einer engen Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Das neue Reglement ab 2021 ist vom Weltrat bewilligt worden, Technik, Sport, Finanzen, das hat es so noch nie gegeben.»

«Diese Autos werden besseren Sport erzeugen. Das Reglement wird leichter verständlich. Die Finanzen werden transparent und übersichtlich. Mit dem Kostendeckel wollen wir erzeugen, dass die Teams eine ähnliche Ausgangslage erhalten. Wenn wir das schaffen, dann wird automatisch der Sport besser. 175 Millionen ist noch immer eine hohe Summe, aber das ist mal ein Anfang.»

Formel-1-CEO Chase Carey: «In der Vergangenheit wurden zu oft Entscheidungen kurzsichtig gefällt. Wir wollten ein Reglement, das überaus durchdacht ist und unsere Ziele erfüllt, besseren Sport zu  erzeugen.»

Ross Brawn: «Wir wollten Rennwagen, mit welchen die Piloten gut attackieren können. Wir wollen, dass das Feld zusammenrückt,  dass die Teams überleben können und, last but not least, dass die Autos aufregend aussehen, schon im Stillstand. Wir wollten auch keine Autos, die ständig Teile verlieren. Die 2021er Renner werden erheblich robuster sein als die heutigen.»

Tombazis: «Die Schwerpunkte der neuen Renner aus technischer Sicht – ein einfacherer Frontflügel, wir haben keine seitlichen Luftleit-Elemente mehr, im Grunde ist dieses Auto ein Flügelauto, will heissen, Abtrieb wird weniger über die Flügel erzeugt,  welche Luftwirbel produzieren, sondern mehr mit dem Wagenkörper. Als Ergebnis können sich die Rennwagen besser folgen.»

«Die Aerodynamik um das Vorderrad wird vereinfacht, dennoch haben wir genügend Bereiche,  in welchen sich die Teams abheben können – Seitenkästen, Motorverkleidung, Lufteinlässe, Diffusor, Unterboden. Wir wollten sicherstellen, dass die Teams kreativ sein können.»

«Die neuen Autos werden schwerer sein, 768 Kilo statt 743.  Das liegt vor allem an den neuen Rädern und fünf Kilo mehr bei den Motoren, dazu wegen Verstärkungen der Chassis für  mehr Sicherheit. Die Nase ist widerstandsfähiger, die Seite ebenfalls, die Kohlefaserteile werden so sein, dass sie nicht mehr wie heute beim kleinsten Kontakt in 1000 Stücke gehen.»

«Was Getriebe angeht, so können die Teams noch immer die eigenen Kraftübertragungen bauen, aber wir führen Einschränkungen ein, so dass die Rennställe Getriebe über einen längeren Zeitraum verwenden können. Wir haben die Aufhängungen entrümpelt, was die Kinematik angeht. Es wird keine Massedämpfer mehr geben, es wird keine hydraulischen Aufhängungen geben. Die grösseren Räder machen es möglich, grössere Bremsen zu verwenden, mit 33-cm-Scheiben.»

«Die Chassis sind geräumiger, um grosse und schwerere Fahrer nicht für ihren Körperbau zu bestrafen.»

Ross Brawn sagt zu den neuen Sportregeln: «Neu ist eine Obergrenze von 25  Rennen pro Jahr. Wir behalten das Dreitageformat. Was bislang am Donnerstag stattfand, machen wir  am Freitag, gefolgt von zwei Trainings am Freitag. Die Arbeitsstunden werden verringert, mit einer längeren befohlenen Nachtruhe, um die Mechaniker zu entlasten.»

«Was die Autos am Freitag zur Strecke bringen, müssen sie am Sonntag im Rennen einsetzen. Sie dürfen weiter neue Teile testen, aber die dürfen am gleichen Wochenende nicht im Grand Prix gefahren werden. Wir wollen verhindern, dass jeden Tag neue Teile eingeflogen werden.»

«Wir werden die Arbeitsstunden auf den Motorprüfungen verringern und auch die  Stunden im Windkanal und der Flussdynamik-Berechnungen.»

Ross Brawn weiter: «Die grösse Änderung zu früher ist, dass die Finanzen neu Teil des Reglements sind. Das gab es noch nicht. Zuvor waren das Abkommen zwischen Gentlemen, aber davon gibt es nicht so viele im Fahrerlager! Wir beginnen mit 175 Millionen Dollar im Jahr, aber wir werden daran arbeiten. Für mich stand immer fest – wenn wir einen Kostendeckel einführen, dann haben die Rennställe eine fairere Ausgangslage. Und das muss zu besserem Sport führen.»

Der Engländer weiss: «Die Renner erneut schwerer zu machen, ist nicht besonders attraktiv, das ist mir klar. Aber das ist eine direkte Folge von mehr Sicherheit und der Antriebseinheiten in dieser Turbohybrid-Ära der Formel 1.»

So bremst die FIA die Rennställe aus

Tombazis weiss: Den hellen Köpfen bei den Teams ist es völlig egal, ob die Luftwirbel abnehmen. Sie sind einzig und allein daran interessiert, ein schnelles Auto zu machen. Was dahinter passiert, das ist ihnen schnuppe. Daher sagt Formel-1-Berater Pat Symonds: «Wir haben ausführlich geprüft, wie widerstandsfähig unser Reglement ist. Ich bin sicher, am Ende werden wir die besagten zehn Prozent nicht halten können, weil die Aerodynamiker ständig am Optimieren ihrer Rennwagen sein werden. Aber auch so wird es für den Hintermann massiv leichter sein, einen Gegner zu verfolgen.»

«Wir haben bereits Bereiche gefunden, welche die Techniker nutzen werden, um mehr Speed zu gewinnen – was aber die Luftwirbel wieder verstärkt. Wir versuchen also vorauszuahnen, was die Aerodynamiker machen werden, wir versuchen, die eigenen Regeln zu brechen. Wir suchen Schlupflöcher mit Konsequenzen. Das ist nicht ganz einfach.»

Nikolas Tombazis fügt hinzu: «Wir suchen nach Änderungen, welche den Wagen schneller machen. Wir versuchen so zu denken wie die Techniker denken. Gegen Speed haben wir nichts einzuwenden. Aber wir wollen nicht, dass die Luftwirbel wieder dramatisch zunehmen. Wir haben intensiv nach etwaigen, fundamentalen Schwächen im Reglement gesucht.»

«Wir wollten unsere Luftwirbelvorgabe schützen, gleichzeitig wollten wir aber auch sicherstellen, dass nicht alle Autos gleich aussehen werden. Wir haben Bereiche entdeckt, die den Rennwagen schneller machen, aber keine besonders nachteilige Auswirkung auf die Wirbel hat. In solchen Bereichen erlauben wir mehr Freiheiten.»

Im Oktober war die FIA ein weiteres Mal in der Schweiz im Windkanal von Sauber, ein nächster Test ist für Dezember vorgesehen.

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