USA-GP: Von Fledermäusen, Flaggen und Freunden
Der Grosse Preis der USA findet zum achten Mal auf dem «Circuit of the Americas» (COTA) ausserhalb von Austin (Texas) statt. Jahrelang war der US-amerikanische WM-Lauf der grösste Wandervogel der Formel 1: Die Formel 1 gastierte vor Austin an neun verschiedenen Orten – auf dem Indianapolis Motor Speedway (1950–1960 und später von 2000–2007), in Sebring (1959), dann in Riverside (1960), viele Jahre in Watkins Glen (1961–1980), auch Long Beach war beliebt (1976–1983), Las Vegas weniger (1981/1982), dazu in Detroit (1982–1988), Dallas (1984) sowie Phoenix (1989–1991). Kein Grosser Preis im Rahmen der Formel-1-WM hat eine solche Irrfahrt hinter sich. Die US-Rennlegende Mario Andretti stellt zufrieden fest: «Mit Austin hat das Rennen endlich wieder ein angemessenes Zuhause gefunden.»
Erste Siedler liessen sich schon im Jahre 1835 in Austin nieder, aber die Stadt wurde erst 1839 offiziell gegründet – und hiess gar nicht Austin, sondern Waterloo! Wieso also Austin? Der Stadtname Austin geht auf den ersten Staatssekretär zurück, auf Stephen F. Austin (1793–1836).
Austin ist nicht nur das Heim des US-amerikanischen WM-Laufs, sondern auch das Zuhause einer der grössten Fledermaus-Kolonien der Welt. Jeden Abend schwärmen im Sommer 1,5 Millionen mexikanischer Fledermäuse aus, die unter der «Congress Avenue Bridge» wohnen. Ein Spektakel, das von unzähligen Touristen verfolgt wird. Aber nicht Ende Oktober – die meisten Bats sind schon Richtung Mexiko abgehaut, was auch gut ist. An diesem Mittwoch hatten wir in Austin eben mal 8 Grad, bei einer steifen Brise, so dass mir im Fahrerlager ein Mechaniker sagt: «Da ist es beim Wintertest in Barcelona ja angenehmer.»
Der «Circuit of the Americas» (COTA) ist die erste US-Rennstrecke, die eigens für die Formel 1 gebaut worden ist – für angeblich rund 300 Millionen Dollar.
Austin ist nach Dallas der zweite Grand Prix im US-Bundesstaat Texas. Falls Sie sich je gewundert haben sollten, wieso Texas Texas heisst: Texas leitet sich ab von «tejas». Die ersten spanischen Siedler fanden die einheimischen Caddo-Indianer so umgänglich, dass sie sie Tejas nannten (Freunde).
Eine Eigenheit der COTA-Rennstrecke: Gewisse Abschnitte erinnern an europäische Traditionspisten. Die Bergaufpassage zur ersten Kurve an den früheren Österreichring, die schnellen Richtungswechsel in den Kurven 4 bis 6 ähneln dem Maggots-Becketts-Komplex in Silverstone. Der dritte Sektor ist ein eher technischer Abschnitt, ähnlich dem Motodrom in Hockenheim. Der COTA-Pistenverlauf weist einen Höhenunterschied von fast 40 Metern auf.
COTA ist nur eine von fünf Rennstrecken im Formel-1-Jahresprogramm, auf welchen gegen den Uhrzeigersinn gefahren wird (die anderen sind Baku, Singapur, Brasilien und Abu Dhabi).
Die Farben von Texas leiten sich so ab: Weiss steht für Reinheit, Blau für Loyalität, Rot für Mut. Der «Lone Star» (der einsame Stern) geht auf die ursprüngliche Flagge der Republik Texas zurück, auf der so genannten «Burnet Flag». Der Einzelstern als Symbol steht für die Unabhängigkeit von Texas von Mexiko sowie als Zeichen der Einigkeit für Gott, Staat und Vaterland.
Der Bundesstaat Texas ist grösser als Deutschland, Grossbritannien und die Benelux-Staaten zusammen.
Kein US-amerikanischer Rennfahrer hat je den Grossen Preis der USA gewonnen (auch wenn das Indy 500 jahrelang zur Formel-1-WM zählte).
Austin (Motto: «Keep Austin Weird» – haltet Austin merkwürdig) ist eine junge Stadt, mit 75.000 Studenten und mehr als 200 Live-Musikklubs. Jedes Jahr finden in Austin mehrere Musikfestivals aller Art statt. Die Stadt selber nennt sich nicht ganz unbescheiden «Livemusik-Hauptstadt der Welt». Jahrelang standen am Flughafen und in der Stadt von Künstlern bemalte Gitarren.
Ebenfalls bemerkenswert: Der Bundesstaat Texas ist seit vielen Jahren fest in republikanischer Hand, die Stadt Austin hingegen ist eine Hochburg der Demokraten.