Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Max Verstappen beim Brasilien-GP: Offene Rechnung

Von Mathias Brunner
Esteban Ocon gegen Max Verstappen in Brasilien 2018

Esteban Ocon gegen Max Verstappen in Brasilien 2018

​Wenn es nach Max Verstappen geht, dann müsste er als 2018er Sieger des Brasilien-GP nach Interlagos zurückkehren. Leider stolperte er über Esteban Ocon. Die Szene gab sehr viel zu reden.

Klar war das vor einem Jahr ein gefundenes Fressen für die Medien. Es passiert heutzutage nicht so oft, dass sich zwei Piloten nach einem Formel-1-WM-Lauf an die Wäsche gehen. In Brasilien waren Esteban Ocon und Max Verstappen kollidiert, als sich der französische Force-India-Fahrer zurückrunden wollte. Verstappen kostete das den Sieg. Nach seiner Fahrt zu Rang 2 hinter Lewis Hamilton stellte er Ocon zur Rede, als der eher hämisch reagierte, brannten bei Max die Sicherungen durch und er schubste seinen Widersacher etwas in der Gegend herum. Pippifax, meinten viele Formel-1-Fans danach, andere hingegen fanden – anfassen, das geht gar nicht. Dieser Meinung war auch der Autoverband, der Max für sein Verhalten zwei Tage gemeinnütziger Arbeit in Diensten der FIA aufbrummte.

Klar war die Szene auch beim anschliessenden WM-Finale von Abu Dhabi noch ein Thema. Max Verstappen scherzte: «Ihr liebt das Drama, nicht wahr? Für mich ist alles in Ordnung, weil ich ohnehin nicht mehr ändern kann, was passiert ist. Das Ganze war eher unglücklich. Ich finde es noch immer verrückt, mit einem Hinterbänkler zusammenzurumpeln, aber auch das kommt eben vor.»

Aber wie tief der Stachel sass, das zeigte schon die Formulierung «mit einem Hinterbänkler». Ocon, in klugem Sicherheitsabstand zu Max hinter dem Ferrari-Duo Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen sitzend, verzog keine Miene.

Max: «Ich würde nichts anders machen als in Brasilien. Ich hatte Lewis die Führung abgeknöpft. Die meisten unserer Rennen 2018 sind vom Reifen-Management bestimmt. Als ich die Führung übernommen hatte, fuhr ich reifenschonend. Dann kommt einer mit frischen Superweichreifen raus. Klar profitierte er von mehr Speed für ein paar Runden, aber wir an der Spitze fahren ja gar nicht voll. Vielleicht hätte er mich überholen und sogar wegziehen können, aber nach wenigen Runden hätte ich ihn wieder eingeholt, wenn seine eigenen Reifen nachlassen und er mich ohnehin wieder hätte passieren lassen müssen, also wozu das Ganze?»

Ocon druckste ziemlich herum: «Es ist nicht schön, in eine Kollision mit dem Leader verwickelt zu sein. Es tut mir leid für Max, dass er den Sieg verloren hat, weil er ein tolles Rennen gefahren hat. Aber ich war richtig flott unterwegs, ich war eingeklemmt. Mein Team sagte am Funk: ‘Wenn du schneller bist, dann entrunde dich.’ Ich sah, dass Max mit seinen Walzen haushielt. Ich wollte die Runde gutmachen, um für eine etwaige Safety-Car-Phase gerüstet zu sein. Leider kann ich nicht ändern, was passiert ist.»

So eine richtige Entschuldigung war das nicht. Wir hatten eher das Gefühl: Hier schwelt eine Rivalität weiter, die schon im Kartsport begann und über die Formel 3 nun eben in der Formel 1 anhält – und 2020 weitergehen wird, wenn Ocon für Renault Rennen fährt.

Max über die heiklen Szenen nach dem Rennen: «Ich wollte eine Entschuldigung hören, erhielt aber eine ganz andere Antwort.»

Um genau zu sein, kam vom Franzosen hämisches Grinsen. Das reichte, um die Dynamitstange Verstappen zum Explodieren zu bringen. Max: «Wir sind keine Roboter, wir sind alle Menschen mit Emotionen. Ich hatte eben den sicher scheinenden Sieg verloren. Wenn ich so daran denke, habe ich eigentlich recht ruhig reagiert. Das hätte viel schlimmer werden können. Zudem wissen die meisten Menschen nicht, wie es sich anfühlt, einen Rennwagen zu fahren und einen Sieg zu verlieren.»

«Ich habt nicht gehört, was dort gesagt wurde. Ihr habt nur mich schubsen sehen. Wenn ihr die ganze Unterhaltung kennen würdet, dann wäre das alles anders.» Auf die Frage, was Ocon denn gesagt habe, meint Max: «Es spielt jetzt keine Rolle mehr. Es machte mich stinksauer, statt mich zu besänftigen. Wir haben eben alle Adrenalin im Körper.»

«Und das Schubsen? Das passiert doch in jedem Sport. Im Fussball sehen wir das ständig, also alles in allem war meine Reaktion eher gemässigt. Ich meine: Was erwarten die Leute denn von mir? Dass ich seine Hand schüttle und mich dafür bedanke, dass ich nur Zweiter geworden bin?»

«Nein, ich finde, das war eine nachvollziehbare Antwort, aber gut, jetzt habe ich zwei Tage Dienst für die FIA. Wir müssen noch herausfinden, was das genau sein soll.»

Verstappen ist schon ein GP-Star, Ocon hat das Potenzial dazu, die beiden werden sich noch viele Male begegnen. Haben wir hier ein Problem zwischen zwei Männern? «Nö», meint Max, «wir sind ja im Kart und in der Formel 3 auch gegeneinander gefahren.» Neben ihnen wirft Sebastian Vettel grinsend ein: «Männer? Ich würde sagen, Jungs.» Ocon meint: «Einige Male ist es eng geworden zwischen uns. Ich will einfach, dass die Fans ihren Spass haben und wir auch, aber es soll daraus kein Problem werden.»

Max: «Ich verstehe nicht, was ich in dieser Situation hätte anders machen sollen. Es ist das Eine, wenn sich zwei Fahrer um die Führung balgen, und es passiert etwas. Aber eine Kollision mit einem Nachzügler, also wirklich!»

Fakt ist: Verstappen ist überzeugt davon, dass er dieses Rennen hätte gewinnen müssen. Und er glaubt, dass er 2019 nachholen kann, was ihm vor knapp zwölf Monaten entgangen ist. «Ich schätze, beim kommenden Rennen in Brasilien haben wir gute Chancen. Im vergangenen Jahr waren wir in Interlagos sehr konkurrenzfähig. Ich hätte gewonnen, das hat wegen eines Hinterbänklers leider nicht geklappt. Aber ich glaube, wir sollten auch in Südamerika aufs Podest gelangen können», so Verstappen bei einer Veranstaltung seines Sponsors Exact.

Zur Piste meint Max: «Die Runde ist recht kurz, das führt dazu, dass die Abstände im Feld noch geringer werden. Die Piste macht Spass, sie bietet eine gute Kombination von Kurven. Dazu wird im Gegenuhrzeiger gefahren, was die Belastung für den Nacken erhöht. Dem Qualifying kommt noch grössere Bedeutung zu als sonst, weil Überholen in Interlagos nicht ganz einfach ist. Und wir müssen immer mit verrücktem Wetter rechnen, wie wir alle noch von 2016 wissen. In Brasilien erzeugen die Fans eine ganz besondere Atmosphäre, ihre Leidenschaft für den Sport liegt wie Elektrizität in der Luft – das ist ansteckend und fabelhaft.»

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