Carlos Ghosn: Japan reagiert auf harte Vorwürfe
Carlos Ghosn
Rund 150 Journalisten hatten sich am Mittwoch in der libanesischen Hauptstadt versammelt, um den Worten des geflohenen Ex-Managers Carlos Ghosn zu lauschen. Doch wer bei der Pressekonferenz in Beirut auf Details zu seiner spektakulären Flucht aus Japan gehofft hatte, wurde enttäuscht. Präsentiert wurde stattdessen eine mehr als zweistündige Brandrede, in der Ghosn schwere Vorwürfe gegen die japanische Justiz erhob.
Der frühere Chef des Nissan-Verwaltungsrats sprach davon, «Geisel» des japanischen Justizsystems gewesen zu sein, während seiner monatelangen Einzelhaft seien grundsätzliche Menschenrechte verletzt worden, klagte er an, und erzählte, dass er bis zu acht Stunden am Tag ohne Anwalt verhört worden sei. Die schlechten Haftbedingungen hätten ihm schliesslich keine andere Wahl gelassen als die spektakuläre Flucht in den Libanon, die ihm Ende Dezember im Privatjet mit Zwischenstopp in der Türkei gelang, wie der libanesische TV-Sender MTV berichtete.
Die japanische Regierung will diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Justizministerin Masako Mori erklärte am Donnerstag gegenüber Medien, dass diese Anschuldigungen «absolut untragbar» seien und der frühere Spitzenmanager falsche Informationen über das Rechtssystem in Japan verbreitet habe. Und sie betonte, dass die Flucht an sich als Verbrechen angesehen werden könne. Kein Land würde ein solches Verhalten dulden.
Die Japaner versuchen denn auch, mit einem Fahndungsaufruf der internationalen Polizeibehörde Interpol an den Manager-Star heranzukommen, der einst in Japan als Held verehrt wurde, weil ihm die Sanierung von Nissan und Mitsubishi gelang. Doch wie die meisten Länder liefert der Libanon eigene Staatsangehörige nicht aus. Entsprechend unwahrscheinlich ist sein Erscheinen zum Prozess in Japan, der in diesem Frühjahr über die Bühne gehen soll. Wie die Kollegen der AFP berichteten, ist Ghosn mit einem zweiten französischen Pass gereist, nachdem ihm bereits zuvor ein brasilianischer, französischer und libanesischer Pass abgenommen worden waren.
Ghosn wird vorgeworfen, Firmengelder schwarz kassiert, veruntreut und unterschlagen zu haben. So soll der langjährige Renault-CEO etwa mit Finanzen aus dem Unternehmen in verschiedenen Städten wie Rio, Paris, Amsterdam und Beirut Luxuswohnungen gekauft haben. Auch ein Beratervertrag in Millionenhöhe, den seine Schwester abgeschlossen hat, erscheint den Ermittlern verdächtig. Wie immer gilt auch hier die Unschuldsvermutung.