Pierre Gasly (AlphaTauri): Tief beeindruckt von Honda
2019 musste der Franzose Pierre Gasly die bittere Pille schlucken, von Red Bull Racing zur Scuderia Toro Rosso zurückgeschickt zu werden. Natürlich war das nicht schön. Doch der Franzose liess sich davon nicht entmutigen und holte in Brasilien seinen ersten GP-Podestplatz, als grandioser Zweiter hinter Max Verstappen – Doppelsieg für Red Bull, Doppelsieg für Honda.
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner lobte: «Das Gute war, dass Pierre im Wechsel zu Toro Rosso etwas Positives gesehen hat. Er hat immer noch ein Cockpit in der Formel 1 und gehört auch immer noch zum Red Bull-Programm.»
Gasly blickt so in den Rückspiegel: «In den vergangenen sieben Jahren war ich immer sehr konkurrenzfähig, die einzige Ausnahme bilden die sechs Monate bei Red Bull Racing. Wenn man sich die Resultate anschaut, die ich seit Belgien für Toro Rosso erzielte, dann habe ich mir mein Cockpit für 2020 auf jeden Fall verdient.»
Der WM-Siebte von 2019 sagt: «Ich bin glücklich, auch 2020 Teil dieses Teams zu sein, wir stehen vor aufregenden Zeiten. Ich bin bis in jede Haarwurzel motiviert, mich mit guten Leistungen zu bedanken für das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird. Toro Rosso steigert sich von Jahr zu Jahr, und wir können auch 2020 Grosses erreichen.»
Den Vergleich mit seinem Stallgefährten Daniil Kvyat braucht Gasly nicht zu scheuen, wie unser Vergleich der zweiten Saisonhälfte zeigt.
Daniil Kvyat – Pierre Gasly
Abschlusstrainings 2:7
Rennen 4:4
Punkte 10:32
Siege 0:0
Podestplatzierungen 0:1
Top-10-Platzierungen 4:5
Beste Rennrunden 0:0
Daran will der Nordfranzose anknüpfen. Er sagt zur kommenden Saison: «Wir dürfen wirklich stolz darauf sein, was wir 2019 erreicht haben. Und alle sind top-motiviert, 2020 noch einen draufzusetzen.»
«Ich finde, ich habe 2019 sehr viel gelernt, nicht nur als Rennfahrer, auch als Mensch. Und ich hätte mir mit dem zweiten Platz in Brasilien keinen besseren letzten Saisonteil wünschen können. Mein Plan ist recht simpel – ich will so gut weitermachen, wie ich die vergangene Saison beendet habe.»
«Ich glaube fest an diesen Schwung, denn die Mannschaft ist die gleiche, und ich spüre den Hunger der Menschen im Rennwagenwerk. Alle freuen sich wahnsinnig darauf, den AlphaTauri auf die Bahn zu bringen und loszulegen.»
«Ich selber gehe nun in meine dritte Saison, und nie war ich besser auf meine Aufgabe vorbereitet. Ich bin zur Mitte des Jahres zum Team zurückgekehrt, und wir haben immer besser verstanden, wie wir gegenseitig das Beste aus uns herausholen. Wir wollen in jedem Rennen punkten, und das ist ein realistisches Ziel. Und wir wollen Gelegenheiten wie in Deutschland mit Daniil und mit mir in Interlagos weiter eiskalt nutzen.»
Elementar für eine gute Saison von AlphaTauri wird Honda sein. Pierre weiter: «Ich war tief beeindruckt davon, was die Japaner 2019 gemacht haben. Sie haben die ersten Siege eingefahren, endlich beginnt sich die harte Arbeit von Honda auszuzahlen.»
Gasly und AlphaTauri, das passt gleich doppelt, denn Pierre sagt: «Ich bin nach Mailand umgezogen, wo AlphaTauri ja einen grossen Laden führt. Ich bin ein Mode-Fan, das war einer der Gründe, wieso es mich nach Mailand gezogen hat.»
Gasly: Glanzleistung in Brasilien
Es waren Momente, die durch Mark und Bein gingen. Pierre Gasly hörte gar nicht mehr auf zu brüllen, der Franzose schrie sich seinen ganzen Frust von der Seele, er klang wie ein Tier, das viel zu lange eingesperrt war und nun in Freiheit ist. Nein, es hatte gewiss keinen Spass gemacht, im vergangenen Sommer diese Nachricht zu erhalten – die Leistungen mit Red Bull Racing-Honda zu wenig gut, gemessen an Max Verstappen; daher Versetzung vor dem Belgien-GP zu Toro Rosso, während im Gegenzug der Thai-Brite Alex Albon ins grössere Red-Bull-Team rückte.
Albon bedankte sich mit einem Spitzenergebnis nach dem anderen, und wäre er in Brasilien nicht von Lewis Hamilton angeschubst worden, so hätte er wohl einen Doppelsieg von Red Bull Racing-Honda sichergestellt. Aber das ist eben Interlagos! «Hier kann alles passieren», hatte Ferrari-Star Sebastian Vettel am Donnerstag vor dem Grand Prix orakelt, und das traf nicht nur auf den Heppenheimer zu, sondern eben auch auf Albon und Gasly, deren Karrieren nun so eng miteinander verwoben sind.
Durch die Kollision der beiden Ferrari und durch den ungestümen Angriff von Hamilton auf Albon lag auf einmal Gasly auf dem zweiten Rang, und der Franzose fuhr jetzt gewaltig die Ellbogen aus.
Ich kann mich gut daran erinnern, wie hart die Kritik an Pierre nach dem Chaos-GP von Hockenheim gewesen war, als er sich damals im RBR-Rennwagen von Albon im Toro Rosso demütigen lassen musste. Das war einer der Gründe, wieso er im Sommer versetzt wurde.
Nun aber, als Weltmeister Hamilton, auf Rang 2 dürstend, im Rückspiegel von Gasly immer grösser wurde, da wurde schnell klar: An diesem Tag wird Pierre seinen Platz verteidigen, oder dann kracht es eben.
Gasly wehrte sich gegen die letzte Attacke von Hamilton, am Ende lag er um 62 Tausendstelsekunden vor dem Engländer. 62 Tausendstel, das sind zwei Wimpernschläge ...
Doppelsieg für Honda, mit einem Red Bull Racing-Piloten vor einem Toro Rosso-Fahrer, wer auf so ein Ergebnis Geld gesetzt hat, dürfte ein sehr reicher Mann geworden sein.
Der zweite Rang von Gasly ist das beste Formel-1-Ergebnis des Mannes aus der Rennstadt Rouen, und wir müssen um zwei Jahre bis nach Sugo 2017 zurückblättern, als er letztemals auf dem Siegerpodest zu sehen war, damals in der Top-Monopostoserie von Japan, in der Super Formula.
Zweiter Rang für Gasly, das ist auch das beste Ergebnis für Toro Rosso seit dem nicht weniger sensationellen Sieg von Sebastian Vettel in Monza 2008. In dieser irren Saison 2019 wurde Daniil Kvyat in Hockenheim Dritter, auch damals im Regen von Süddeutschland hatte Toro Rosso eine Chance eiskalt genutzt.
Gasly nach dem Rennen: «Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Jeder kann mir nachfühlen, dass dies keine einfache Saison gewesen ist, und nun finde ich mich auf dem Siegerpodest wieder, ich bin platt. Das ist mein erstes Siegerpodest in der Königsklasse, und ich hatte schon fast vergessen, welche überirdisches Gefühl es ist, unter die ersten Drei zu kommen. Diesen Tag werden alle meine Kollegen von Toro Rosso und ich nie vergessen!»
«Es war immer mein Ziel, in diesem Jahr auf dem Podest zu stehen, klar sollte das eigentlich anders laufen, aber nun stehe ich hier, ich bin fassungslos.»
Wie hat Gasly diese letzte Attacke von Lewis Hamilton erlebt? «Ich sah ihn kommen, dann duckte ich mich ganz tief ins Auto, ich wollte jedes mögliche km/h gewinnen, um auch ja vorne zu bleiben – und dank des starken Honda-Motors hat das auch geklappt.»
«Honda hat in diesem Jahr unglaubliche Fortschritte erreicht. Ohne die unablässige Arbeit der Japaner wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen. Ich bin überglücklich – und komplett fertig.»