Gerhard Berger über Didi Mateschitz: Chemie stimmt
Ich fuhr gerade meine erste volle Formel-1-Saison im Team von Arrows-BMW. Das Geld war knapp, und selbst für kleinere Summen musste ich mich unglaublich lang machen. BMW glaubte an mich, das war mein Glück. Aber ich lebte von der Hand in den Mund und musste ständig zittern, ob nicht eines Tages ein anderer Fahrer mit solider Mitgift zu Teamchef Jackie Oliver gehen und mir mein Cockpit streitig machen würde.
Das Auto war robust, aber langsam, mein Maßstab war Teamkollege Thierry Boutsen – Belgier, routinierter Fahrer –, und ich hatte das Gefühl, dass ich ihn Zug um Zug immer besser in den Griff bekam. Doch meine Zukunft sah alles andere als rosig aus, denn der WM-Stand vor dem Großen Preis von Österreich sagte etwas ganz Anderes: Boutsen neun WM-Punkte, Berger null. Jetzt hatte er mich auch noch im Qualifying ausgerechnet beim Heimrennen geschlagen, wenngleich bloß um eine mickrige Hundertstelsekunde.
So stand ich also im Fahrerlager, als sich mir ein großgewachsener Mann vorstellte. Beim Heimrennen steht man noch mehr im Fokus als normal, und die allermeisten der Händeschüttler wollen etwas von dir. So auch dieser Mann hier: Er wolle mich sponsern, sagte er. Er habe die Idee für ein tolles neues Produkt, und ich sei das perfekte Testimonial. Normalerweise hältst du das Gespräch in solchen Fällen kurz, rollst innerlich die Augen und gehst. Leider war ich nicht in der Position, die Augen rollen zu können, und begann zuzuhören.
Firma habe er zwar noch keine, erklärte er mir, aber das sei bloß eine Frage von Tagen, höchstens Wochen oder Monaten. Er habe auch nicht wirklich Geld, ich müsste also bitte ein wenig in Vorleistung gehen. Er könne mir immerhin die unglaubliche Summe von 10.000 Dollar anbieten.
Jetzt wäre eigentlich der zweite Zeitpunkt zum Augenrollen gewesen, denn 10.000 Dollar brachten einen schon 1985 in der Formel 1 nirgendwohin, aber irgendwie gefiel mir der Typ von Anfang an, und er taugte mir mit jedem Satz mehr. Er war enthusiastisch, überzeugend, ein Macher, kein Dampfplauderer, das war eindeutig. Die Chemie zwischen uns beiden stimmte von Anfang an, und das ist ein guter Start für jede Art von Geschäftsbeziehung, wie ich finde. Wir verabredeten uns nach dem Training auf ein Bier oben im Enzingerhof, in der Nähe der alten Bosch-Kurve.
Sie haben es sicher erraten, der lange Kerl hieß Didi Mateschitz, das tolle Produkt, an das er so fest glaubte, war Red Bull. Ein halbes Jahr nach unserem Treffen hatte er seine Firma tatsächlich gegründet und rief mich an, ob unser Deal noch gelte. Klar, sagte ich, haben wir ja so ausgemacht.
So wurde aus der Begegnung im Fahrerlager eine einzigartige Erfolgsgeschichte im Motorsport, eine all die Jahre überdauernde Partnerschaft – und noch viel mehr: eine lebenslange Freundschaft zwischen uns beiden. Seinetwegen hatte ich im Jahr darauf meinen ersten Clinch mit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, weil ich meine Red Bull-Trinkflasche in Mexiko aufs Siegespodium mitnahm, er das Podest aber exklusiv an einen Champagnerhersteller verkauft hatte. Bernie ging durch die Decke, doch ich ließ mich nicht unterkriegen. Das war der Geist der frühen Jahre, immer ein wenig frech und gegen den Strich gebürstet. Dass ich bei Ferrari fuhr, als es mit Red Bull so richtig losging, half uns natürlich beiden.
Manchmal staune ich, was aus der Begegnung vor 35 Jahren alles geworden ist. Sie war der Ursprung des Motorsport-Sponsorings bei Red Bull, das es sonst vielleicht nie gegeben hätte. Aus dem Österreichring ist der Red Bull Ring geworden. Es gibt mit Red Bull Racing und der Scuderia AlphaTauri gleich zwei Formel-1-Rennställe, es gibt das Nachwuchsprogramm. Red Bull hat Sieger und Weltmeister hervorgebracht. Hätte Didi damals im Fahrerlager nicht auf mich gewartet, wären wir heute nicht hier – ich nicht am Red Bull Ring und Sie nicht vor dem Fernseher mit tollen Bildern aus Spielberg beim kommenden ersten Großen Preis der Steiermark.
Gerhard Berger (60) bestritt zwischen 1984 und 1997 210 Formel-1-Rennen, von denen er 10 gewann und 48 auf dem Podium beendete. Der Tiroler wurde 1988 und 1994 jeweils WM-Dritter. Heute ist er Chef der DTM und hat diese Zeilen ursprünglich für «The Red Bulletin» verfasst.