Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Sebastian Vettel & Red Bull Racing: Ein Sommermärchen

Von Günther Wiesinger
Sebastian Vettel muss sein Ferrari-Cockpit nach der Saison 2020 räumen

Sebastian Vettel muss sein Ferrari-Cockpit nach der Saison 2020 räumen

Viele deutsche Fans würden sich über eine Red Bull Racing-Rückkehr von Sebastian Vettel freuen. Doch macht ein Comeback des vierfachen Weltmeisters auch aus Sicht des Teams Sinn?

Sebastian Vettel war am Montag nach dem ersten WM-Lauf der Saison beim österreichischen Privatsender ServusTV in der Sendung «Sport und Talk im Hangar-7» zu Gast, um über seine GP-Zukunft zu plaudern. Das alleine reichte, um bei einigen Zuschauern die Hoffnung zu wecken, der Deutsche könnte zu jenem Rennstall zurückkehren, mit dem er zwischen 2010 und 2013 vier WM-Titel in Folge gefeiert und 39 seiner 53 GP-Triumphe erzielt hat. Denn ServusTV gehört zum Red Bull Media House, es war also quasi ein Besuch in Salzburg bei alten Freunden.

Der Ferrari-Star, der für 2021 auf Cockpit-Suche ist, war es auch, der 2008 in Monza den ersten GP-Sieg für Red Bull eroberte – im GP-Renner der Nachwuchsschmiede Toro Rosso, die er nach Ablauf der Saison in Richtung Red Bull Racing verliess.  Mit dem Rennstall aus Milton Keynes bildete Vettel bis zum Start der aktuellen Turbo-Hybrid-Ära ein perfektes Team – zwischen 2010 und 2013 gewann der heute 33-Jährige vier WM-Titel. Die bisher einzigen für Red Bull Racing.

Doch nach einer enttäuschenden Saison 2014 verliess der Heppenheimer die Red Bull-Familie, der er so lange angehört hatte, um mit Ferrari auf Titeljagd zu gehen. Dort blieb er jedoch in den vergangenen fünf Jahren gegen Mercedes ohne Titelgewinn, und deshalb wird Vettel sein Cockpit bei den Roten nach dieser Saison räumen müssen. Es wird wohl auch seine immens hohe Millionen-Gage in Corona-Zeiten nicht mehr so richtig ins Budget des schwächelnden Fiat/Chrysler-Konzerns passen.

Das frühere Zugpferd Vettel muss Platz machen für den jungen Carlos Sainz, der seinen Platz einnehmen wird – für einen Bruchteil der Vettel-Gage. Damit hatte auch der Wahlschweizer nicht gerechnet. Seine Optionen, ein konkurrenzfähiges Cockpit für 2021 zu ergattern, sind überschaubar. Sebastian hat die Wahl: Entweder er kehrt zu Red Bull Racing zurück, oder er wechselt zu Mercedes. Zwei weitere Möglichkeiten: Er pausiert ein Jahr wie einst Alain Prost. Auch Niki Lauda hat sich seinem schweren Unfall mal eine Auszeit gegönnt und ist nachher noch einmal Weltmeister geworden.  Vettel könnte aber auch ganz aufhören. Das scheint im Moment nicht die unwahrscheinlichste Variante zu sein.

Vettels Problem ist, dass sowohl Red Bull Racing als auch das aktuelle Weltmeister-Team Mercedes gut aufgestellt sind. Talent ist keine Mangelware bei den beiden Ferrari-Gegnern, aus beiden Lagern ist deshalb zu hören, dass man Vettel als Rennfahrer und Menschen zwar sehr schätze, man aber mit den eigenen Piloten zufrieden sei.

Ausserdem passt die Verpflichtung von Vettel nicht ins Konzept und Gehaltsschema beim zweiten Fahrer neben Verstappen von Red Bull Racing, wie Dr. Helmut Marko bereits mehrfach klargestellt hat. Auf die Frage, ob Vettel für 2021 ein Thema sei, sagte der 77-jährige Steirer heute klipp und klar: «Nein.»

Außerdem hat Red Bull Racing mit Max Verstappen einen vielversprechenden Titelanwärter an Bord, dessen Zusammenarbeit mit seinem aktuellen Teamkollegen Alex Albon gut funktioniert.

Apropos Albon: Der Thai ist nicht nur wegen seiner Herkunft – Red Bull gehört Dietrich Mateschitz und der thailändischen Yoovidhya-Familie – eine gute Wahl für Red Bull Racing. Der 24-Jährige, der in London aufgewachsen ist, hat erst eine GP-Saison absolviert, sein Talent dabei aber mehr als einmal unter Beweis gestellt. Zuletzt glänzte er beim Formel-1-Saisonauftakt in Spielberg in der vergangenen Woche. Albon hatte sogar gute Aussichten auf den Sieg – bis ihn Lewis Hamilton von der Strecke schubste. Schon zwei Rennen zuvor beim Brasilien-GP hatte der sechsfache Champion das Red Bull Racing-Talent um ein starkes Resultat gebracht.

Natürlich hat man bei Red Bull Racing die Erfolge nicht vergessen, die mit Vettel gefeiert wurden. Aber Vettel repräsentiert die Vergangenheit, Verstappen und Albon die Zukunft. Albon steht im Gegensatz zu Vettel am Anfang seiner Karriere, seine Formkurve zeigt steil nach oben. Fakt ist auch: Vettel konnte in den fünf Jahren seit seinem Red Bull Racing-Abgang nur 14 GP-Siege einfahren, zuletzt häuften sich die Fehler des früheren Dauersiegers, der bei Ferrari aussortiert wurde.

Und dass Red Bull Racing lieber auf die eigenen Stars setzt als grosse Namen an Bord zu holen, wurde schon bewiesen, als Fernando Alonso für 2007 bei Red Bull Racing fahren wollte, als Zwischenstation für ein Jahr nach McLaren-Mercedes und vor dem Wechsel zu Ferarri, wo er schon einen Vorvertrag für 2008 hatte. Alonso stritt damals 2007 bei McLaren heftig gegen Lewis Hamilton um die Vormachtstellung im Team, so dass Kimi Raikkönen als Lachender Dritter die Formel-1-WM gewann. Dietrich Mateschitz gab Alonso damals für 2008 einen Korb, denn er plant lieber langfristig und entschloss sich zum Weitermachen mit Mark Webber und David Coulthard.

2009 trat Red Bull Racing dann mit Webber und Vettel an, Coulthard trat zurück.

So wünschenswert ein Verbleib von Sebastian Vettel in der Formel-1-Startaufstellung für viele Fans auch ist, die Spekulationen um seine Red Bull Racing-Rückkehr bleiben ein Sommermärchen mit überschaubarem Wahrheitsgehalt.

Traurige Aussichten: Nach Michael Schumacher, Nick Heidfeld, Ralf Schumacher, Nico Rosberg, Timo Glock, Adrian Sutil, Pascal Wehrlein und Nico Hülkenberg verliert die Formel 1 jetzt womöglich mit Sebastian Vettel einen weiteren Deutschen. Den letzten Mohikaner.

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