Montezemolo: Ferrari-Saison futsch, Fehler mit Vettel
Luca Montezemolo 2019 in Mailand
Der Radiosender GR Parlamento hat Luca Montezemolo (72) zum Interview gebeten. In der Sendung «La Politica nel Pallone» versucht der langjährige Ferrari-Präsident, den Schwierigkeiten bei Ferrari auf den Grund zu gehen.
Montezemolo, von 1991 bis 2014 Chef bei Ferrari, betont als Erstes, wie sehr ihm das Herz blutet: «Nach meiner Familie kommt im Leben gleich Ferrari. Und was wir derzeit erleben, hat seinen Ursprung einige Jahre zurück. 2014 haben wir ein neues Reglement erhalten, Ferrari war auf die Einführung dieser neuen Motorgeneration ungenügend vorbereitet. Wir haben das damals unterschätzt, und dafür haben wir die Quittung bekommen. Aber schon 2015 waren wir konkurrenzfähig.»
«Das heutige Problem ist die Organisation. Ferrari hat eine Organisation, die sich von allen anderen Rennställen abhebt. Auf Mattia Binotto lastet nicht nur die Verantwortung des technischen Leiters, er muss sich als Teamchef um die ganze Rennabteilung kümmern, um die Fahrer, um die Politik, ums Reglement. Es wurden Fehler begangen. Wenn du einen Techniker vom Kaliber James Allison gehen lässt und glaubst, du kannst alles zuhause erledigen, dann ist das ein Fehler. Talente wie Allison oder Lorenzo Sassis sind zu Mercedes gezogen.»
«Ich sehe die Formel 1 ein wenig wie den internationalen Fussball. Es kommt nicht auf die Nationalität an, du brauchst auf jedem einzelnen Posten den bestmöglichen Mitarbeiter.»
«Heute mache ich mir grosse Sorgen. Ich kann mir nur schwerlich vorstellen, wie Ferrari sich schnell aus dieser Lage befreit, in einer Phase, in welcher wir fast jede Woche ein Rennen haben. Da reicht ein neuer Frontflügel oder neue neue Fahrzeugnase nicht. Hinzu kommt: Wenn du dich verstärkt darauf konzentrierst, das gegenwärtige Auto schneller zu machen, dann riskierst du, zu wenig ans 2022er Fahrzeug zu denken, wenn wir eine völlig neue Modellgeneration erhalten. Man muss den Mut aufbringen zu sagen: Diese Saison ist verloren.»
«Ich bin der Ansicht, dass Binotto zu viel Last aufgebürdet wird. Alles neu anfangen, ginge zu weit, aber diese Organisation funktioniert in der modernen Formel 1 so einfach nicht gut. Zu meinen Zeiten hatten wir auf allen Posten die Besten – Jean Todt, Ross Brawn, Rory Byrne, Paolo Martinelli, Stefano Domenicali.»
Zu Sebastian Vettel sagt Montezemolo: «Ich hätte die Trennung von Sebastian nie so früh verkündet. Das erhöht doch nur den Druck auf den jungen Leclerc. Es ist nie einfach, zwei Nummer-1-Fahrer glücklich zu machen. Es ist schon richtig, auf einen Mann zu setzen. Aber ich hätte mit der Bestätigung gewartet. Doch das Problem von Ferrari sind ohnehin nicht die Fahrer, sondern ein Auto, das einfach nicht konkurrenzfähig ist.»