Nico Rosberg: «Teamsitzung? Ich gucke Fussball!»
Nico Rosberg ist Fussballfan
Nico, morgen ist ein grosses Spiel – Deutschland gegen Frankreich.
(Die Frage stammt von einem französischen Kollegen.)
(Rosberg schmunzelt und sagt dann augenzwinkernd:) Nun, das hängt von der Perspektive ab. Für euch ist es ein grosses Spiel, für uns einfach ein weiteres Richtung Finale ...
Besteht eigentlich Rivalität zwischen Deutschen und Franzosen in der Formel 1?
Nun, da gibt es das Duell zwischen den Motorenherstellern Renault und Mercedes. Aber was mich wirklich umgehauen hat: In der ganzen langen Historie der Fussball-WM sind Frankreich und Deutschland bisher erst drei Mal aufeinander getroffen, zwei Mal konnte Deutschland gewinnen, einmal Frankreich. Ich finde, Frankreich spielt dieses Jahr sehr gut, das wird eine fabelhafte Begegnung. Deutschland hat in der Vorrunde gut gespielt, aber basierend auf dem Spiel gegen Algerien gibt es jede Menge Raum für Verbesserung. Generell jedoch glaube ich: wir steigern uns am Gegner. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Runde weiterkommen.
Im Moment hast du einen guten Lauf. Wie wichtig wäre es aus psychologischer Sicht, Lewis Hamilton auf eigenem Boden zu schlagen? Ist Silverstone ein Schlüsselrennen?
Es stimmt, dass ich derzeit eine gute Serie habe, diesen Schwung gilt es so lange als möglich zu nutzen. Gleichzeitig sehe ich Silverstone nicht primär als Heimrennen von Lewis, sondern als Heim-GP des Rennstalls. Ich fühle mich extramotiviert, weil ich weiss, dass viele Mitarbeiter des Werks mit ihren Familien, mit ihren Kindern auf den Tribünen sitzen werden. Da will ich eine gute Show zeigen, so wie 2013. Klar möchte ich Lewis schlagen, aber das will ich auf jeder Strecke. Ich würde jetzt aber Silverstone nicht als Schlüsselrennen für die WM bezeichnen. Jedes Rennen ist wichtig. Ich muss einfach versuchen, den Schwung zu behalten.
Woran liegt es, dass du in den letzten drei Rennen die Oberhand hattest?
Das ist oft schwierig zu erklären. Es sind einfach mehr Dinge gut als schlecht gelaufen, es kommt immer wieder vor, dass du einen solchen Lauf hast – im Guten wie im Schlechten. Es gibt nicht einen bestimmten Grund, warum das so ist.
Hast du an deiner Herangehensweise etwas geändert?
Nein, überhaupt nichts.
Dein Teamchef Toto Wolff hat unlängst festgehalten, die Formel 1 sollte sozialen Netzwerken gegenüber offener sein. Was ist deine Meinung?
Wir sind grundsätzlich hier, um die Menschen zu unterhalten. Die sozialen Netzwerke sind ein junges, aufregendes und aufstrebendes Medium, das es dabei zu nutzen gilt. Sie bilden eine hervorragende Plattform, um den Fans frische Perspektiven des Sports zu zeigen. Also sollten wir uns auch entsprechend darum kümmern. Ich selber habe viel Spass daran – die sozialen Netzwerke sind so einfach zu nutzen.
Gibt dein Vater Keke eigentlich noch Ratschläge?
Ich fand es nie einfach, Ratschläge anzunehmen. Rückblickend setze ich sie oft um, aber ich verteidige auch immer meine Position. Papa ist weise und sagt natürlich schon, was ihm auffällt – beispielsweise in Sachen Strategie.
Wann hast du in diesem Jahr eigentlich die Gewissheit gehabt – dieses Jahr bin ich ein WM-Anwärter?
Daran geglaubt habe ich schon bei den Wintertests im Winter.
Wir haben bald Saisonhalbzeit, du bist WM-Leader und wirst das auch in Hockenheim sein, ungeachtet dessen, was hier in England passiert. Mit welcher mentalen Einstellung gehst du in die zweite Saisonhälfte?
Klar ist es ein schönes Gefühl, so viele Punkte gesammelt zu haben und die WM-Führung zu haben. Aber sonst hat sich eigentlich nichts geändert. Ich will noch immer jedes Rennen gewinnen.
Wie willst du diesen aufsässigen Engländer hinter dir behalten?
Das ist die grosse Herausforderung. Wir sind uns jetzt jedes Rennen in den Getriebe gehangen, einmal liegt der eine vorne, dann wieder der andere. Das reizt mich aber auch.
Wo ziehst du die Grenze zwischen fürs Team arbeiten und für dich selber arbeiten?
Primär wollen wir beide natürlich das Team vorwärts bringen, das liegt ja in unserem eigenen Interesse. Als Einzelsportler kannst du im Rennsport nicht dominieren, das geht nur, wenn man zusammenhält. Unsere Position ist ein Beweis dafür, wie gut wir zusammenarbeiten. Lewis und ich drängen das Team nach vorne. Aber natürlich gibt es Bereiche – und das wird vom Rennstall auch akzeptiert – wo man gewisse Details für sich behält, um einen Vorteil zu erarbeiten. Dann wirst du zum Einzelkämpfer. Es darf einfach keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Teams haben.
Entwicklung war in den letzten Jahren nicht eben die Stärke von Mercedes. Wie ist das 2014?
In Kanada waren wir weit voraus, in Österreich hat uns Williams im Training dazwischen gefunkt. Das zeigt: die Konkurrenz schläft nicht. Silverstone sollte uns eher liegen als Österreich. Aber generell ist der Entwicklungsrhythmus bei uns in diesem Jahr anhaltend hoch.
Susie Wolff fährt morgen das erste Freitagtraining. Wie stehst du dem Thema Frauen in der Formel 1 gegenüber?
Das finde ich toll, und ich werde mit Interesse zugucken. Es gibt keinen Grund, wieso eine Frau nicht Grand Prix fahren sollte. Wir haben nur deshalb so lange keine mehr in der Startaufstellung gehabt, weil es einfach weniger Frauen versuchen. Aber es gab schon Frauen in der Formel-1-WM und es wird auch wieder welche geben. Stellt eigentlich keiner eine Frage zum geschichtsträchtigen Datum morgen?
(Milde Ratlosigkeit in der Runde.)
(Nico mit Leidenschaft.) Auf den Tag 60 Jahre, seit Mercedes zum ersten Mal einen Formel-1-WM-Lauf gewonnen hat, mit Fangio vor Kling in Reims, und am gleichen Tag hat die deutsche Fussball-Elf in Bern den Titel geholt!
Habt ihr die Teambesprechungen so gelegt, dass du Fussball gucken kannst?
(Das Spiel beginnt in England um 17.00 Uhr Lokalzeit, also 90 Minuten nach Abschluss des zweiten Trainings.)
Das ist mir egal, ich gucke Fussball!