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Ferrari: Mangel an Respekt oder Reglement-Eigentor?

Von Mathias Brunner
Mercedes weit in Führung, das passt nicht allen

Mercedes weit in Führung, das passt nicht allen

Der Unmut der Mercedes-Gegner ist gross, dass man in Sachen Aufweichung des Motorenreglements nicht mehr Entgegenkommen geniesst. Aber diese Einstellung ist kurzsichtig.

Mercedes, Ferrari und Renault sind sich derzeit nicht grün. In 26 Worten eingedampft: Die Gegner von Mercedes fordern mehr Entgegenkommen, was ein Aufweichen des Motorenreglements angeht, verständlicherweise hat der neue Markenpokalsieger wenig Lust, etwas vom hart erarbeiteten Vorsprung preiszugeben.

Ich habe für das ganze Geschrei wenig Verständnis: Die Ausgangslage beim Schritt in die neue Turbo-Ära war für alle gleich, die Motorenhersteller haben dem neuen Reglement einmütig zugestimmt, Renault hat damals sogar dem Wechsel zum Turbo tüchtig Beine gemacht mit der Direktive, man brauche ein neues Schaufenster, um technisches Know-how zu beweisen, die alten Saugmotoren seien ausgelutscht und nicht serienrelevant, man könne durchaus auch nach Hause gehen.

Nun ist die Aufregung gross, weil Mercedes Klassenbester ist und es keinen zwingenden Grund gibt, dass sich daran so schnell etwas ändert.

Mein italienischer Kollege Leo Turrini war unlängst mit einigen Angestellten von Ferrari essen. Er spürt viel Unmut seiner Landsleute, weil Mercedes nicht Willens sei, den Gegnern Zugeständnisse zu machen. Sie legen das als mangelnden Respekt dem traditionsreichsten Rennstall gegenüber aus und als schlechter Stil eines Siegers. Auch die Bemerkung, Ferrari brauche einen neuen Taschenrechner, ist in Maranello jetzt nicht so gut angekommen.

Kurzer gedanklicher Boxenstopp, bevor die Tifosi mit mir zu schimpfen beginnen: Ich finde Ferrari famos, habe die allergrösste Hochachtung vor der Historie, und ich fände es für die Formel 1 elementar, dass wir ein siegreiches Ferrari haben. Nur damit wir uns hier richtig verstehen, liebe Ferrari-Fans.

Jedoch: Wenn ein Rennstall dominiert und die Gegner ein wenig Entgegenkommen erwarten, dann kann ich nur lachen – das ist naiv und widerspricht der DNA des Sports im Allgemeinen und jener der Formel 1 im Besonderen. Sport sollte darwinistisch sein, der Stärkste setzt sich eben durch.

Mit respektvollem Nicken Richtung Maranello frage ich: Als Michael Schumacher und Ferrari die Formel 1 mit ihrer beispiellosen Siegesserie erstickten, wo war da bitteschön ein wenig Entgegenkommen für die Gegner?

In Italien kursiert auch: Kein Wunder, habe Mercedes den Titel gewonnen, sie hätten ja auch am meisten investiert. Ja und? Hat es vielleicht damals nichts gekostet, als die Ferrari-Fahrer vor gut zehn Jahren praktisch Tag und Nacht getestet haben? Hatte Ferrari damals nicht das üppigste Budget und die innigste Verbindung mit dem Reifenhersteller?

Die Formel 1 verläuft immer zyklisch, Rennställe dominieren, dann werden sie früher oder später von den Gegnern wieder eingeholt und hinter sich gelassen: McLaren, Williams, Ferrari, Red Bull Racing, sie alle haben es geschafft, sich Vorteile zu erarbeiten, keiner von ihnen hat Vorteile freiwillig hergeschenkt, und das wird auch dieses Mal nicht passieren. Die Gegner werden die Ärmel hochkrempeln und Mercedes früher oder später die Hölle heiss machen.

So geht das.

PS:
Mercedes-Renndirektor Toto Wolff hat im Rahmen der DTM in Hockenheim noch einmal klargemacht, wieso man sich gegen das Ansinnen der Gegner so wehrt: «In der Formel 1 dürfen wir auf nächstes Jahr hin 48 Prozent des Triebwerks ändern, und danach wieder 25 Prozent. Es handelt sich also nicht um ein Einfrieren, ganz im Gegenteil. Unsere Gegner wollen während des Jahres weiterentwickeln und Ende Juli nochmals eine Version des Triebwerks zur Homologation vorlegen dürfen. Das stellen wir in Frage- Wir wollen keine radikale Position einnehmen, auch uns ist das Gesamtbild wichtig. Die Formel 1 braucht den Wettbewerb, aber wir wollen keine Materialschlacht auslösen. Wenn wir die Regeln ändern, stellt sich die Frage: Wer finanziert die Weiterentwicklung? Und auch logistisch gibt es Schwierigkeiten für uns. Wir haben drei Kundenteams und müssen entsprechend unserer Philosophie acht Autos gleichzeitig mit dem gleichen Material ausrüsten. Das bedeutet, dass wir die Entwicklung des Motors sehr früh abschliessen müssen. Das ist eine ganz andere Situation als bei Honda, die nur zwei Autos beliefern und Ferrari, die sechs Renner bestücken.»

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