Bob Fernley, Force India: Top-Teams erkennen Realität
Claire Williams mit Bob Fernley
Eine alte Faustregel in der Formel 1: Gewinnst du einmal, klopfen dir alle auf die Schulter. Gewinnst du ständig, klopfen sie dir auch auf die Schulter – um zu prüfen, wo genau sie das Messer ansetzen sollen!
Mercedes dominiert, und viele jammern. Besonders die Klagen von Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner sind auf Unverständnis gestossen. Der Engländer muss sich vorwerfen lassen, scheinheilig zu argumentieren. Horner hat vom Autoverband FIA gefordert, dass es vielleicht an der Zeit wäre, etwas für die Chancengleichheit zu tun. Der Vorwurf an den Weltmeistermacher von Sebastian Vettel (vier WM-Titel in Folge 2010 bis 2013): als sein Team mit Vettel und Mark Webber von Sieg zu Sieg eilte, habe ihn die Überlegenheit eines Rennstalls auch nicht gestört.
Typisch Formel 1, dass bei vielen Gegnern auch eine gehörige Portion Schadenfreude mitschwingt, wenn sie die Aussagen von Christian Horner kommentieren. So auch bei Bob Fernley, dem stellvertretenden Teamchef von Force India.
Der Brite sagt: «Höchst bedauerlich, dass es so lange geadauert hat, bis bei Horner der Groschen gefallen ist. Ich habe deshalb kein Mitgefühl für ihn und die Position seines Rennstalls, weil wir schon vor eineinhalb Jahren darauf hingewiesen haben, dass wir in der Formel 1 Probleme haben. Diese Probleme sind immer schlimmer geworden.»
«Die grossen vier Teams, einschliesslich Red Bull Racing, waren überzeugt davon, dass man nichts unternehmen muss. Und nun steht sein Team unter Druck. Selbst bei der jüngsten Sitzung der Formel-1-Kommission, und die ist erst einen Monat her, waren sie nicht bereit zu Zugeständnissen. Da kann ich nur sagen – willkommen in der realen Welt.»
Die reale Welt sieht so aus: Im Gegensatz zu früher wird es nicht mehr sportlich fair hingenommen, wenn man gegen ein dominantes Team verliert, wie jetzt gegen Mercedes. Die immensen Investitionen müssen gerechtfertigt werden, und wer 300 Millionen Dollar pro Jahr verfeuert ohne eines Siegeschance, der hat ein grosses Problem.
Force India, Lotus und Sauber haben sich im Sommer 2014 zusammengetan, um die Mächtigen der Formel 1 auf die grundsätzlichen Schwierigkeiten des Sports hinzuweisen, angefangen bei der ungerechten Verteilung der Preisgelder.
Caterham ist bereits untergegangen. Marussia hat sich als Manor neu erfunden. Aber gemäss Bob Fernley ist der Weg zur Einsicht noch lang. Denn es ist kein Wille der grossen Teams zu sehen, den kleineren zu helfen. Auch das ist typisch Formel 1: jeder schaut nur auf den eigenen Vorteil, statt an das Wohl des Sport zu denken. Auf die Gefahr hin, dass wir immer weniger Rennställe haben.
Der Eindruck drängt sich auch auf: Die Mächtigen im Sport tun zu wenig für die Formel 1. Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone, so der Vorwurf vieler Fans, sei beschäftigt damit, Traditionsrennen wie Deutschland aus dem Kalender zu kippen und dem neuen Geld wie in Aserbaidschan nachzurennen, statt längerfristig die Weichen zu stellen, auf dass die Formel 1 wieder gesünder wird. Und FIA-Präsident Jean Todt, so schimpft so mancher Formel-1-Freund weiter, scheint mehr an seiner Wiederwahl interessiert zu sein als am Wohle der Königsklasse.
Bob Fernley: «Wir brauchen Änderungen, aber ich fürchte, auf die Schnelle wird das nicht gehen. Mercedes kann niemand einen Vorwurf machen. Wieso auch? Sie haben lediglich getan, was man von einem Formel-1-Rennstall verlangt – hervorragende Arbeit. Ferrari hat im Winter sichtlich Fortschritte gemacht. Sauber steht besser da, die waren in Australien schneller als Red Bull Racing. Und das Schwester-Team Toro Rosso hat recht konkurrenzfähig ausgeschaut. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass die ganzen Probleme von Red Bull Racing nur am Motor von Renault liegen.»
«So lange sich nichts in der Formel 1 ändert, müssen wir als kleineres Team versuchen, uns über Wasser zu halten. Und hoffentlich gewinnt dann eines Tages der gesunde Menschenverstand.»